Die Raiffeisenwelt und die Universitäten
Im Augustin 358 berichteten wir über den Umstand, dass in österreichischen Universitäten Personen präsent sind, die gleichzeitig Funktionen in Universitätsräten und in Raiffeisenorganisationen innehaben. Unter anderem wurde für diese Konstellation das Beispiel des Tierarztes Dr. Walter Obritzhauser angeführt. Dr. Obritzhauser ist Universitätsrat an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Mitglied des Vorstandes der Raiffeisenbank Leoben – Bruck. Diese Tatsache wird von Dr. Obritzhauser nicht bestritten, jedoch begehrt Dr. Obritzhauser einen Widerruf der Behauptungen:TEXT:
«– ich sei ein ‹Raika-Agent›,
– ich sei als schwarzblauer Vertrauensmann im Universitätsrat der Veterinärmedizinischen Universität installiert worden,
– die Möglichkeit, dass ich als ‹Raikafunktionär› Entwicklungsplan, Organisationsplan sowie Geschäftsordnung des Rektorats der Veterinärmedizinischen Universität mitbestimme, liege ‹sehr im Interesse der Raiffeisengruppe›, ich wäre ‹Abgesandter› der Raiffeisenwelt und
– ich ‹agiere› im Universitätsrat der Veterinärmedizinischen Universität ‹im Sinne der Raiffeisengruppe›.»
Wir widerrufen. Dr. Obritzhauser ist kein «Raika-Agent», kein «schwarzblauer Vertrauensmann», seine Möglichkeiten im Universitätsrat liegen nicht «im Interesse der Raiffeisengruppe», er ist nicht «Abgesandter» der Raiffeisenwelt und «agiert» nicht «im Sinne der Raiffeisengruppe».
Zugegeben: Der Begriff «Raika-Agent» ist unglücklich gewählt. Bezeichnet doch der Ausdruck «Agent» nach Duden eine Person, die «Abgesandter eines Staates, der neben dem offiziellen diplomatischen Vertreter einen besonderen Auftrag erfüllt und meist keinen diplomatischen Schutz besitzt und ein in staatlichem Geheimauftrag tätiger Spion» ist. Sicher ist, dass Raiffeisen kein Staat und Obritzhauser kein Spion ist. Also ist der Begriff «Agent» hier einfach daneben, und es ehrt Obritzhauser, dass er durch sein Widerrufbegehren in Sachen «Agent» mithilft, darauf hinzuweisen, dass Raiffeisen eben kein «Staat» ist. Der Augustin ist Obritzhauser dafür dankbar, dass er redaktionsintern eine Debatte angestoßen hat, die dazu führen soll, mit Begrifflichkeiten noch genauer umzugehen. Nicht bekannt ist uns, ob dies die Intention seines Widerrufbegehrens war.
«Schwarzblauer Vertrauensmann»: Dr. Obritzhauser verwehrt sich gegen diese Beschreibung. Auch dies ehrt den steirischen Tierarzt. Wir entschuldigen uns in aller Form. Jeden Tag können wir in den Tageszeitungen von den Folgen dieser Regierungszeit lesen. Wer will da schon mit dem Begriff «Schwarzblau» in Zusammenhang gebracht werden. Interessant wäre ein presserechtliches Verfahren, ob die Zuschreibung «schwarzblau» den Tatbestand einer Rufschädigung erfüllt. Wenn ja, wäre dies allerdings ein Desaster für zwei Parlamentsparteien.
Dr. Obritzhauser teilt dem Augustin mit: «Anmerkung: Bei meinen beruflichen und privaten Wien-Aufenthalten habe ich regelmäßig bei den für den Augustin tätigen Straßenverkäufern ein Exemplar der Zeitschrift gekauft. Ich werde das in Zukunft jedenfalls vermeiden.» Das hat uns wirklich betroffen, denn selbstverständlich ist es Ziel des Augustin, möglichst viele Zeitungen zu verkaufen. Das ist gut für die Verkäufer und gut für die Informationslage der Menschen, die den Augustin lesen. Wir interpretieren das Vorhaben des Nichtkaufs durch Dr. Obritzhauser so, dass es in seinem Sinne sei, der Augustin möge möglichst wenig verbreitet werden. Wir wollen natürlich das Gegenteil. Als das Vorhaben Obritzhausers bekannt wurde, war dies redaktionsintern Anlass zu überlegen, was getan werden kann, um den Augustin noch attraktiver, noch besser zu machen, um die Verkaufszahlen zu steigern. Und die aus diesem Anlass erarbeiteten Konzepte scheinen vielversprechend. Eine dialektische Situation: Der eine will den Augustin nicht kaufen und so die Verkaufsziffern schmälern, die anderen wollen dieses Ansinnen dazu nutzen, um den Verbreitungsgrad Wiens bedeutendster Straßenzeitung zu steigern. Im Prinzip eine gute Sache! Bemerkenswert und erfreulich an dieser Gemengelage ist folgende Tatsache: Sollte Dr. Obritzhauser seine Meinung um 180° ändern (was uns sehr freuen würde) und wiederum freudig auf Augustin-Verkäufer_innen zugehen und ein Exemplar kaufen, so ändert dies nichts an der ursprünglichen Ausgangslage, dass das Vorhaben des Nichtkaufs wegen der daraus resultierenden Anstrengungen in Sachen Verkaufssteigerung dazu führt, dass der Augustin von mehr Menschen gelesen wird. Die Marketingexperten nennen dies eine Win-win-Situation.