Der Kletter-Führervorstadt

Viele Kletterrouten im Osten Österreichs tragen noch immer rechtsextreme Namen, obwohl diese seit Jahren kein Geheimnis der Berge mehr sind. Sehr spät, aber doch regt sich jetzt Widerstand. Widerstand vor allem gegen eine bestimmte Person.

Text: Daniel Kufner
Illustration: Gisela Hesser

Thomas Behm, der wohl eifrigste Erschließer von Neurouten und Sanierer schon bestehender Wege im Osten Österreichs, ist einer der beiden Autoren der lang erwarteten 4. Auflage des Kletterführers Keltenkalk. Die Neuauflage erscheint im Verlag Vienna Mountain Art GmbH. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist Andreas Maron, der in selber Funktion auch der Sporthaus Hans Schwanda GmbH vorsteht. Es gibt wohl keine Kletterer_innen, die den Keltenkalk (der Sportkletterführer für Wien Umgebung und Niederösterreich) nicht kennen und benutzen, obwohl der Herausgeber aus seiner Gesinnung, vor allem auch in seinen nicht ganz so populären Büchern, keinen Hehl macht. Man wird in das geheiligte Thal (sic!) mitgenommen, bestaunt die Wehrhaftigkeit der Landschaft, versteckt in alten heid­nischen Wäldern, sieht den Thalhofergrat als Verteidigungsbollwerk des Bundesheeres. Eingang finden aber nur die Aufrechten, die Krieger aufrechten Hauptes, nicht der Hallentrottel, die Hallenmongos, die Stöckelschuhtussie. Da kann man sich fast schon glücklich schätzen, dass es die Höllenthal Miliz und auch die Lechnermauern Miliz gibt, die notfalls unter Gewaltandrohung (Wenn auch dieses Wandl eingebohrt wird, gibt es hier ein Kletterverbot und von uns Boulderern eins aufs Maul!) die alte Ordnung aufrechterhalten und im Falle des Falles auch bereit sind, mit als Granaten bezeichneten Steinen 100 ungarische Pensionisten, die aus einem Puszta-Autobus gestiegen sind, zu vertreiben. Dann ward die Heilige Ruhe wieder gegeben.
Wem das noch nicht genügt, kann zu den Routenbenennungen übergehen. Von Behm als Erstbegeher benannte Routen tragen völkisch-nationalistische Namen wie Eichenlaub, Heimatscholle, Volkssport, Köterrasse, Fremd bleibt Fremd, Kulturkampf, Antiparasitär, Runengymnastik und sind laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) durchsetzt von positiven Bezugnahmen auf eindeutig neonazistische Bands wie Turbund Sturmwerk, Belborn, Forthcoming Fire, Von Thronstahl, Wild und Trüb, Panzerdivision Marduk, Der Blutharsch etc. Neue Routen werden traditionellerweise von den Erstbegeher_innen benannt. Die Namen sind weder genehmigungspflichtig, noch gibt es eine irgendwie geartete Behörde mit Kontrollfunktion. Und schon lange werden Neurouten und deren Namen nicht mehr nur in Form von Aufsätzen in alpinen Vereinszeitschriften publiziert, wo sie von einer Handvoll Interessierter gelesen werden, sie stehen in gedruckter Form in Buchhandlungen und sind auf mannigfaltigen Online-Tourenportalen zugänglich. Auch die städtischen Büchereien Wien haben 14 Titel Behms im Angebot.

Seit 2010 ist alles klar.

Ein Falter-Artikel hat 2010 dazu geführt, dass sich Thomas Behm in guter österreichischer Tradition zu Mythologie, Heimatliebe, Heidentum bekennt, den Nationalsozialismus aber offiziell ablehnt. Was, gelinde gesagt, im krassen Gegensatz zu vielen nach 2010 publizierten Routennamen steht, die mehr oder weniger unverhüllt auf nationalsozialistische oder Neonazi-Codes verweisen, wie Schwarze Sonne (drei übereinander gelegte Hakenkreuze), der Othala-Rune (Zeichen einer SS-Division, des Hitler-Jugend und des Rasse- und Siedlungshauptamts), Heil Merkel 66 ( ein Neonazi-Sujet für Aufkleber und Gewand) neben Kraft und Freude, Weisse Kraft und vielem mehr. Da braucht es im Grunde keinen Befund der Rechtsextremismusexpert_innen vom DÖW mehr, der besagt, dass die Routenbenennungen weltanschaulich eine klare Sprache sprechen und eine offenkundige Provokationsabsicht gegenüber nicht rechtsextrem Gesinnten darstellen.
Man könnte natürlich davon ausgehen, dass sich die Käufer_innenschicht von Behms Führerliteratur auf das Lesen des Wesentlichen beschränkt (den Routennamen und den Schwierigkeitsgrad; eventuell noch die Legende und die Zustiegsbeschreibung) und deswegen nicht unbedingt viele Gedanken daran verschwendet, was diese merkwürdig anmutenden Routennamen bedeuten. Schließlich sind Kletterrouten durchwegs lustig, seltsam oder auch unverständlich benannt. Dass aber die Geschäfte, die diese Kletterführer vertreiben und gutes Geld damit machen, oder die in den Führern inserierenden Läden, Hütten und Firmen nicht wissen, was und wen sie da unterstützen, muss stark bezweifelt werden. Zwar distanzieren sich die Unternehmen Freytag & Berndt, Bergfuchs und Mammut auf Nachfrage von der Gesinnung des Autors Behm, werden seine Bücher nicht mehr bewerben und zumindest im Keltenkalk nicht inserieren, vertreiben werden sie diese aber weiterhin.

