Allein ein Kind aufziehen und dabei nicht wahnsinnig werden
Auf die Frage, warum sie Short Stories schreibe, sagte die Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro: Weil sie Kinder großzuziehen hatte. Die machten das Leben zu einer oft unterbrochenen Angelegenheit.Was soll da schon anderes rauskommen als kurze, kompakte Produkte? In vielen kurzen, ineinander verflochtenen Geschichten erzählt auch die Journalistin Bernadette Conrad von den «kleinsten Familien der Welt» – der tapferen Front der Alleinerzieher_innen.
In Österreich ist jede sechste bis siebente Familie eine «Ein-Eltern-Familie». Das hat verschiedene Gründe: Frauen – in wenigen Fällen auch Männer – trauen sich zu, alleine ein Kind großzuziehen. Dass die Vormundschaft von ledigen Kindern automatisch der Mutter entzogen und dem Jugendamt zugesprochen wird, ist lang vorbei. Beziehungstrennungen sind nicht mehr so ein Drama. Also eigentlich: alles gut. Wären da nicht die ständige Überarbeitung und die massive Armutsgefährdung von Alleinerzieher_innen (laut einer Studie des österreichischen Sozialministeriums ist die Armutsgefährdung von Alleinerzieher_innen doppelt so hoch wie die von Mehr-Eltern-Familien).
Bernadette Conrad – die beruflich um die halbe Welt reist, mal da, mal dort lebt, sich selbst um genügend Arbeitsaufträge kümmern muss und währenddessen ihre Tochter ohne Hilfe des Vaters aufzieht – trifft für ihr Buch alleinerziehende Eltern in verschiedenen Ländern, um ihnen immer diese eine Frage zu stellen: Wie schaffst du das? Dass die Erwachsenen-Bedürfnisse nicht zu kurz kommen; dass das Kind nicht zur Ersatzpartnerin gemacht wird; dass genug Geld da ist; dass man nicht in der permanenten Burnout-Schleife gefangen ist; dass die Last der allein getroffenen Entscheidungen nicht untragbar wird; dass es nicht nur ums Überleben, sondern ums gute gemeinsame Leben geht; und dass diese einmalige Beziehung, die man als zentrales Gegenüber zum eigenen Kind hat, an all dem Durchwurschtln nicht einknickt, sondern wächst.