Der Liebesrausch entzündet sich, wenn die Geliebte nicht da ist oder still daneben sitzt. Nicht aber, wenn die Geliebte bei jemand anderem ist. Sie hat ihren Liebesrausch in der Menge, in der sie sich hochschwingt im Gefühl, bei H. Fischer und Pink, die hoch über ihr fliegen am Trapez, mit Muskeln, glänzend und gestählt, doch bis in die Herzen hinein biegsam und dehnbar die Glieder, fließend die Stimmen, umrauscht von der Größe der Technik und des Gefühls, singen sie sich in die Liebessehnsucht, ein ums andere Mal, bis ihr das Licht aufgeht aus dem Handy und sie dieses hochhält vor ihre Tränen. Er wartet zu Hause. Diese Enttäuschung, die nach Tat schreit. Als sie kommt, rast er. Bei wem sie gewesen sei. Es sei ihm ja egal. Wieder die Fischer, nicht wahr? Was hat denn die? Das verstehst du nicht, sagt sie.
Am Morgen sitzt sie in ihrer Enttäuschung, dass nichts so liebesverbindlich verläuft wie auf dem Trapez, wenn man hinaufschaut, oder wenn man gestärkt hinunterschaut auf die Erde. Seine Stimme steigert sich gegen die Fremdbürger, die zu Hause bleiben sollen, gegen seine Familie, die nicht zu ihm gehört, gegen alle, die fremd sind, sobald sie ihre Ansicht äußern. Migräne, sagt sie, und hält ihren Kopf, das Wetter ist unberechenbar. Das sich zusammenbraut da oben. Der Wasserdampf, der einen niederdrückt. Sein rotes Gesicht bläht sich, knallend schießt die Stimme mit Spucke aus dem Mund. So ein Blödsinn, das Wetter. Scheißkerle. Lasst mich in Ruhe. Schon bricht die Welt entzwei. Auf der einen Seite die Ängstlichen, auf der anderen der Wutbürger. Die ersteren tragen seine Angst. Er ihre Wut. Dazwischen der Abgrund. Der abgrundtiefe Hass. Der immer tiefer hinein fällt. Wer kittet die Welt? Welches Wetter besänftigt? Welcher Arzt mag helfen?
Der Wutbürger will an jedem Morgen sein Frühstück genießen. Die Zeitung. Er wiederholt die Reden der Politiker, die ihm aus der Wutseele sprechen. Und redet sich hinein und lacht auffordernd. Die Wutbürgergerwelt umschließt ihn. Da kommt seine Frau, die von nichts etwas versteht. Die soll nicht den Mund aufmachen. Aus dem nur Gejammer und Schwäche herauskommt. Nur Magenschmerzen. Nichts im Kopf. Diese Weiber. Er liegt in seinem Lehnstuhl und nickt ein. Der Himmel öffnet sich und plötzlich schwingt aus weißen Wölkchen ein Trapez herab, er steigt auf und schwebt im Wolkenschaum um seine Frau und über sie hinweg. Mein Täubchen, sagt er, du bist die Beste. Großartig. Die Einzige, mit der ich zusammen sein will. Und so schön. Ich habe gewusst, wen ich mir aussuch. Doch Muskeln fehlen und die Geschmeidigkeit, die Idole haben, damit sie ihre Liebesbotschaft glaubwürdig verbreiten können. Er steigt ab, geht leise in sein Zimmer und dreht das Licht ab.