Fußball und Politik
Der FPÖ-Rechtsaußen Martin Graf soll Dritter Nationalratspräsident werden. Als Präsident des Oberligisten Hellas Kagran missbrauchte er den Verein für eine FPÖ-Wahlveranstaltung. Während die Verbandsstatuten keine Handhabe gegen rechte Agitation am Fußballplatz vorsehen, protestiert ein Teil der Frauenmannschaft gegen die politische Vereinnahmung ihres Klubs.Dass PolitikerInnen den Fußball als Plattform nutzen, um ihre Bekanntheit und Popularität zu fördern, ist kein neues Phänomen. Die historische Verwurzelung des Fußballs in der ArbeiterInnenschaft, spiegelt sich in einer langen Liste roter FunktionärInnen und PräsidentInnen in den Fußballannalen Österreichs wider. Von Anton Benya bis Rudolf Edlinger.
Und seit Fußball die Fernsehprogrammgestaltung dominiert, entdeckten auch konservative Politiker das Stadion als Wahlkampfbühne. In der Erfolgsära des SK Sturm Graz während der 90er-Jahre nahm die steirische ÖVP-Führungsriege rund um die Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic ebenso gern neben dem inzwischen weniger gut beleumundeten Ex-Präsidenten Hannes Kartnig Platz, wie sich CSU-PolitikerInnen auf der VIP-Tribüne im Erfolg des FC Bayern München sonnten.
Besonders dreist benützen rechte PolitikerInnen den Fußball als Wahlkampfarena. Kein Wunder, ist doch der einstige ArbeiterInnensport Fußball der ideale Ort, um traditionell linke Wählergruppen nach rechts abzuwerben: Als Landeshauptmann übernahm Jörg Haider höchstpersönlich die Geschicke des FC Kärnten und folgte damit dem Beispiel von Silvio Berlusconi, der neben dem Präsidentenamt beim AC Milan auch jenes des italienischen Ministerpräsidenten innehatte. Dubiose Machenschaften zählten dabei dies- und jenseits der karnischen Alpen zum Führungsstil. Gerade auch, was den Fußball anbelangt. Um die EM 2008 an den Wörthersee zu holen, ließ Haider ein im fußballerischen Ödland Kärnten viel zu großes Stadion errichten Finanzsskandal inklusive. Als sich 2007 ankündigte, dass der damalige Zweitligist FC Kärnten in der EM Saison nicht erstklassig spielen würde, verhalf der Präsident und Landesvater seinem Verein zum Aufstieg durch eine Lizenzschacherei mit dem SV Pasching. Die Kärntner Austria sollte fortan das schicke EM-Stadion füllen, was durch massenhaft ausgegebene Gratistickets zumindest fallweise gelang.
Der Rechtsaußen als Präsident
Politisches Engagement rechter Recken im Fußball ist aber auch einige Spielklassen weiter unten en vogue. Das dachte sich wohl der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Martin Graf und übernahm das Präsidentenamt beim FC Hellas Kagran. Seit 2007 leitet der blaue Ämterkumulierer (wie seine ParteifreundInnen in den 80er- und 90er-Jahren die roten und schwarzen MultifunktionärInnen nannten) als Erster Präsident den Donaustädter Oberligisten. An seiner Seite: Werner Hammer, Vorsitzender der freiheitlichen Heeresangehörigen. Graf ist Alter Herr der rechtsextremen und pflichtschlagenden Burschenschaft Olympia, die regelmäßig Rechtsradikale und Neonazis auf ihre Bude einlädt. Und Graf war in jungen Jahren beim Ring Freiheitlicher Jugend aktiv, unter anderem, wie profil berichtete, als Saalschützer bei einer Veranstaltung mit dem deutschen Holocaustbeschöniger Reinhold Oberlechner.
Da traf es sich nicht schlecht, dass der RFJ im Wahlkampf zu den jüngsten Nationalratswahlen ein Spanferkelessen veranstaltete. Denn so konnte der beliebte Hellas-Kagran-Platz zum Aufmarschgebiet rechtsextremer Aktivisten umfunktioniert werden: Auffallend viele Glatzen hatten dort die blauen Nachwuchshoffnungen Marcus Vetter und Johann Gudenus versammelt. Zum Soundtrack des Strache-Rap labten sich Familien mit Kindern, AnrainerInnen und Fußballfans, Seite an Seite mit Burschenschaftlern und Skinheads gratis bei Bier und Spanferkel. Stargast des Abends: Martin Graf, Präsident des Hellas Kagran und designierter Dritter Präsident des Nationalrats.
Mutiger Protest aus dem Frauenteam
Ausgerechnet während einer Trainingseinheit des Hellas-Frauenteams wurde die FPÖ-Wahlveranstaltung angesetzt. Wollte der blaue Präsident etwa seine Wertschätzung für die Frauensektion zum Ausdruck bringen, in dem er die Vorbereitung auf das nächste Meisterschaftsspiel mit einer zünftigen Polit-Grillage untermalten ließ? Um 7 Uhr hat die Veranstaltung begonnen und um 8 Uhr beginnt unser Training. Wie ich hingekommen bin, war ich schockiert. Rund 200 Leute waren da, auch aus den Bundesländern, der Johann Gudenus, der Marcus Vetter, viele Glatzen, und später auch der Martin Graf, schildert die Mittelfeldspielerin Margarita Döller die Szenerie. Vor dem Eingang waren Wahlkampfautos postiert, die eintreffenden FPÖ- und RFJ-FunktionärInnen wurden per Lautsprecher begrüßt und man verteilte Bärchen. Kurioserweise wird derartiger politischer Missbrauch eines Fußballvereins offenbar sogar durch die Verbandsstatuten gedeckt (siehe Faksimile).
Die Spielerinnen jedoch waren weder gefragt noch informiert worden und reagierten verwundert bis wütend. Aus Protest und nach Diskussionen mit den Kolleginnen nehmen Döller und zwei Mitspielerinnen schließlich nicht am Training teil. Döller, Kandidatin der Sozialistischen Linkspartei, berichtet über den Vorfall auf der SLP-Website und zum folgenden Heimmatch kommt ein linker Fanblock. Das erste Match, wo beide Präsidenten anwesend waren, wie Döller bemerkt. Und auch RFJ-Funktionäre mit Ordnerschleifen, die die Fans verhöhnen und durch sexistische und abfällige Bemerkungen auffallen. Eine Demütigung für die kickenden Frauen, derart angefeuert zu werden.
Für Döller kommt die Eskalation nicht ganz unerwartet. Schon bei der Wahl Grafs zum Präsidenten herrschte im Verein der Tenor: Solange sie Geld für den Sport locker machen, ist es ja egal, von welcher Partei. Und das obwohl, wie bei den meisten Unterhausvereinen auch bei Hellas ein hoher Anteil an MigrantInnen kickt. Ich denke, dass der Herr Graf, die letzten eineinhalb Jahre dazu benutzt hat, auszuloten, wie weit er gehen kann, und nachdem er auf nicht viel Widerstand seitens der Leute im Verein gestoßen ist, hat er sich gedacht, kann man doch einmal eine Kundgebung am Vereinsplatz für die FPÖ im Wahlkampf abhalten. Dennoch, oder gerade deswegen: Den Verein wechseln wird Döller nicht: Ich kann das schwer mit meiner politischen Überzeugung vereinbaren, aber man muss auch der Mannschaft gegenüber fair sein. Ich bin das dem Team schuldig, zu bleiben. Die Atmosphäre ist O. K. Ich fände das nicht den richtigen Weg, sonst hätte ich das schon längst gemacht.