Musikarbeiter unterwegs Wegen der Musik ins Kino
„American Hardcore“ ist eine Dokumentation, die sich mit US-Punkbands der Jahre 1980 bis 1986 auseinander setzt. Ein Lehrstück darüber, was Musik vermag. Und was nicht.Unglaublich, was alles geht: Nachdem ein junger Mensch in den USA an einer Universität Amok läuft und 30 anderen Menschen das Leben raubt, meldet sich dieser unpackbare Strache zu Wort, um von einem „liberalen Waffenrecht“ zu faseln. Danke, Herr Strache, dieser ungustiöse Timingfehler (von „Inhalten“ mag man in Zusammenhang mit der FPÖ nun wirklich nicht mehr sprechen) sollte mit ihren ganzen anderen Defiziten (nein, ich rede nicht von „ideologischen“, sondern von Herzensbildung, sozialer Intelligenz, menschlicher Solidarität und Ähnlichem) doch jetzt bitte endlich genügen, um sie von der politischen Bühne zu verabschieden. (Einmal einen echten Anstand zeigen? Stimmt, warum ausgerechnet Sie? Macht ja sonst auch keiner, im Gegenteil!) Kein Vorhang, kein Applaus, keine Verneigung, nur weg! Findet sich schon eine Arbeit, anständig oder nicht, in der Privatwirtschaft, Tourismusmanager (drei Südtirol, die Herrschaften?), Paintball-Veranstalter? Oder „fechten gehen“?
An einer politischen Grenzerfahrung anderer Art hat sich viel von der Musik gerieben, um die es in „American Hardcore“ geht, nämlich an Ronald Reagan, der während seiner Präsidentschaft der USA die (westliche) Welt mit seinem ideologischen Pedant Margaret Thatcher in die Geiselhaft einer tatsächlichen Achse des Bösen zwang, um die die Welt im Grunde bis heute rotiert.
Destroy Babylon!
Die Rede ist von der Musik amerikanischer Hardcore-Bands, einer fast unendlichen Vielfalt entfesselter jungen Menschen, die sich ab 1980 mit einem extrem verdichteten und auf die Spitze getriebenen (ideologisch, inhaltlich, formell) – eben „Hardcore“ – Punk auf dem nordamerikanischen Kontinent austobten und gegen eine/ihre bescheuerte Welt berserkten. Dabei schufen sie mit ihrer leidenschaftlichen, oft innovativen (oft auch herrlich geistlosen) Musik und ihren manchmal unbedarften, manchmal unschuldigen, manchmal visionären Ansichten davon „how to be a band“ die Basis, auf der so etwas wie Grunge oder Alternative Rock überhaupt erst entstehen und wachsen konnte – und dann zu einer Parodie, einer Farce, zu Musikgeschäft as usual verkommen, kontrolliert von einer Industrie, in der Reagan- und Thatcher-Parteigänger die fetten Shares holden. Selbermachen war HC-Prinzip, das Musikgeschäft, Majorlabels – noch nicht einmal der Feind.
Nach dem 2001 erschienenen Buch „American History: A Tribal History“ von Steve Blush versucht der letztes Jahr in der Regie von Paul Rachmann auf den Markt gekommene Film die Geschichte dieser anarchischen, in sich widersprüchlichen (denn natürlich war Hardcore nicht ausschließlich „links“ codiert), vom Mainstream kaum wahrgenommenen Bewegung nachzuzeichnen und muss daran als Film im Grunde natürlich scheitern, weil die Geschichte zu groß, zu verzweigt ist. Anderseits beginnt diese Geschichte in den Livebildern und den vielen, vielen Interviews tatsächlich vor einem zu entstehen, so lebendig, dass man von vielen Protagonisten (dass und warum Hardcore ein Bubenclub war, wird gestreift) gerne mehr hören würde, die angerissenen Zusammenhänge gerne ausführlicher ergründet wüsste, anderseits vielleicht im positiven Sinne geplättet oder angefixt ist von der Musik, die bis heute eine Dringlichkeit – die mussten diese Musik spielen – und in sich gefestigte Stimmigkeit (das sind wir, fick den Rest, „Erfolg“ ist kein HC-Kriterium) ausstrahlt, die Popmusik selten, und wann dann nur für kurze Zeit besitz. Darum sind viele HC-Platten bis heute gesuchte Artefakte, immer noch Energie abstrahlende Manifeste einer Musik, die lang vor dem Internet, vor MySpace, von ganz einfachen, ursprünglich voneinander isolierten lokalen Anfängen zu etwas international bis heute Wahrgenommenem wuchs. Einer Musik, die (sich) in eigenen Kanälen kommunizierte und einen popkulturellen Bezugsrahmen schuf, der nicht der Schlechteste ist (und hilft vieles als den „weak shit“ zu erkennen, der es ist). Eine von vielen tolle Sequenzen des Films: Ian McKaye (Minor Threat, Fugazi) erzählt, wie er ein Platten-Cover zerlegte und die einzelnen Elemente nachzeichnete, um die Cover für die erste eigene Platte drucken lassen zu können, die dann händisch zusammengeklebt wurden.
Über die räumliche (Österreich und die USA waren in den 80ern so weit voneinander entfernt, wie sie es jetzt langsam wieder sind) und zeitliche Distanz hatte diese Musik die Kraft, den Verfasser dieser Zeilen auf eine (fortdauernde) Reise zu schicken, die ihn einigen der Protagonisten dieser Geschichte persönlich begegnen ließ. Viel wichtiger noch: Sie hatte vielleicht nicht die Kraft, die Reagans oder Straches dieser Welt tatsächlich aus ihren Ämtern zu jagen, aber wenigstens jene, Menschen die Gewissheit zu kommunizieren, dass das eigentlich sein müsste.
„American Hardcore“ läuft ab 27. 4. im Top Kino
www.topkino.at