Der TagDichter Innenteil

Texte von Frauen aus der Justizanstalt Schwarzau (1)

Sammy Kovac war von 2003 bis 2007 in der JA Schwarzau inhaftiert. Sie ist eine der Protagonistinnen in Tina Leischs Film Gangster Girls. Im Laufe der Arbeit an dem Film begann sie zu schreiben. Der Augustin veröffentlicht in den nächsten Ausgaben Sammys Berichte über ihre Zeit hinter Gittern. Hier der erste Teil.Es war Freitagabend. Mein Freund und ich hatten wie immer gestritten, und meistens, wenn wir uns streiten, eskaliert unser Streit. Es endet dann immer so, dass wir uns gegenseitig schlagen. Wir schlugen uns, und er ging. Sebastian ging weg. Ohne irgendeinen Kommentar. Sein Handy war ausgeschaltet. Am nächsten Morgen traf ich einen Freund von ihm. Der gab mir einen Brief von Sebastian, in diesem Brief stand, dass es aus ist und dass er mit mir keinen Kontakt mehr haben will. Ich ging mit seinem Freund auf einen Kaffee, und ich sagte zu ihm: Ich glaube, ich komme bald in das Gefängnis, denn ich hatte jetzt zweimal hintereinander davon geträumt. Der Freund fragte mich, was ich jetzt machen werde. Ich gab ihm zur Antwort: Ich fahre nach Wien, um mir etwas zu kaufen. Er sagte: Wir sehen uns später! Ich sagte: Okay.

Ich fuhr nach Wien und besorgte mir Drogen. Am Bahnhof hatte ich gleich eine Line genommen und fuhr zurück. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr, da ich von diesem Moment an andauernd unter Drogen stand. Montagmorgen ging ich vollgedröhnt durch die Straßen. Auf einmal dachte ich: Wenn ich einen Raub mache, dann kommt Sebastian zu mir zurück, denn da haben wir Geld. Ich beschloss mir eine Spielzeugpistole zu kaufen, was ich auch tat. Damit ging ich dann in eine Trafik und schaute mir ein paar Zeitschriften an. Dann kam die Kassiererin und stellte sich zur Kasse. Ich weiß nicht, was ich zu ihr sagte. Irgendwann gab sie mir das Geld, und ich lief aus der Trafik hinaus.

Auch die Kassiererin rannte hinaus und schrie, dass ich sie ausgeraubt habe. Ein älterer Mann verfolgte mich mit dem Fahrrad. Ich lief nach Hause in die Wohnung. Von meiner Wohnung aus hörte ich überall Sirenen.

Ich rufe Sebastian an. Doch er hebt nicht ab. Ich schreibe ihm eine SMS, und nach ein paar Minuten oder Sekunden rufe ich nochmals an, und er hebt ab. Ich erzähle ihm, was ich gerade gemacht habe. Sebastian fragt mich, wo ich sei. Ich sage, in unserer Wohnung. Er sagt: Nimm ein paar Sachen und fahre zu meiner Mutter. Ich sage: Ich will dich und deine Mutter nicht mit hineinziehen. Sebastian sagt: Wenn du dich stellst, dann ist es ein Milderungsgrund, aber du musst für ein paar Jahre ins Gefängnis. Du hast noch 22 Monate offen. Ich sage: „Okay, ich stelle mich. Ich will nicht, dass ihr Probleme habt.“ Er sagte, er lasse mich nie im Stich und sei immer für mich da, was ich ihm damals auch glaubte.

Also packte ich anschließend meine Sachen zusammen und rief selbst die Polizei an, die mich dann in meiner Wohnung verhaftet hat. Die Polizisten nahmen mich mit auf die Wachstube, dort händigte ich ihnen das Geld und meinen Reisepass aus. Ich machte meine Aussage, und es gab natürlich auch eine Gegenüberstellung. Ich wurde eindeutig identifiziert, was ja auch nicht schwer war und eigentlich unnötig, da ich mich ja selbst gestellt habe. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich sechs oder sieben Jahre bekommen würde. Danach folgte eine Tatrekonstruktion. Und anschließend brachten sie mich in das Landesgericht. Dort kannten sie mich schon, denn eineinhalb Monate zuvor wurde ich entlassen. Da war ich für zwei Monate dort gewesen. So kannte ich schon ein paar Leute.

