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Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer führt seit Jahren Untersuchungen zu «gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit» durch. Viele denken, sie seien mehr wert als andere. Nur wer etwas leistet, wer nützlich ist, wer effizient ist, zählt etwas.Das ist mehr und mehr in das Denken eingedrungen und hat sich in den Wohnzimmern, Medien und sozialen Beziehungen eingenistet. Ärmere, Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung, all diese Menschen sind nach solchen Maßstäben weniger wert.
Besonders anfällig für Ideologien des Ausschlusses sind diejenigen, die sich mit den herrschenden Werten Geld, Karriere und Erfolg überidentifizieren, die das Leistungsprinzip verabsolutieren und die zwischenmenschlichen Beziehungen auf ihre Funktionalität für das Eigeninteresse reduzieren. Diese ökonomistischen Einstellungen stehen im Zusammenhang mit der Abwertung von «Überflüssigen» und «Nutzlosen». Heitmeyer nennt den zentralen Satz dieser Ideologie: «Jeder schafft es, wenn er nur will.» Die Personen sagen Ja zu den Aussagen: «Wer sich nicht selbst motivieren kann, ist selber schuld, wenn er scheitert.» Und: «Wer sich nicht verkaufen kann, ist selber schuld, wenn er scheitert.» Dabei handelt es sich zunehmend um ein Elitenproblem. Die Abwertung von Langzeitarbeitslosen ist in Deutschland seit 2008 am stärksten bei den obersten Einkommensschichten gestiegen. Heitmeyer spricht von «elitär motivierter Menschenfeindlichkeit», die den inneren sozialen Frieden bedroht. «Rohe Bürgerlichkeit» nennt er das Phänomen, dass Gutsituierte gegen die ärmsten Teile der Bevölkerung und gegen die soziale Sicherung kampagnisieren. «Rohe Bürgerlichkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel von glatter Stilfassade, vornehm rabiater Rhetorik sowie autoritären, aggressiven Einstellungen und Haltungen», so Heitmeyer. «Sie findet ihren Ausdruck in einem Jargon der Verachtung gegenüber schwachen Gruppen und der rigorosen Verteidigung bzw. Einforderung eigener Etabliertenvorrechte im Duktus der Überlegenheit. Sie artikuliert sich über eine Ideologie der Ungleichwertigkeit.»
Im bereits klassisch gewordenen Experiment von Muzafer Sherif auf einem Pfadfinder_innenlager verschärften sich Vorurteile und Ablehnung, wenn Wettbewerbs- und Konkurrenzsituationen initiiert wurden. Der Psychologe lud zur Party, wobei er der einen Gruppe einen früheren Beginn nannte, der anderen einen späteren. Die Snacks, die bei dieser Party geboten wurden, waren von zweierlei Art: Zum einen frisch und appetitlich, zum anderen alt und zermatscht. Die Gruppe, die früher kam, fand die guten Snacks vor, die andere Gruppe, die später kam, musste mit dem zermatschten Essen vorliebnehmen. Es kam zu massiven Konflikten und Beschimpfungen. Da aber die Kinder der ersten Gruppe glaubten, verdient zu haben, was sie bekommen hatten («wer zuerst kommt, mahlt zuerst»), ärgerten sie sich über die Beschimpfungen und zahlten es der anderen Gruppe in gleicher Münze heim. Die Feindseligkeiten waren das ganze Lager über kaum noch zu beseitigen.