Die Autobahnbrücke als Stadiondachvorstadt

Eishockey ist die beliebteste Sportart in der Slowakei. Erst an zweiter Stelle kommt Fußball. Trotzdem oder gerade deswegen findet man in Bratislava einige Fußballstätten der ungewöhnlicheren Art. Von Wenzel Müller (Text und Fotos)

Noch sind hier und da Bauarbeiten im Gange, doch der Spielbetrieb ist bereits aufgenommen. Seit diesem Frühjahr hat der slowakische Fußballrekordmeister, Slovan Bratislava, ein neues Stadion. Endlich, möchte man sagen, denn die Bauarbeiten hatten nicht weniger als fünf Jahre gedauert. Nun steht es da, das neue Nationalstadion, mitten im Stadtteil Nové Mesto. Außen grenzen ein Einkaufszentrum und ein Hotelturm an, und innen erstrahlt das Rund ganz in den Blaunuancen der Sitze. Bei meinem Besuch wurde der Rasen gerade von einer modernen Apparatur beschienen, wohl zu dem Zweck, das Wachstum der Grashalme zu befördern. 22.000 Zuschauer_innen haben hier Platz. Sie vermögen, das Stadion in einen wahren Hexenkessel zu verwandeln, wie Rapid Wien letztes Jahr in der Europa League erfahren musste.

Konkursware.

Das Národný futbalový štadión, so der Name auf Slowakisch, ist das aktuell größte und modernste Stadion der Slowakei. Aber längst nicht das einzig interessante. Davon hat Bratislava einige. So etwa das Štadión Pasienky, das ganz in der Nähe liegt, nur einen Torwartausschuss vom neuen Nationalstadion entfernt. Mächtig ragen die Fluchtlichtmasten in die Höhe. Das Stadionrund: ein einziger Betonklotz. Leider ist der herbe Charme dieses Stadions nur aus der Ferne zu bewundern. Das Areal ist verschlossen, gespielt wird hier nicht mehr. Inter Bratislava, der vormalige Hausherr, zog aus, nachdem er mächtig ins Strudeln gekommen war und Konkurs anmelden musste. Daraufhin nutzte der Stadtrivale Slovan diese Spielstätte, aber nur so lange, bis sein neues Stadion fertiggestellt war. Nun gehört die Stadionruine der Stadt Bratislava, und die wartet sehnsüchtig auf einen finanzstarken Investor, der daran geht, sie abzutragen, um diesen zentralen Platz wieder mit Leben zu erfüllen. In der Zwischenzeit nutzen Obdachlose das verlassene Terrain – in den vormaligen Eingängen stapeln sich Schuhe, Kleidung, Plastiksackerln.
Die nächste Attraktion ist ebenfalls ganz in der Nähe: die Heimstätte des Novomestský Sportový Klub 1922. Dieser Klub hat am Rande seines Spielfelds einen Hundezwinger, mit einem Schäferhund darin. Ein Wachhund? Kaum, denn bellend habe ich ihn nicht erlebt. Es scheint mehr ein Schmusehund zu sein, jedenfalls kommt alle naselang ein Zuschauer oder eine Zuschauerin zu ihm, um ihn zu streicheln. Der Verein scheint es überhaupt mit Tieren zu haben: in seinem Vereinswappen führt er ein Eichkätzchen. Alles nett, es fragt sich nur, ob er sich solcherart den nötigen Respekt bei seinen Gegnern verschaffen kann. Auch nett: Rot-weiß-rot sind die Eckfahnen des Vereins.
Diese drei Fußballplätze befinden sich wie gesagt gleich nebeneinander. Der zweifellos kurioseste liegt etwas weiter weg, an der Donau. Nämlich genau unter einer Autobahnbrücke. Hier ist die Fakultät für Leibeserziehung und Sport zu Hause. Bewegung tut bekanntlich gut, aber muss man sie gerade dort ausüben und lehren, wo man permanent Lärm und schlechter Luft ausgesetzt ist?

Sechzehnerraum ohne Regenschutz.

Zu Gunsten dieses ungewöhnlichen Standorts könnte man ins Feld führen, dass die Brücke immerhin Schutz vor Regen und Schnee bietet. Allerdings tut sie das nicht zur Gänze, nämlich nicht über das ganze Spielfeld hinweg. Der Sechzehnerraum ist auf beiden Seiten nicht überdacht. Was heißt, dass die Torfrauen und -männer bei Regen unweigerlich nass werden. Derweil können es ihre Mitspieler_innen so einrichten, völlig trocken zu bleiben, dazu müssen sie ihre Laufwege nur entsprechend abstimmen. Nämlich immer schön unter dem Dach bleiben. Was für die Spieler_innen gilt, gilt im Übrigen auch für die Zuschauer_innen: Je nach Präferenz können sie einen Platz unter der Brücke oder sozusagen im Freien wählen. 

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