Die Bunte Kuh bleibt ein bunter Hundvorstadt

Ein Lokal ohne Bankomat-Kasse und Schnitzel

Im Oktober 1979 wurde in Margareten eines der ersten Student_innenlokale Wiens eröffnet, das sich bis heute kaum verändert hat.

Foto: Chris Haderer  

«Die Bunte Kuh ist ein Lokal, in dem man heute noch Frank Zappa hören kann», sagt Andi Atzman mit Überzeugung. Es ist halb eins in der Früh und der bekennende Beatologe, Musiker und langjährige Kuh-Stammgast hat recht: Niemand schreit nach ABBA, FM4 oder Radio Arabella. Eher schon nach einem Guinness oder einem großen Trumer, die zur Grundausstattung der Bunten Kuh gehören – seit mittlerweile 35 Jahren. Eröffnet wurde das Lokal im Oktober 1979 – übrigens einen Monat nach der Veröffentlichung von Frank Zappas «Joe’s Garage, Act I» – vom Ehepaar Gratzer. Hans Gratzer war damals als Österreich-Korrespondent für den «Stern» tätig, weshalb sich die Stammgäste aus Journalist_innen rekrutierten – und aus Student_innen, denn in den späten 70er-Jahren, als die bürgerliche Gesellschaft noch unter dem Schock der Besetzung von Arena und Gassergasse stand, gab es neben der «Gärtnerinsel» kaum Studentenlokale in Wien.

In der Bunten Kuh sieht es noch immer so aus wie früher, obwohl schon öfters geweißelt wurde – was aber nicht lange hält, wie die Stammgäste wissen. Flipper und Wuzzler gibt es leider nicht mehr, Darts wird im Extrazimmer aber immer noch gespielt. Seit 1983 wird das Lokal von Walter Untersteiner betrieben, der als Chemiestudent in die Gastronomie schlitterte und bis heute dort geblieben ist. Zwar sind die Jahre nicht ganz spurlos an ihr vorüber gegangen, sie hat aber auch nicht das Schicksal vieler «echter» Wirtshäuser und Branntweinstuben aus der Umgebung geteilt, die sich in Kebab-Buden und Wettbüros verwandelt haben – nicht zuletzt deshalb ist die Bunte Kuh so etwas wie ein Kult-Platz im fünften Bezirk geworden, mit durchaus prominenter Klientel: Friederike Mayröcker gehörte zu den Gästen, ebenso Ernst Jandl und Friedrich Stowasser, besser bekannt unter dem klingenderen Namen Friedensreich Hundertwasser. Über Erwin Lanc, der von 1977 bis 1984 österreichischer Innenminister war, hat Walter Untersteiner eine Anekdote im Hinterkopf: Der Politiker war einmal am Sonntag zum Frühschoppen im Lokal, als der Koch bei offenem Fenster laut und herzlich sang – und prompt die Polizei wegen einer Lärmbelästigung anrückte. «Lanc hat sich zu den Polizisten umgedreht und jovial gemeint: Meine Herren, das ist doch nicht so schlimm. Worauf einer der Beamten sagte: Und wer sind Sie? Zeigen Sie mir Ihren Ausweis! Sein Kollege hat ihn dann zurückgehalten: Hör auf, das ist der Chef!», lacht Untersteiner. Und auch Bruno Kreisky, damals wiederum der Chef von Lanc, war mit seinem Stab auf ein Erdäpfelgulasch in der Bunten Kuh. «Keiner hat eine besondere Behandlung bekommen», sagt Untersteiner. «Jeder war ein Gast wie der andere.» Im Lokal herrscht ein durchaus familiärer Umgangston, der von den Gästen auch sehr geschätzt wird.

Drei Mal Bunte Kuh

Auch deshalb ist die Bunte Kuh bis auf zwei Artgenossen ein Unikat: Eine grast auf der Nordseeinsel Helgoland in Schleswig Holstein, eine weitere ist in Amsterdam zu Hause, wie Walter Untersteiners Recherchen ergeben haben. In Hamburg gab es vor Jahrzehnten ebenfalls eine Bunte Kuh, die von der im Jahr 2009 verstorbenen Anita Niehoff betrieben wurde, besser bekannt unter dem Namen Domenica: Sie war als Prostituierte, Domina und Streetworkerin aktiv und wurde in den 90er-Jahren durch ihr Engagement für die Anerkennung und Legalisierung der Prostitution bekannt. Weil auch Frau Gratzer aus Hamburg stammte, nannte sie das Lokal Bunte Kuh. Der eigentliche Ursprung des Namens «ist eine lustige Geschichte», sagt Walter Untersteiner – und hat weniger mit dem Tier als vielmehr mit dem Schiff des Freibeuterkapitäns Klaas Störtebeker zu tun, der Anfang des 15. Jahrhunderts in Hamburg hingerichtet wurde. «Die Legende besagt, dass allen Männern, an denen er nach seiner Enthauptung noch vorbeigehen konnte, das Leben geschenkt werden sollte.» Elf Mann soll der Kopflose geschafft haben, bevor ihm jemand ein Bein stellte. Hingerichtet wurde letztlich aber doch seine gesamte Mannschaft – ein Schicksal, das der Belegschaft der Bunten Kuh in Margareten nicht droht, nicht zuletzt deshalb, weil Walter Untersteiner den «Niedergang der nahen Reinprechtsdorfer Straße», den er der restriktiven Politik zuschreibt, nicht mitmachen will. Seine Tätigkeit als Wirt macht ihm nach über 30 Jahren immer noch Spaß, und den Gästen auch: «Ich will keinen Computer, kein Internet-Café und keine Bankomat-Kasse», sagt Untersteiner. «Wenn sich rundherum alles verändert, dann soll wenigstens irgendwas gleich bleiben. Und das ist die Bunte Kuh.» Deshalb wird aus der Kuh niemals ein Nichtraucherlokal werden, verspricht Untersteiner, und auch kein Schnitzel auf der Speisekarte stehen (empfehlenswert sind allerdings das Brot mit Bauernschinken und Kren oder die niederknienswerten Krautrouladen).

Verändert hat sich in letzter Zeit aber doch etwas: An der Wand hängt jetzt ein zehn mal zwei Meter großes Bild, das von acht Künstler_innen im Rahmen des 1. Wiedner Hauptstraßenfestes Ende August gestaltet wurde. Es ist die vielleicht ungewöhnlichste Ausstellung, die in der Bunten Kuh jemals zu sehen war. Passend zum Lokal eben.

Info:

Ein Hörfunkfeature über die Bunte Kuh können Sie am 3. 11. im Rahmen von Radio Augustin hören.

Bunte Kuh, Zentagasse 20, 1050 Wien (Mo.-Fr.: 17-2 Uhr, Sa./So.: 18-4 Uhr)