Der Streik der Restaurant-Sklaventun & lassen

Frankreichs travailleurs sans papiers mobilisierten für ihr Aufenthaltsrecht

Sie arbeiten, zahlen Sozialversicherung und haben dennoch keine gültige Aufenthaltsgenehmigung. In diese absurde Situation drängt das französische Recht tausende Menschen, die vorrangig aus ehemaligen Kolonialstaaten im Land der Franternité, Egalité und Liberté ihr Auskommen suchen. Streiks der betroffenen sans papiers haben nun aufgezeigt, welche Sektoren ohne ihre Arbeit still stehen würden, und führten zu gesetzlichen Reformen. Bis Anfang Juli waren es noch 25 Streikposten, mittlerweile ist nur mehr ein Gebäude in der Rue Baudelique besetzt. Die Legalisierung aller Papierlosen fordern die rund 50 AktivistInnen, die meisten Tunesier, auf einem straßenseitigen Banner. Angefangen hat die mittlerweile dritte Streikwelle der so genannten sans papiers im Oktober 2009 mit geschätzten 6.000 Beteiligten. Die erste Streikwelle ging von der Gastronomie-Branche aus. Als in einer Restaurantküche eine Kündigung anstand, traten neun lohnabhängige sans papiers in den Ausstand. Acht von ihnen erhielten nach einer Woche die Aufenthaltsgenehmigung. Die Aufmerksamkeit der Medien war im April 2008 noch hoch und die Diskrepanz zwischen den Preisen auf der Speisekarte und den Gehältern am Lohnzettel der KüchenarbeiterInnen schockierte die französische Öffentlichkeit. 30 Restaurants und Hotels wurden bestreikt.


Die besetzte Gewerkschaft

Arbeitgeber haben durchaus ein Interesse an illegaler Beschäftigung, denn wer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, stellt auch keine Ansprüche, erklärt Bernard Schmid von mouvement contre le racisme et pour lamitié entre les peuples (mrap), einer NGO, die sich unter anderem der Unterstützung so genannter Illegaler widmet. Als freier Journalist hat Bernard Schmid die Streikbewegungen vor allem für die Onlinezeitung trend dokumentiert. Interessant sind auch die Argumente der sans papiers für ihre Legalisierung, denen Bernard Schmid bei seinen Recherchen begegnet ist: Manche erinnern an die koloniale Vergangenheit Frankreichs, und dass auch ihre Väter und Großväter für die Befreiung Frankreichs von Hitler-Deutschland gefallen sind. Tatsächlich stammen die meisten aus ehemaligen französischen Kolonien westafrikanischer Länder. Weitere wichtige Einwanderungsländer sind die Türkei und neuerdings auch China. Andere wiederum argumentieren auf einer allgemein entwicklungspolitischen Ebene. Allen gemeinsam ist, dass sie sich einfach nach einem Leben ohne Angst vor Abschiebung sehnen.

Die zweite Streikwelle traf skurriler Weise die Gewerkschaft selbst. Ein Jahr lang, bis Juni 2009 hielten AktivistInnen die so genannte Bourse de Travail in der Rue Charlot besetzt. Für die CGT, die kommunistische Gewerkschaft, kam im Zuge dieser Bewegung offensichtlich die Erkenntnis, dass sie auch die Rechte illegalisierter ArbeiterInnen zu vertreten hat. Das traditionelle Mittel des Streikrechts griff aber vor allem bei LeiharbeiterInnen und Einzelbeschäftigten nicht. So wurden auch Baustellen besetzt, wie etwa die der Straßenbahn im 19. und 20. Pariser Bezirk, um zu verhindern, dass die streikenden LeiharbeiterInnen einfach ausgetauscht werden. Die rot-grüne Stadtregierung sprach den Betroffenen einerseits ihre berechtigten Forderungen nicht ab und unterstütze die Bewegung teilweise sogar finanziell, andererseits verweigerte sie den Streikenden die Benützung von Toiletten, um den Baufortschritt ihres Prestigeobjektes nicht zu gefährden.

Das Utilitarismusprinzip

Nachdem der Gesetzgeber mittlerweile Möglichkeiten geschaffen hatte, illegalisiert Beschäftigte zu legalisieren, war es nun Ziel der dritten Streikwelle, den Druck auf ArbeitgeberInnen zu erhöhen, dies auch zu tun. Das ist ein riskantes Unterfangen, denn am Ende eines Streiks steht für die Betroffenen entweder ein gültiger Aufenthaltsbescheid oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen berücksichtigten das Problem der ZeitarbeiterInnen sowie von Menschen im Dienstleistungsbereich nicht. So wurden im Zuge dieses Streiks auch zahlreiche Zeitarbeitsbüros am Boulevard Magenta besetzt. Dieses Mal war das mediale Interesse gering, manche Unternehmen setzten erstmals private Sicherheitsdienste ein, um die besetzten Gebäude zu räumen. Trotzdem wurde von der Regierung Sarkozy am 18. Juni ein neuer Text veröffentlicht, der die Möglichkeiten einer Legalisierung entscheidend erweitert und damit auch ZeitarbeiterInnen eine reale Chance auf einen legalen Aufenthalt gibt. Mussten illegal Beschäftigte bis dato 5 Jahre Aufenthalt in Frankreich und ein Jahr der durchgehenden Beschäftigung bei einem Arbeitgeber nachweisen, sind es bei LeiharbeiterInnen mittlerweile nur mehr 24 Monate Aufenthalt und 12 Monate Versicherungszeit.

Ob das für die Betroffenen einen tatsächlichen Fortschritt darstellt, will Bernard Schmid von mrap daran messen, wie die vorgeschlagene Regelung in der Praxis gehandhabt wird. Gleichzeitig hat Nicolas Sarkozy bereits für diesen Herbst eine Verschärfung des Asylrechts angekündigt und damit abermals gezeigt, wie er seinen Umgang mit Themen der Migration versteht. Für Sarkozy gibt es nützliche und ausnützende Fremde. Der Sohn jüdisch-ungarischer Migranten Nicolas Sarkozy verbucht sich ohne Zweifel auf der Seite der nützlichen Migration, erklärt Bernard Schmid dem Augustin mit einem Schmunzeln abschließend.