Hofer - Container als Obdachlosenfalle
Der Lidl-Skandal, der weltweite Empörung hervorrief, ist noch gut in Erinnerung. Mitarbeiter einer Lidl-Filiale in Schweden gossen Putzmittel über abgelaufene Lebensmittel und warfen sie dann weg. Der Grund: Die Angestellten wollten verhindern, dass Obdachlose und die neuen AktivistInnen der angewandten Konsumkritik, siehe Kasten unten in den Mülltonnen des Markts nach Lebensmitteln suchen. Die deutsche Supermarktkette in Schweden hat sich mittlerweile entschuldigt (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,590329,00.html). Bei Hofer in Simmering hat man von dem Ärgernis gelernt nur leider das Falsche! Auch hier füllt der Diskonter regelmäßig gute, teilweise nicht einmal abgelaufene Ware in die Biotonnen und leert anschließend verschiedene Reinigungsmittel darüber. Dass diese Putzmittel oft angenehm duften, verstärkt nur die Hinterhältigkeit, mit der das Personal dort vorgeht, weil die Bettler, oft auch Behinderte, dadurch bisweilen nicht einmal merken, dass die Lebensmittel kontaminiert sind.
Dass dieser Gift-Skandal aufgedeckt werden konnte, ist dem Wiener Bildhauer und Grafiker Christoph Exler und seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe zu verdanken, der in der Simmeringer Hofer-Filiale (Grillgasse 1315) öfters einkauft und seine Entrüstung zu Protokoll gab. Nach Augustin-Recherche wurden die haarsträubenden Vorgänge aber auch von anderen beobachtet und bestätigt.
Hofer-Mitarbeiter bauen gehörig Mist
Wie lange schon der Vergiftungswahnsinn dort passiert, konnte nicht mehr festgestellt werden, offenbar läuft er aber immer so ab: Auf dem Parkplatz der Hofer-Filiale stehen vier Mülltonnen der Firma Saubermacher, zwei davon sind dem Biomüll gewidmet. Zumeist gegen Ladenschluss werden durch ein Seitentor von einer Mitarbeiterin des Betriebes allerlei Lebensmittel herausgekarrt, gegebenenfalls aus ihren Verpackungen gebrochen und in den Mülltonnen versenkt. Dann leert diese Hofer-Mitarbeiterin Scheuer-, Putz- oder Spülmittel, nicht immer das Gleiche, über die Lebensmittel und wirft die Putzmittelflaschen aus Plastik gleich zu den nun verdorbenen Lebensmitteln dazu. Exler: Am 24. Jänner um zirka 17 Uhr wurde eine Mitarbeiterin dabei gesehen, wie sie den Inhalt von zwei Fee-Waschmittelbehältern über volle Lebensmittelmüllcontainer goss. In diesem Fall, der beispielhaft fotografiert wurde, waren das zwei mal zwei Liter 5,33-fach konzentriertes Fee Super Konzentrat (15-30 % kalorische Tenside, unter 5 % Duftstoffe, Butylphenyl Methylpropional, Citronellol, Hexyl Cinnamal, Linalool, Methylchloroilsothiazolinone, Methylisothiazolinone), vor dem auf dem Etikett gewarnt wird, dass es nicht direkt auf die Wäsche gegeben und man es außer der Reichweite von Kindern aufbewahren soll. Nicht alle diese Chemikalien duften so verführerisch wie Fee, es werden auch aggressiv riechende Mittel verwendet. Am 4. Februar glaubte Exler Scheuermittel über den Lebensmitteln wahrzunehmen. Es ist unverständlich, dass Lebensmittel oft lange vor dem so genannten Ablaufdatum entsorgt werden, anstatt an Hilfsorganisationen zu gehen. Zumeist ist der Biocontainer bis 20 Zentimeter unter dem Rand voll.
Besonders tragisches Detail: Brot liegt unverpackt im Container, Packungen mit Gebäck werden zuvor aufgerissen, damit nichts unverdorben bleibt. Wenn dann Spülmittel darüber gegossen wird, saugen sich die Backwaren mit diesen wie Schwämme an, sie sind unrettbar verdorben. Exler: Trotzdem ist das immer bald als Erstes weg!
Auch in anderen Filialen?