Die Zellengenossinnen kannst du dir nicht aussuchen

Meine Anklageschrift bekam ich schon nach ein paar Tagen, da ich mich ja selbst gestellt hatte, und den Termin für die Verhandlung hatte ich auch sehr schnell. Die Verhandlung hatte ich nach eineinhalb Monaten. Ich wurde zu zweieinhalb Jahren plus zweiundzwanzig Monate verurteilt. Um einiges weniger, als ich gedacht hatte. Sebastian kam zwei Jahre lang auf Besuch, aber nicht regelmäßig. Aber daran konnte ich nichts ändern. Zwei Wochen nach meiner Verurteilung kam ich in das Frauengefängnis in die Schwarzau. Als ich dort ankam, schauten einige Frauen aus dem Fenster, um zu sehen, wer da aller kommt und wie viele. Ein schreckliches Gefühl, überhaupt, wenn man so wie ich alleine aus dem Bus aussteigt.

In die Schwarzau wollte ich absolut nicht, da man über die Schwarzau schlechte Sachen hört, was zum Großteil aber eigentlich nicht stimmt. So, da bin ich nun im einzigen Gefängnis in Österreich für langsträfige Frauen. Hier in der Schwarzau wird alles zusammengewürfelt. Man kann sich nicht aussuchen, mit wem man in einer Zelle liegt. Zumindest nicht gleich, man kann später fragen, ob man in eine bestimmte Zelle verlegt wird. Manchmal sagen sie ja, bei anderen sagen sie nein. Auf was es dabei ankommt, weiß ich nicht genau, aber ich denke: ob man einem zu Gesicht steht oder nicht.

Ich war mit vielen verschiedenen Frauen in den viereinhalb Jahren in einer Zelle, andere habe ich von der Arbeit und vom Spaziergang kennen gelernt. Ich war mit Betrügerinnen, Menschenhändlerinen, Einbrecherinnen, Drogenhändlerinnen, Kindesmörderinnen, Mörderinnen, also mit vielen zusammen – quer durch die Palette. Was es halt so alles gibt. Eines darf man hier nicht tun: Die Fälle und die Urteile miteinander vergleichen, denn das hat keinen Sinn, und man ärgert sich nur darüber. Ob es gerecht zugeht? Nein, in meinen Augen nicht, zumindest was die Strafen angeht. Mit mir war eine Frau in Haft, die hat ihre eigenen zwei Kinder umgebracht und eingemauert. Sie hat vier Jahre dafür bekommen, sie ist kurz vor der Halbstrafe entlassen worden. Ich meine, sie hat unschuldige kleine Kinder umgebracht, die sich absolut nicht wehren können, und bekommt dafür gerade mal vier Jahre und darf noch vor der Hälfte nach Hause. Liebe Leute, das ist doch nicht gerecht. Dann war eine Frau in meinem Alter, ein Junkie, die hat drei schwere Raube gemacht und bekam dafür zwei eineinhalb Jahre und geht mit dem Drittel nach Hause.

Wie die Schwarzau gegliedert ist

Hier in der Schwarzau gibt es mehrere Abteilungen: Jugendabteilung, Erstvollzug, Normalvollzug, Endvollzug, Wohngruppe, Freigang.

