Der Schreibtischrevolutionär MessenhauserDichter Innenteil

In keiner anderen deutschsprachigen Stadt hatten die Revolutionäre des Jahres 1848 zunächst so viel Erfolg wie in Wien. Die alte Ordnungsmacht zog sich zeitweise vollkommen zurück. Der letzte Kommandant der Aufständischen war ein Gemäßigter und wurde zu einer tragischen Figur.Man hat ein kurzes Stück Straße nach ihm benannt. Rund 120 Meter erstreckt sich die Messenhausergasse von der Landstraßer Hauptstraße bis zur Hainburger Straße. Die Häuser sind Gründerzeit, mit Ausnahme der Volks-, Haupt- und Mittelschule, deren Eingang in der Hainburger Straße liegt. Ansonsten fällt nur ein Notausgang für die nahe U-Bahn-Station ins Auge.

An einer Ecke erklärt eine Zusatztafel: Cäsar Wenzel Messenhauser (181148), Kommandeur der Nationalgarde Wiens im Revolutionsjahr 1848, deshalb hingerichtet. Der Verdacht, der sich aufdrängt, findet sich in den wenigen Texten, die es zu Messenhausers Leben gibt, bestätigt: Cäsar hieß er nicht von Geburt an. Und man überlegt, ob es eher Größenwahn oder romantische Verklärung war, was ihn zu diesem Zusatz bewog.

Der aus Mähren stammende Offizier mit deutschnationalen Überzeugungen, der bis zu seinem Tod wenig beachtete Schriftsteller und Politiker wider Willen, betrat die geschichtliche Bühne 1848 erst, als die Revolution schon so gut wie niedergeschlagen war. Mitte März, ein paar Tage früher als in Berlin, hatten Aufständische in Wien gegen Regierungstruppen gekämpft und überraschend schnell die Abdankung des verhassten Fürsten Metternich erreicht. Im Mai floh der Kaiser, der häufig als geistig zurückgeblieben bezeichnete Ferdinand I., zuerst nach Innsbruck und dann nach Olmütz (heute Olomouc/Tschechische Republik).

Rings um die Hofburg machte sich Anarchie breit. Bei Scharmützeln und Ausschreitungen starben hochrangige Angehörige des Staatsapparats: die Gattin des Feldherrn Windischgrätz und Latour, der Kriegsminister.

Es folgte eine Phase der Orientierungslosigkeit. Das Spektrum der Aufständischen reichte von politisch gebildeten Studenten bis zu den verelendeten Arbeitern der Vorstädte. Die Aufhebung der Zensur war eine gemeinsame Forderung, doch über eine neue Regierungsform war man zerstritten. Verzweifelt versuchten Gemeinderat und Bürgerwehren, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, auch, um den kaiserlichen Truppen möglichst wenig Anlass zu Gewalt zu geben.

Wenzel oder, wie er sich in Eindeutschung seines slawischen Namens gern nannte, Wilhelm Cäsar Messenhauser, lebte während der Märzaufstände noch im östlichen Außenposten der Monarchie. In Lemberg (heue L’viv/Ukraine) diente Messenhauser als Fähnrich. Vom Revolutionsgedanken beseelt, versuchte er dort, Ähnliches anzuzetteln. Seine Vorgesetzten ließen dem Heißsporn aber keine Chance und schickten ihn nach Wien. Drei Tage musste der 37-jährige Möchtegern-Umstürzler in Arrest. Anschließend trat er aus der Armee aus. Messenhauser wollte sich nun ganz seiner Berufung zuwenden, der Schriftstellerei.

Bombastischer Schwulst

Der delinquente Soldat hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einiges veröffentlicht. 1841 war ein Freiheitsdrama mit dem Titel Demosthenes erschienen, 1843 ein Lustspiel (Sieben Uhr), das am Burgtheater inszeniert und bald nach der Premiere wegen geringen Zuspruchs abgesetzt wurde. Eine Novellensammlung, Wildniß und Parkett, trägt das Erscheinungsjahr 1847. Außerdem hatte der Offizier staatstheoretische und gefechtskundliche Abhandlungen verfasst. Messenhausers politische Überzeugung war gegen Russland und den Vielvölkerstaat gerichtet, nahm Partei für alles Deutsche und für die republikanisch-demokratischen Prozesse, die gerade in Gang kamen.

Literaturkritik und berühmtere Kollegen gingen nicht gnädig um mit Wenzel/Wilhelm, der den exzentrischen Lord Byron sein Vorbild nannte. Tönende Phrase und bombastischen Schwulst warf ihm der Journalist Max Vancsa vor. Zwei deutsche Großschriftsteller des 19. Jahrhunderts, Heinrich Laube und Gustav Freytag, bemerkten Überspanntheit und ein sehr unvollkommenes Weltverständnis.

