Die ARGE „Sozialarbeit von unten“ stellt sich vortun & lassen

Wien ist eine kalte Stadt

Betreibt Sozialarbeit nur Kosmetik an der sozialen Ungerechtigkeit? Das folgende Statement ist das Ergebnis der ersten Diskussionen der vor einigen Monaten gegründeten Arbeitsgemeinschaft „Sozialarbeit von unten“. Motto:Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden.Wir anerkennen, daß seitens staatlicher, kirchlicher, privater Stellen vielseitige Anstrengungen unternommen wurden und werden, um Not, Armut, menschliches Leid zu lindern. Wir wissen aber auch, daß Verelendung strukturell bedingt ist und ihre Wurzel in einem hemmungslosen Kapitalismus und unbegrenzter Ellbogenherrschaft hat. wenn heute in Österreich 15% der Bevölkerung verarmt sind, darunter ein drittel Kinder, und unter dem Existenzminimum leben, hingegen andere 15% in Luxus und Überfluß prassen, so ist das ungerecht und muß geändert werden.

Wir weigern uns – als ArbeiterInnen im sozialen Bereich – einfach nur Beschönigung und Kosmetik an der strukturellen Ungerechtigkeit zu betreiben. Wir wollen die Wurzeln von Ausgrenzung, Verelendung, Verarmung erkennen und benennen, konkrete Veränderungen der Strukturen vorschlagen und durchsetzen.

Österreich ist ein reiches Land, Wien ist eine kalte Stadt. Die Abschaffung der Armut kostet weniger als die Wohnbauförderung. Delogierungen sind zu drei Viertel durch Armut verursacht. Das ende der Obdachlosigkeit ist angesichts 50.000 leerstehender Wohnungen in Wien nur eine Frage der Umverteilung. Die Kriminalität läßt sich durch Prävention und Nachbetreuung um drei Viertel senken.

Für individuelle Katastrophen gibt es klare und einfach zu benennende Ursachen: Sozialarbeit von unten versucht, Mißstände zu erkennen, sichtbar zu machen und zu beseitigen.

Wir bedauern die schleichende Ent-Solidarisierung in den Jahren der großen Koalition. Zwischen 1986 und 1999 wurde fortwährend von unten nach oben umverteilt und wurden Minderheiten und Schwache zu Zielscheiben von Haß, Häme und Ausgrenzung. Die Haiderisierung Österreichs ist heute beinahe abgeschlossen.

Jetzt muß der Zug in die Gegenrichtung abfahren. Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, die vernunftorientiert und menschlich den Armen und Schwachen zuerst zur Seite steht, die wieder von oben nach unten umverteilt, die Menschenwürde und Menschenrechte unantastbar macht, die Verfolgung und Hetze beendet und allen Gruppen ein Gefühl von Sicherheit und Wärme vermittelt.

Wir leisten Widerstand gegen Sozialabbau und Verschärfung der Polizeigesetze, gegen Verfolgung von Menschen, die anders aussehen, anders denken, anders lieben, anders leben. Wir wollen nicht länger Reparaturarbeit an einem rabiaten Kapitalismus leisten, der Menschen auf Leistung reduziert und sie zu Erfüllungsgehilfen herabwürdigt.

Wir kämpfen gegen bürokratische Hürden im Sozialsystem, gegen die Herabwürdigung von Hilfesuchenden zu BittstellerInnen, wir fordern ein Grund- oder Basiseinkommen für alle, auch für jene, die sich den rigiden Normen der Gesellschaften entziehen. Wir wollen, daß Arbeit und Lebensunterhalt entkoppelt werden. Wir verlangen das Recht auf Lebensunterhalt und das Recht auf Wohnen für alle.

Wir stehen an der Basis und sind ein Teil von ihr. Aus dieser Position überlegen wir, was wir fordern und warum. Wir laden ein zum branchenübergreifenden Widerstand und bestimmen als Fernziel: eine Gesellschaft, in der würdiges und selbstbestimmtes Leben ohne soziale Kosmetik möglich ist.

Heute haben wir zwar eine politische Funktion, aber es fehlt uns die kräftige Stimme, die den Betroffenen einer menschenverachtenden Politik Raum schafft. Daher reden wir miteinander und streiten mit den EntscheidungsträgerInnen in der Politik. Daher gehen wir in die Medien und organisieren öffentliche Veranstaltungen. Daher engagieren wir uns über unsere Berufspflichten hinaus für Gerechtigkeit. Soziale Arbeit ist für uns ein politischer Auftrag zur Gestaltung der Gesellschaft. Mach mit.

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