Die Jugendabteilung. Diese Abteilung ist für Jugendliche und junge Frauen bis maximal 25 Jahre. Man muss sich diese Abteilung wie eine Wohngemeinschaft vorstellen. Hier gibt es nur Zweierzellen und Einzelzellen. Telefonieren kann man so oft, wie man will, mit den Nummern, die man sich einspeichern hat lassen. Es gibt eine Dusche und eine Küche. Die müssen die Jugendlichen selbst in Ordnung halten und täglich putzen. Jede Zelle das gilt für alle Abteilungen hat einen Fernseher. Die Zellentüren sind von 6 bis 20 Uhr offen. Jede Zelle hat einen Kühlschrank, auch das ist im ganzen Haus so. Die Zellentüren können die Insassinnen selber unter Tags zu sperren.

Der Erstvollzug. Diese Abteilung ist genau so wie die Jugendabteilung bis auf den Umstand, dass es hier Zweierzellen, Dreierzellen, Viererzellen und eine Sechserzelle gibt, und dass hier die Erwachsenen sind. Ansonsten ist sie ganz genau gleich wie die Jugendabteilung.

Der Normalvollzug. Diese Abteilung unterscheidet sich von den anderen, da hier die Zellentüren ständig zu sind. Man kann hier nur einmal in der Woche telefonieren. Wenn man duschen gehen kann, öffnet die Beamtin Zelle für Zelle die Türen. Ist eine Zelle fertig, wird diese wieder zugesperrt und die nächste geöffnet. In dieser Abteilung gibt es Viererzellen, Dreierzellen und Zweierzellen. Aber die meisten sind Viererzellen. In dieser Abteilung befindet sich auch der Einzeltrakt. Das sind die Einzelzellen. Es gibt einen Klubraum, wo die Insassinnen täglich zwei Stunden hingehen können. An Wochenenden ist der Klub drei Stunden lang. Das ist ein Raum, wo man kochen und Wäsche waschen kann. Mit ein paar Tischen und Sesseln. Dieser Klubraum ist nur für diese Abteilung, und die einzige Gelegenheit, wo man aus der Zelle kann, abgesehen wenn man arbeitet oder spazieren geht.

Der Endvollzug. Er ist genauso wie der Erstvollzug. Hier kommen die Leute hin, die kurz vor der Entlassung sind. Und man kann hier bis 20 Uhr im Hof spazieren gehen. Nur nicht in dieser einen Stunde, wo die anderen drei Abteilungen spazieren sind.

Die Wohngruppe. Ähnlich wie der Endvollzug. Hier ist der Unterschied, dass die Zellentüren Tag und Nacht offen sind und dass man zum Billa einmal in der Woche einkaufen gehen kann.

Der Freigang. Hierher kommen die Leute, die ein Jahr vor der voraussichtlichen Entlassung sind. Sie gehen raus arbeiten und kommen eigentlich nur zum Schlafen herein.

Arbeiten gehen ist hier Pflicht. Kein Arbeiten, keine Ausgänge. Es gibt hier verschiedene Arbeitsmöglichkeiten: Näherei, U-Betrieb, Garten, Standküche, Beamtenküche und die Wäscherei. Im U-Betrieb macht man verschiedene Dinge wie Öko-Boxen oder andere Schachteln falten. Gummi zupfen gehört auch dazu. Die Standküche ist die Küche für Insassinnen. Der Verdienst ist zwischen 50 und 70 Euro im Monat, was man zum Einkaufen bekommt. Der Rest kommt auf die Rücklage und die bekommt man erst bei der Entlassung. Einkaufen kann man hier einmal in der Woche, da kommt der Spar von draußen rein.

Ausgänge sind möglich drei Jahre vor der voraussichtlichen Entlassung. Das ist bei jeder verschieden. Es gibt drei Stufen: drei Jahre vor Entlassung zwei Ausgänge im Quartal, zwei Jahre vorher vier Ausgänge im Quartal und ein Jahr vorher sechs im Quartal. Am Freigang hat man acht Ausgänge. Wenn man für Ausgang ansucht, müssen mindestens zwanzig Euro auf dem Konto sein, ansonsten wird der Ausgang abgelehnt.

Info:

Mehr über die Gangster Girls auf: www.gangstergirls.at.

Kinostart von Gangster Girls am 27. März 2009 im Stadtkino.

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