Als Revolutionsführer aber erwies sich Messenhauser in den Augen vieler Mitstreiter als noch größerer Versager. Eine Mischung aus falscher Hoffnung, Verlegenheit und Verzweiflung muss der Antrieb des Wiener Gemeinderats gewesen sein, diesem Mann, der sich gar nicht dafür beworben hatte, das provisorische Oberkommando der 15.000 Mann starken Nationalgarde der Stadt, einer Art kommunaler Ordnungsmacht und Kampfeinheit, anzutragen. Am 12. Oktober 1848 übernahm Messenhauser jedenfalls die Befehlsgewalt.

Zunehmend mit Fassungslosigkeit reagierte seine Umgebung fortan darauf, wie der Oberkommandierende ellenlange Verlautbarungen (etwa gegen Lynchjustiz und Plünderungen) verfasste und plakatieren ließ, als bizarr und blauäugig empfundene Friedensangebote an die weit überlegenen kaiserlichen Belagerer schickte und nicht zuletzt an seinem literarischen uvre arbeitete. Einmal sorgte Messenhauser für die Freilassung einer kleinen Gruppe gegnerischer Offiziere kroatischer Herkunft. Sogleich gaben sie wichtige Informationen an ihre Truppen weiter. Er schrieb viel, aber handelte wenig, urteilte Messenhausers Adjutant, der Tiroler Offizierssohn Fenner von Fenneberg, und weiter: Messenhauser glaubte an keinen Kampf und spielte deshalb Krieg.

Noch vor Monatsende machte die alte Ordnung kurzen Prozess mit der Stadt. Weil der greise Feldmarschall Radetzky in Norditalien mit der Niederschlagung von Aufständen beschäftigt war, übernahm Fürst Windischgrätz. Seinen Truppen kamen jene des kroatischen Nationalhelden Ban Jelai zur Hilfe, und ein paar Monate später konnten der neue Kaiser Franz Joseph und Fürst Felix von Schwarzenberg als Metternich-Ersatz die meisten der in der ersten Jahreshälfte 1848 zugestandenen Reformen wieder rückgängig machen.

Für Messenhauser endete sein Amt tödlich. Die Historiker sind sich sicher, dass Windischgrätz den Oberkommandierenden begnadigt hätte, wäre der bei seiner bereits verkündeten Kapitulation geblieben. Doch die Nachricht von heranrückenden Ungarn, die Soldaten von Windischgrätz und Jelai in den Rücken fallen würden, hatte den Revolutionären in der vor dem Fall stehenden Stadt noch einmal Hoffnung gegeben. Auch Messenhauser, der eigentlich kapitulieren wollte, sah vom Stephansdom aus im Osten eine Staubwolke, die alle für die befreundeten Truppen hielten. So beugte sich Messenhauser dem Druck seiner Umgebung und ließ noch einmal kämpfen.

Keine Gnade für Messenhauser

Die ungarische Staubwolke freilich kam nur bis Schwechat. Ein Erschießungskommando richtete Wenzel Messenhauser am 16. November 1848 an einem Stadttor nahe dem heutigen Ringturm hin. Fürst Windischgrätz wies Gnadengesuche zurück, gab nur dem Wunsch des Delinquenten statt, als ehemaliger Offizier selbst den Feuerbefehl geben zu dürfen.

Messenhausers engsten Mitstreitern, Fenner von Fenneberg und dem polnischen General Józef Bem, gelang die Flucht. Fenneberg ging nach Amerika und wurde Rechtsanwalt. Bem schlug mehrere Schlachten als ungarischer Heerführer, trat knapp vor seinem Tod 1850 zum Islam über und starb, mit dem osmanischen Militärrang eines Pascha, in Aleppo (heute Syrien).

Ihren zaudernden Revolutionsführer schlossen die wieder kaiserlich beherrschten Wiener posthum für eine Weile ins Herz. Einige von Messenhausers Texten wurden noch bis zur Jahrhundertwende verlegt. Ein Drama über sein Leben erschien, und in einer Biografie schrieb ein Weggefährte aus Armeezeiten, ein gewisser Jacob Nitschner: Es stand ihm niemand zur Seite, außer seine mächtig arbeitende Phantasie.

Spätere Versuche, Wenzel Messenhauser zum Märtyrer der österreichischen Burschenschaftsbewegung zu stilisieren, blieben ohne besonderes Echo. Allenthalben wird ihm zugeschrieben, eine Eskalation der Kämpfe innerhalb der Stadtmauern verhindert zu haben. Vielleicht ist Messenhauser zu verdanken, dass der neu gekrönte Kaiser eine weitgehend intakte Hofburg beziehen konnte.

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