Wie die Hofer-Zentrale in Sattledt dazu steht, ob es dazu eine Anweisung von oben gibt, ob das andere Hofer-Filialen (was weiß man dort über die Bräuche anderer Disconter?) ähnlich machen, war in der gebotenen Eile telefonisch nicht zu erfahren, weil diese mit Journalisten nur schriftlich verkehren. Jedenfalls passiert das seit jeher (zumindest) mit Billigung der Simmeringer Geschäftsführung und wird von dieser auch gar nicht bestritten. In einem Gespräch mit der Filialleitung ist man gar nicht um Abstreiten bemüht. Im Gegenteil wird bereitwillig bestätigt, dass die Speisen absichtlich, nicht bloß fahrlässig kontaminiert werden. Hauptsächlich aus zwei Gründen. Erstens: Weil die Leute, die was rausnehmen, kommen am nächsten Tag, weil das kaputt ist. Das heißt, dass die Ware beanstandet wird und umgetauscht werden soll. Kein Wort davon, dass üblicherweise bei einer Beanstandung der Kassenbon vorgelegt werden müsste. Zweitens: Weil die meisten da hinten herumwühlen, einen Saustall machen. Wir brauchen dann eine Stunde, um das zusammenzuräumen!
Abgesehen von der Gesundheitsgefährdung wird hier auch gleich eine Latte anderer Gesetze verletzt. Generell sollte das Abfallwirtschaftsgesetz aus 2002 und das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz (das für Verwaltungsübertretungen Geldstrafen bis zu 35.000 Euro oder Ersatzfreiheitsstrafen bis zu sechs Wochen vorsieht) über die Moral der Essens-Wegschmeißer wachen.
Die inkriminierten Müllcontainer beim Hofer in Simmering gehören der Saubermacher Dienstleistungs AG, die diese auch leert. Frau Dr. Andrea Rachbauer kann für das Entsorgungsunternehmen und seine rund 3400 Mitarbeiter versichern, dass Biomüll, also alles, was in die Landwirtschaft oder in Biogasanlagen geht, zuvor geprüft wird. Die Fahrer sind angewiesen, zu kontrollieren, ob falsche Sachen in der Biotonne sind, sonst wird sie einfach nicht mitgenommen. Ob die gestressten Fahrer verbotene Chemikalien erkennen würden, ist nicht zu beantworten.
Und: Ab dem Zeitpunkt, wo der Müll in der Tonne ist, gehört er dem Entsorger! Auch aus diesem Grunde hätten die Hofer-Mitarbeiter rechtlich gar keine Möglichkeit, diese Lebensmittel zu manipulieren, sie gehen sie einfach nichts mehr an.
Dem Augustin sind bisher keine Gesundheitsschäden durch unbrauchbar gemachte Lebensmittel aus Hofers Biotonne bekannt. Das ist möglicherweise damit zu erklären, dass Betroffene gesundheitliche Beeinträchtigungen bisher nicht auf das Essen aus der Hofer-Tonne zurückgeführt haben. Weil sie von den skandalösen Zusammenhängen nichts wussten und weil das absichtliche Vergiften von Lebensmitteln in Österreich bisher undenkbar war!
INFO:
Dumpster DivingGegen wen richten sich die Lebensmittelvergiftungsaktionen der Superrmärkte? Neben Obdachlosen und anderen Verelendeten ernähren sich zunehmend junge KonsumkritikerInnen aus dem Weggeworfenen, aus der Biotonne. Ausgehend von New York entwickelte sich in den letzten Jahren ein internationales Netz von lokalen Action Groups, die die Mülltonnen von Supermärkten nach Essbarem durchsuchen. Manche dieser Gruppen bezeichnen sich als Freeganer. Sie haben für ihre Aktivitäten eine eigene Begrifflichkeit entwickelt: Containern heißt Brauchbares aus dem Container holen, GeObben heißt, speziell Gemüse und Obst aus der Tonne holen, und der allgemeine Begriff für den Brauch, in die Mülltonne zu tauchen und Schätze emporzuholen, heißt Dumpster Diving. Freegan ist abgeleitet vom englischen Begriff free für „frei“ und vegan für eine Person, die keine Tierprodukte verzehrt.
Wird man beim GeObben erwischt, kann es unangenehm werden, denn Wachdiensten und Polizei muss man erst einmal erklären, dass man niemandem etwas stiehlt, wie man in zahlreichen Foren im Internet nachlesen kann.
In den Großstädten wird etwa die Hälfte aller Lebensmittel weggeworfen. Freeganer verstehen ihre Aktivitäten als Protest gegen dieses Vorgehen.Quelle: Vienna Online, Wikipedia, www.freegan.at