«Der Raum hier ist schon vieles gewesen»Artistin

Das Kulturzentrum Werkl feiert

Kaisermühlen Blues: Open House, offene Bühne und ­offenes Mikrofon. Das Werkl in Kaisermühlen veranstaltet im Juni ein «Fest der ­Vielfalt» im Gemeindebau. Karl Weidinger (Text & Foto) war vor Ort.

Das Schild über der roten Tür zeigt an, dass man hier richtig ist. Die Tafel besagt «Werkl im Goethehof», und die Unterzeile verspricht «Kulturelle Freiräume». Daneben in Kunstschrift: ­«Sichelschmiede». Nicht leicht zu dechiffrieren, ganz ohne Smileys und Emoticons für die SMS- und Internetgeneration. Daneben «kultur_beratung_solidarität», voll zeitgemäß.

Ein Teil des Werkl-Teams ist schon da. Die guten Geister sammeln sich und können überall Hand anlegen. Eher Alleskönner_innen statt nur Fachwissende, universell einsetzbar. Das 2012 reaktivierte Werkl bietet ein breites Spektrum an Kleinkunst; offene Bühne und offenes Mikrofon inklusive. Ein Haus für alles offen? Nicht ganz.

«Der Raum hier ist schon vieles gewesen, auch Polizei- und Tuberkulosestation, während der Zeit des roten Wiens», sagt Doris Nussbaumer, Vorstand im Kulturverein des Werkls. Jetzt ist es in erster Linie rassismusfreie Zone. Und auch frei von Konsumzwängen. «Das Werkl steht für basissolidarische Zusammenarbeit bei feministischer Grundhaltung», erläutert Josef Iraschko. Als Berater und Mietrechtsexperte hat er im Goethehof ein weites Betätigungsfeld. Das Selbsthilfe-Zentrum für Mieter_innen (MSZ) besteht seit etwa 20 Jahren und ist mittlerweile auch dort angesiedelt.

Konsumfrei.

«Aus Herrschaftsverhältnissen befreiend» soll ein breites Spektrum an Kulturschaffenden, Randgruppen, Minderheiten und Menschen, die selbst kreativ tätig werden wollen, erreicht werden», erklärt Doris Nussbaumer bei der Fotogelegenheit vor der roten Tür im Windfang.

Gut. Funktioniert. Kommt an! Menschen mit geringem Einkommen soll durch Wegfall von Konsumverpflichtung die Teilnahme am kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben ermöglicht werden. Das Werkl im Goethehof ist mit der roten U1-Linie leicht zu erreichen. Bis zur Station Kaisermühlen/Vienna International Center fahren, aussteigen und dann bis zur Schüttaustraße 1–39 gehen. Fünf Minuten von der UNO-City entfernt, gibt es hier eine der schönsten Kleinbühnen Wiens zu entdecken.

Der Goethehof ist ein Gemeindebau mit 650 Wohneinheiten. 1930 wurde der Bau besiedelt und schon im Februar 1934 heftig umkämpft. Der Hof geriet stark unter Beschuss, auch aus der Luft. Hier befand sich eine der letzten Bastionen des Schutzbunds, eine Hochburg der Sozialdemokratie. Aber auch ein Vorzeigekindergarten der Stadt Wien, nach der damals revolutionären Montessori-Pädagogik. Die historische Fassade, eingepackt derzeit, wird renoviert bis 2019. Die Rückseite ist zur Alten Donau hin offen zum beliebten Kaiserwasser. Weit über die Grätzlgrenzen bekannt wurde der Gemeindebau durch Ernst Hinterbergers Kaisermühlen Blues im rustikal-urbanen ORF. Hier ist das natürliche Werkl-Habitat und stemmt sich seit etwa sechs Jahren der Verwertungslogik im Kulturbetrieb entgegen.

Doris Nußbaumer ist für die künstlerische Knochenarbeit zuständig. Sie koordiniert und organisiert, macht derzeit viel Kulturarbeit und firmiert im Vorstand. Vera Albert ergänzt und unterstützt in organisatorischen Belangen.

Fest der Vielfalt.

Eine gute Gelegenheit, dem Werkl den nächsten Besuch abzustatten, ist das Hoffest am 2. Juni im ersten Innenhof des Gemeindebaus. Ein «Fest der Vielfalt» soll es werden. Für, aber nicht nur, Menschen mit besonderen Fähigkeiten, in Kooperation mit der Lebenshilfe und dem Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) im ÖGB. Dort gibt es eine offene Bühne und ein offenes Mikrofon. Dafür ist Wolfgang Pechlaner zuständig. Für die Technik und den Audiobereich, aber auch das Webdesign.

Ein abwechslungsreiches Programm wird gerade fixiert, Beiträge mit der Dauer von etwa zehn bis fünfzehn Minuten. «Das Fest steht im Zeichen der Inklusion, der Einbeziehung», sagt der soeben eingetroffene Michael Broz vom GLB, der immer unterstützt und auch bei der Runderneuerung vor einigen Jahren erheblich mitwirkte.

Neben Lesungen und Tanzvorführungen steht ein Elvis-Impersonator auf dem Programmzettel. Wolfgang Morrison singt «moderne Wienerlieder». Dazu gibt es Andi-Borg-Lieder der Lebenshilfe-Gemeinschaft aus einigen betreuten Wohnhäusern. Ehrengast im 1. Innenhof – oder bei Schlechtwetter im Werkl drin – wird der Bezirksvorsteher der Donaustadt, Ernst Nevrivy, sein. Also weht doch ein Hauch vom Kaisermühlen-Blues über das windige Transdanubien.

Elfie Resch wacht über die feministischen Agenden. Eine kulturelle Zeitreise aus der Vergangenheit in die Zukunft unter dem besonderen Aspekt der Lebens- und Arbeitsbedingungen widerständiger Frauen. Nachdem man sich im Werkl 2017 dem «runden Hunderter» der «Oktoberrevolution» widmete, firmiert 2018 unter «Widerstand gegen rechts: gestern, heute, morgen». Da gibt es schließlich noch genug zu tun. Nicht nur für heuer, sondern für immer und ewig. Stichwort: Bedingungsloses Grundeinkommen. Oder Systemüberwindung in einer solidarischen Gesellschaft, die auch (auf) die Umwelt achtet. Denn «Linke Politik ohne begleitende kulturelle Arbeit ist zum Scheitern verurteilt, also wollen wir emanzipatorische Aufklärungsarbeit in die linke Kulturarbeit einbringen.» Auf viele weitere Jahre.

 

Der Werkl-Besuch ist bei Radio Augustin (Sendung vom 14. Mai) auf Radio Orange 94,0 online nachzuhören.

Fest der Vielfalt: Samstag, 2. Juni, von 13 bis 19.30 Uhr im 1. Innenhof des Gemeindebaus Goethehof (bei Schlechtwetter im Werkl) bei freiem Eintritt

Werkl im Goethehof

22., Schüttausstraße 1

www.werkl.org