Die Diversität eines Stück StoffesDichter Innenteil

Aus der KulturPASSage

Aufgrund mehrfacher Kopftuch-Debatten in Österreich, ist die seit Oktober laufende Ausstellung des Weltmuseums über die Herkunft, Verwendung und zeitgenössische Aufbereitung des Kopftuches hochaktuell.

Foto: © Modeschule der Stadt Wien im Schloss Hetzendorf

Da mich ohnehin verwundert, wie ein Stück Stoff, ob nun vorhanden oder nicht, so sehr die Gemüter erhitzen kann, habe ich beschlossen, diese Ausstellung zu besuchen, um zu berichten, dass das Kopftuch keineswegs eine Erfindung des Islam ist. Mitunter war das Tragen eines Kopftuches sogar komplett von jeglichem Glauben entkoppelt. Ebenso war und ist es nicht geschlechtsgebunden, wie einige Exponate bezeugen.

Empfangen wird man von einer Panoramafotografie, die mehrere Frauen zeigt, die sich durch einen riesigen Haufen bunter Tücher auf einem Markt wühlen. Eine Video-Performance bei der die Künstlerin Nilbar Güres in ihrer Beschreibung mit den Worten schließt: «Die Mehrheit der muslimischen Frauen in Europa repräsentieren, mit oder ohne Kopftuch, zuallererst sich selbst und keinerlei religiöse oder nationalistische Ideen», ist auch zu sehen. Im zweiten Raum dann die Verflechtung von Sittlichkeit und Kopftuch in der christlichen Religion und der Hinweis, dass christliche Frauen in Europa bis ins 20. Jahrhundert ebenso in der Öffentlichkeit ihr Haupt bedeckt haben.

Auch bei den Maya-Priestern hatte das Bedecken des Kopfes Tradition. Ebenso wie bei Männern aus Tunesien, dem Irak, aber auch etwas unerwarteter in Indonesien und zwar schon im hinduistischen Zeitalter. Besonders gefesselt haben mich die kunstvoll bestickten Kopftücher, die marokkanische Frauen, in zuerst kleinen Kollektiven, ab 1970 selbst bestickt haben. Sie vermitteln aufgrund der auffälligen Gestaltung ein sehr selbstsicheres Auftreten. Mit der Frage, was das Tragen eines Kopftuches alles ausdrücken kann und ob es tatsächlich nur ein Symbol der Unterdrückung ist, beschäftigt sich Mitra Shahmoradi in Ihren Bildern.

Die letzten Räume widmen sich der Darstellung in Europa sowie modernen künstlerischen Darstellungen. Entwürfe der Modeschule Hetzendorf finden sich ebenso, wie Heimatwerbung und als Souvenir beliebte Trachtenpuppen. Ungewöhnliche Kopftuch-Kreationen von verschiedenen Künstler_innen schließen nahtlos an die Trachtenpuppen an. Auch ein Kurzfilm mit Timna Brauer sowie ihre Sichtweise auf das Kopftuch ist zu sehen. Ich gehe mit den Worten Timna Brauers konform: «Die Befreiung kann aber nur von der Gemeinde selbst kommen. Jedes Verbot von außen verhärtet die Fronten und verzögert das weibliche Erwachen, auf das unser kranker Planet schon so lange als Ausgleich auf unser männlich-, profit- und rein verstandsorientiertes Denken und Handeln wartet.» Mit einer Fotowand, die sowohl Männer, als auch Frauen aus unterschiedlichen Ländern mehr oder weniger verhüllt zeigt, schließt sich die Ausstellung.

Die Ausstellung hat mir deshalb gefallen, weil durch die unterschiedlichen Aspekte und das Aufzeigen der Vielfältigkeit eines Stück Stoffes bei manchen Menschen eventuell neue Sichtweisen geschaffen werden können. Auch wenn mir das meiste schon bekannt war, fand ich es doch spannend, wie das Kopftuch im Lauf der Ausstellung seine unterjochende oder religiöse Wirkung zeitweise verlor und sogar zu einem Symbol des Protests und der Moderne wurde. Ebenso begrüße ich die sichtbar gemachte Verbindung mit unserer Kultur, da viele Menschen in dem Irrglauben leben, das Kopftuch sei etwas per se «Islamisches». Zu denken geben sollte, dass unsere Gesellschaft offensichtlich einer solchen Ausstellung bedarf.

Info:

Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch

bis 26. Februar 2019

Weltmuseum Wien

1., Heldenplatz

www.weltmuseumwien.at