Der Sog der BilderArtistin

Wegzeichnungen

art_Wallner1__mario.jpgHimmel nennt Heimo Wallner seine aktuelle Ausstellung in der Galerie mel contemporary, weil ihm das Schriftbild dieses Wortes so gut gefalle, und es würde sich soweit er wisse kein positives Wort auf Himmel, wenn man die Pferde-Bedeutung von Schimmel ausnimmt, reimen. Himmel gibt es aber keinen zu sehen, lediglich eine Wolke, in die man mit dem Kopf auch eintauchen kann, und jede Menge Pimmel.

Würde man mich faschieren und hineinstopfen, müsste ich es ziemlich genau ausfüllen, so lauten die ersten Worte Heimo Wallners zum Ausstellungsobjekt aus der Serie me bombs. Diese hohlen Bomben aus Gusseisen assoziative Selbstporträts in der Form eines Ellipsoids haben abgeschnittene Enden, um die Textur der Innenwände sehen zu können: das ausgestellte Stück ist innen mit Nippeln versehen, zwei andere baugleiche me bombs haben anstelle der Brustwarzen Gehirnwindungen bzw. Finger.

Kaum hat Heimo Wallner begonnen, über die direkten Einflüsse auf diese Arbeiten zu sprechen, bricht er auch schon wieder ab. Diese erklären sich von selbst, wir sind sehr simpel gestrickte Säugetiere, die gewissen Signalen nicht entkommen können, mit denen setze ich mich auseinander, so der im steirischen St. Lorenzen bei Scheifling lebende und weltweit, von Milwaukee bis Peking, ausstellende Künstler. Es sind aneinander gereihte Momentaufnahmen aus dem Film, der, wie ich nun einmal annehme, durch unser aller Hirne flimmert.

Studieren, um zu politisieren

Retrospektiv betrachtet er sein Studium an der Akademie überspitzt als Schulung in politischer Partizipation: In den 80er Jahren hat es viel politisches Engagement im Kleinen, wie Demokratieprobleme auf der Akademie oder beginnender Sozialabbau, sowie im Großen, wie Friedensdemonstrationen, Reagan, Waldheim etc. gegeben. Wir haben eine gewisse Arroganz der Jugend gehabt und manchmal bei Sachen mitgeredet, wo wir eigentlich überfordert waren, aber spannend war das schon. Wallner weiter: Studiert im Sinne der um sich greifenden Verfachhochschulisierung habe ich wenig und doch nicht zuletzt wegen der Fehler, die mir passiert sind auch was gelernt.

Zurück zur Ausstellung: Wallners Zeichnungen und Drucke bestechen durch die Direktheit der Sujets. Fast ausschließlich stehen mit relativ groben Strichen gestaltete Figuren im Mittelpunkt. Es sind ProtagonistInnen von manchmal durchaus derben, vulgären und gewaltsamen Schwänken. Bei flüchtiger Betrachtung mag der Eindruck entstehen, dass es sich vorwiegend um männliche Figuren handeln würde, denn die Köpfe sind unisex gestaltet, doch, nur weil sie keine langen Haare haben, darf man sich nicht täuschen lassen, es gibt reichlich Frauen, so die Entgegnung Wallners. Ich suchte nach Kürzeln, damit ich schneller zeichnen kann. Es sind dem Comic verwandte Figuren, obwohl ich mit Comics nichts zu tun habe.

Es gehe ihm vordergründig um das schnelle Festhalten von Inhalten den Transport von Gedanken, Gefühlen auch von (oder manchmal besonders von) nicht so netten. Eigentlich mehr ein Wegzeichnen als ein Herzeichnen je mehr die Wand sich füllt, je mehr die einzelnen Zeichnungen sich gegenseitig beeinflussen, desto eher ist das alles auszuhalten.

Wallners Arbeiten sind nichts fürs Hirn, sondern fürs unbefangene Auge entweder man kippt hinein oder man wird eher abgestoßen, was er mit dem Satz Es gibt Leute, die haut es raus lapidar bestätigt.

Oft werde der Umstand, dass es ihnen inhaltlich zu nahe rückt, mit formalen Argumenten erklärt: Man kann in die Ausstellung gehen und problemlos beweisen, dass 95 Prozent der Zeichnungen anatomisch buchstäblich falsch sind. Nach dem Motto Genau hingeschaut und nichts gesehen.

Film und Musik

Gezeichnet habe er schon immer, doch sei das alles im Notizbuch verschwunden. Es war das Unmittelbare und nur für mich. Über die Druckgrafik sei er wieder zu den Zeichnungen zurückgekommen und habe dann auch begonnen, Animationsfilme zu machen. Für Mao Tse Tung, Band II, einen neunminütigen Streifen, verwendete Wallner jede einzelne Seite dieses Bandes, indem er sie bemalte und anschließend abfilmte. Das ist schon klass, wenn man viele Zeichnungen hat und diese ablaufen lässt das ist nicht nur klass, sondern entwickelt auch einen unglaublich starken Sog, wenn die Figuren wie surrealistische AkrobatInnen sich immer weiterverwandeln, verdichten, überlagern, bis man entweder nur noch Fragmente wahrnehmen kann oder ein einziges Pulsieren.

Mit dem Zeichentrickfilm schlägt er auch die Brücke zu seiner anderen Leidenschaft der Musik: In der traditionellen bildenden Kunst hängst du etwas auf oder stellst etwas hin und das ist dann da, aber dass sich Sachen entwickeln, eine zeitliche Dauer haben, ist das Wesen der Musik und des Films von Moment zu Moment zu Moment.

Mit seinem Bruder, dem Musiker Martin Zrost (spielt z. B. beim Trio Exklusiv, Anm.), arbeitet er nicht nur für die Musik seiner Filme zusammen, darüber hinaus bilden die beiden mit Raumschiff Engelmayr und Bernhard Breuer auch die Band Fugu & the Cosmic Mumu. Die erste CD wird im Frühsommer erscheinen, aber vorher gehts noch für drei Monate nach Vermont als Visiting Artist ans Middlebury College.

Info:

Himmel

Bis 11. Jänner 2008

Mo.Fr., 1619 Uhr, Do., 1620 Uhr

Galerie mel contemporary

Christinengasse 2, 1010 Wien

Am 10. Jänner findet dort um 19 Uhr die Präsentation des Buches

SAUNA, einer von Vincenz Wizlsperger in Buschscher Manier

nach Vorlagen von Heimo Wallner zusammengereimten Porno-Posse, statt.