Bekommt die Parfümeriekette Douglas einen Betriebsrat?
Unruhestifterinnen. In Wiens zweitgrößter Douglas-Filiale riecht’s nach Problemen. Mitarbeiterinnen wollen einen Betriebsrat gründen und werden gekündigt. Markus Schauta hat nachgefragt. Foto: Lisa Bolyos
Sabrina E. und Selma B. kamen im Dezember 2018 zu Douglas. Die Personalchefin von Douglas hatte die beiden erfahrenen Einzelhandelsverkäuferinnen von einer anderen Parfümeriekette abgeworben. «Einen Monat lang hat es gut funktioniert», sagt Selma B. «Ab Jänner 2019 ist aber immer mehr schief gegangen.»
Es sei viel verschwunden, sagt Selma und meint damit, dass Ware gestohlen wurde. Da es aber keine Überwachungskameras gab, wurden die Mitarbeiterinnen verdächtigt. Entsprechende Kameras hätten Klarheit verschaffen und zu einem besseren Betriebsklima beitragen können. Stattdessen gab es regelmäßige Taschen- und Spindkontrollen, auch in Abwesenheit der Mitarbeiterinnen, wie Selma bestätigt.
Wenig Personal, viel Stress.
Spind- und Taschenkontrollen und der damit im Raum stehende Generalverdacht waren das eine Problem. «Das Hauptproblem war aber der Personalmangel und der damit verbundene Stress», so Selma. Weil es zu wenige Mitarbeiterinnen gab, blieb oft wenig Zeit für Kund_innenservice. «Ich musste immer wieder Kundengespräche unterbrechen und zur Kasse laufen.» In den zwei Stockwerken der Filiale seien durchschnittlich sechs bis sieben Mitarbeiterinnen anwesend gewesen. Gab es Krankenstände, reduzierte sich das schon mal auf fünf bis sechs. «Das ist viel zu wenig Personal für eine zweistöckige Filiale», so Selma. Gab es viel zu tun, zitierte die Filialleitung Mitarbeiterinnen aus dem Krankenstand ins Geschäft, wurden Urlaube gekürzt oder verschoben. «Nein zu sagen, erzeugte ein schlechtes Gewissen, weil man wusste, dass die Kolleginnen in der unterbesetzten Filiale viel Stress haben werden», so Sabrina. Bevor Selmas Dienstverhältnis im Juni aufgelöst wurde, hatte die Filialleitung eine Glocke installiert. «Damit die Kolleginnen klingeln konnten, wenn gerade zu wenig Personal da war», so Selma. Es wurde erwartet, dass die Mitarbeiterinnen dann ihre Pause unterbrechen, um sich um die Kundschaft zu kümmern. «Wenn ich Pause habe, möchte ich in Ruhe essen.» Unterbreche man aber die Pause nicht, erzeuge das böses Blut, weil man dadurch seine Kolleginnen im Stich lasse. «Daher wurde es im Team unruhig», sagt Selma. Und Sabrina ergänzt: «Das sind die Gründe, warum Douglas keinen Betriebsrat will.»
Mit sofortiger Wirkung getrennt.
Im Juni hat Selma beschlossen, mit der Filialleitung zu sprechen. «Ich hab denen gesagt, dass sie das Team zerstören, weil alle gereizt und überfordert sind», erzählt sie. Mitte Juni folgte ein weiteres Gespräch mit Gebiets- und Filialleitung. «Ich habe wiederholt auf die Missstände im Betrieb hingewiesen», sagt Selma, die auf einer Lösung der Personalfrage bestand, andernfalls in Aussicht stellte, den Betrieb verlassen zu wollen. Man stellte ihr zunächst ein weiteres Gespräch in Aussicht. Doch bereits einen Tag später, am 13. Juni, wurde sie erneut ins Büro gerufen: Da sie sich mit den Abläufen im Betrieb nicht abfinden könne, sei eine Trennung mit sofortiger Wirkung die bessere Lösung, fasst Selma das Gespräch zusammen. Die «einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses» trat mit Ende Monat in Kraft, die verbleibende Zeit wurde sie in Urlaub geschickt. Mit diesem Resultat hatte sie nicht gerechnet. «Ich ging ziemlich perplex aus dem Gespräch heraus», so Selma.
Toxische Branche.
Das Ende von Selmas Beschäftigung war für die Belegschaft ein Schock. «Es war schwer nachvollziehbar, warum jemand, der beste Umsatzzahlen hatte, gut mit Kunden konnte und von der Filialleitung immer wieder gelobt wurde, von heute auf morgen gehen muss», schildert Selma die Stimmung.