Historische Aufarbeitung.

In den USA ist im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung die Diskussion aufgekommen, ob man rassistisch, homophob oder sonstwie abwertend benannte Kletterrouten umbenennen soll. Auch in Österreich fand schon einmal – analog zur Debatte über den Umgang mit Denkmälern und Straßennamen – eine Auseinandersetzung mit problematischen Traditionen im Alpinismus statt. Beispielsweise wurde die Eduard-Pichl-Hütte 2002 in Wolayerseehütte umbenannt. Eduard Pichl war ein fanatischer Antisemit, fantastischer Kletterer und Freund Georg von Schönerers, des «Ideen­gebers» Adolf Hitlers. Der von ersterem erstbegangene Pichlweg durch die Dachstein-Südwand war sicherlich eine große alpinistische Leistung seiner Zeit, und es ließe sich darüber diskutieren, ob man auch die alpinistischen Taten der Erstbegeher durch Tilgung ihrer Namen dem Vergessen übergeben sollte. Nur ist Thomas Behm, der Pichls Buch als «grandiose Chronik» bezeichnet, keine Figur der Vergangenheit. Seine aktuellsten Werke verbreiten Routennamen mit im besten Fall geschmacklosen rechtspopulistischen Verballhornungen, wie sie auch von FPÖ-Dichter und Behms Kletterpartner Herbert Kickl stammen könnten: Pummerin statt Muezzin, Obama bin Laden, SOS Unmensch, Raxist, Hirschwanger Islam, Kornblume, Schattenregierung, Zertanz die Toleranz, Thernberger Tschetschenen, Unheilige Greta, Dokumentationsarchiv des öst. Würstelstandes, Der tiefe Staat, Zigaunerpolitik, Mandela Dead (neben einer älteren, nicht von ihm benannten Route mit dem Namen Mandela Free). Aber anstatt einer kritischen Thematisierung dieser durchaus publiken Gesinnung, stellt sogar der ORF in einer von ihm mitproduzierten Folge der Sendereihe Universum Thomas Behm als Kletterpartner und -lehrer Hermann Maiers bildsprachlich in eine Linie mit Karl Prusik. Prusik war ein ausgezeichneter Kletterer, und der Prusikknoten ist der weltweit wohl bekannteste Klemmknoten. Außerdem trat Prusik, wie Pichl, für einen völkischen Militäralpinismus ein und glaubte an ein Germanentum mit vererbbaren seelischen Rasseeigenschaften.
Was war in den letzten 10 Jahren? Zumindest die Wiener Sektionen des Österreichischen Alpenvereins und die Naturfreunde haben sich in jüngster Zeit klar von Thomas Behm abgegrenzt, was dem Vernehmen nach allerdings mehr dem Druck einzelner Personen der Kletterszene als genuin moralischen Grenzen der Vereine geschuldet ist. Besser spät als nie, könnte man sagen. Trotzdem müssen sich die Vereine die Frage gefallen lassen, wo ihr antifaschistischer Grundkonsens oder die Ablehnung rückwärtsgewandter Ideologien in den letzten 10 Jahren war, als sie in den Führern von Thomas Behm inseriert, seine Projekte mit gesponsertem Material unterstützt oder seine Bücher in den Geschäftsstellen zum Verkauf angeboten haben. Bei aller inhaltlicher Vehemenz der Pressenaussendungen und der begrüßenswerten Ankündigung, dass der Alpenverein aufhört, Behm mit Hakenmaterial für neue Projekte zu unterstützen, bleibt der fahle Geschmack, dass hier ein rasches Dementi vor Erscheinen des neuen Keltenkalk Hauptgrund der Distanzierungen ist.

Klettern boomt.

Klettern wird diverser, immer jünger und ist international. Widerstand gegen rechte Ideologien im Klettersport regt sich sowohl auf Social Media unter #boycottkeltenkalk als auch bei Mitautoren Behms, wie Martin Gumpold, der schreibt: «In Zukunft werde ich auf jegliche Zusammenarbeit mit Thomas Behm verzichten und versichere, dass Kletterführer, die meine Handschrift tragen werden, in der Sprache dem humanistischen Leitbild des Alpinismus entsprechen.» Klettern ist darüber hinaus ein sehr wenig reglementierter Sport. Es gibt keine Instanz, der man die Verantwortung für die Benennung von Routen und deren Verbreitung in Form von Büchern übertragen kann. Alle Mitglieder der Kletterszene haben gleichermaßen Anteil daran, wie sich die Szene entwickelt. Eine inklusive, bunte Szene, die niemanden aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder sonstiger Merkmale ausschließt oder diffamiert, ist dem Kauf eines neuen Kletterführers auf jeden Fall vorzuziehen.