Sabrina, die Jus studiert und nebenbei bei Douglas arbeitet, beschloss daraufhin, einen Betriebsrat zu gründen. Im Juli begann sie, Kolleginnen zu rekrutieren, doch noch bevor sie die notwendigen sieben Personen gefunden hatte, erfuhr die Filialleitung davon. In sogenannten Motivationsgesprächen erklärte die Filialleitung Sabrina und ihren Kolleginnen, dass die Personalbeauftragte bei Douglas die Aufgaben eines Betriebsrates wahrnehmen würde. «Die Personalbeauftragte hat aber diesbezüglich keine Kompetenz», so Sabrina. Weder wurde sie von den Mitarbeiterinnen gewählt, noch verfüge sie über die notwendige Objektivität. Sabrina wollte sich damit nicht zufrieden geben. Im August wurden sie, Emilija S. und Marianne T. mit sofortiger Dienstfreistellung gekündigt. Alle drei hatten sich für einen Betriebsrat stark gemacht. «Man begründete meine Kündigung damit, dass ich eine Unruhestifterin sei», so Sabrina.
Wie auch bei Selma traf die Kündigung mit Sabrina und den beiden Kolleginnen kompetente Mitarbeiterinnen. «Wir wurden zunächst hochgelobt, Emilija S. stellte man sogar eine Filialleitung in Aussicht», so Sabrina. Und dann werde man als Unruhestifterin bezeichnet und von heute auf morgen gekündigt. Sabrina: «Diese Branche ist toxisch.»
Wenn ihr das macht, seid ihr weg.
Douglas weist die Vorwürfe zurück. Spindkontrollen seien in Österreich gesetzlich zulässig. Die Filialleitung bestreitet, dass es Kontrollen ohne Beisein der jeweiligen Mitarbeiterin gegeben habe. Die Kündigung der Mitarbeiterinnen stehe nicht in Zusammenhang mit der geplanten Betriebsratsgründung, so Douglas. In der deutschen Zentrale hieß es, dass man nichts gegen einen Betriebsrat einzuwenden habe; in Deutschland gibt es seit 2017 einen Gesamtbetriebsrat. Dem Wunsch nach einem Betriebsrat auch in den Filialen in Österreich stünde Douglas offen gegenüber.
Die Gewerkschaft sieht das anders. Es hätten schon mehrere Kolleginnen vor Sabrina versucht, einen Betriebsrat bei Douglas zu initiieren, sagt Mario Ferrari von der zuständigen Gewerkschaft für Privatangestellte, GPA. Die Reaktion von Douglas sei unmissverständlich gewesen: Wenn ihr das macht, seid ihr weg.
Ferrari vermutet, dass die Kündigungen im aktuellen Fall eine Kurzschlussreaktion von Douglas gewesen seien. Bis zur Kündigung seien die Mitarbeiterinnen von der Filialleitung in den Himmel gelobt worden, erzählt auch Ferrari: «Eine hätte sogar eine Filiale in Parndorf übernehmen sollen.» Dafür gebe es stichhaltige Beweise. Ferrari betont, dass es durchaus Vorzeigebeispiele in der Branche gebe. «Bei BIPA und dm haben wir mit Betriebsrats-Körperschaften super Erfahrungen gemacht.» Kein Unternehmen, das etwas auf sich hält, stehe einer Betriebsratsgründung im Weg. «Mein Eindruck ist, dass nur jene Betriebe, die etwas zu verbergen haben, einen Betriebsrat verhindern wollen.»
Unterstützung aus dem ganzen Land.
Die Kündigungen werden angefochten. Als Rechtsvertretung von Sabrina und ihren zwei Kolleginnen hat die GPA Klage wegen «verpönten Motivs» eingebracht, denn darunter fällt auch, wenn die «Bewerbung der Dienstnehmerin um eine Mitgliedschaft zum Betriebsrat» zum Kündigungsgrund wird. Der Fall liege nun beim Arbeitsgericht, so Ferrari. Die erste Verhandlung ist für die erste Oktoberhälfte festgesetzt. «Die Erfahrung sagt, dass bei der ersten Sitzung nichts Spektakuläres passieren wird.» Es könne daher dauern, bis es ein Urteil gibt.
Im Falle eines positiven Entscheids des Gerichts würde Sabrina wieder bei Douglas arbeiten wollen. Und natürlich weiter um einen Betriebsrat kämpfen. Aufgrund der zahlreichen Medienberichte stehe sie im Austausch mit Kolleginnen aus Douglas-Filialen in ganz Österreich. «Viele haben angekündigt, mich zu unterstützen», so Sabrina.
Da Selma einvernehmlich gegangen ist, kommt für sie ein Wiedereinstieg bei Douglas nicht in Frage. Für ihre ehemaligen Kolleginnen hofft sie, dass die Gründung eines Betriebsrates gelingt. Es seien vor allem Unwissen der Angestellten ihre Rechte betreffend und Angst vor Kündigungen, warum Douglas die schlechten Arbeitsbedingungen weiterführen kann. «Nur mit einem Betriebsrat könnten die Missstände, die es seit Jahren gibt, abgestellt werden.»