Die Feldzugsbilanz des Hauptmannes AlserbachDichter Innenteil

Fund im österreichischen Staatsarchiv (Foto: Anton Tantner)

Vor 100 Jahren starb Jaroslav Hašek – Grund genug für die deutsche Erstveröffentlichung einer vom Autor von Der gute Soldat Švejk verfassten Kurzgeschichte aus der Zeit des Ersten Weltkriegs

 

Abgetippt und eingeleitet von Anton Tantner

In dem kurzen Leben, das dem Autor des Soldaten Švejk beschieden war – er starb im Alter von 39 Jahren am 3. Jänner 1923 in Lipnice nad Sazavou – begründete dieser nicht nur die berühmte Partei des gemäßigten Fortschritts im Rahmen des Gesetzes, sondern schrieb auch mehr als 1000 kürzere Texte, von denen nur wenige bislang auf Deutsch publiziert vorliegen. Die hier abgedruckte Feldzugsbilanz des Hauptmannes Alserbach verfasste Hašek in Russland, wo er Ende September 1915 als Angehöriger des habsburgischen Infanterieregiment 91 in Kriegsgefangenschaft geraten war bzw. sich freiwillig darin begeben hatte. In den folgenden Monaten schrieb er für die in Kiew auf Tschechisch herausgegebene Wochenzeitung Čechoslovan, der Hauptmann Alserbach erschien in Ausgabe Nr. 21 am 7. August 1916 julianischer Zeitrechnung.

Čechoslovan (wörtlich übersetzt: Tschechoslawe) setzte sich für die tschechoslowakische Unabhängigkeit ein, kein Wunder also, dass auch die habsburgischen Behörden zu den aufmerksamen, wenn auch argwöhnischen Leser:innen dieses Blatts zählten. Für nicht tschechischkundige Beamte zirkulierten deutsche Übersetzungen von Hašeks Beiträgen, darunter auch seine bekanntere Erzählung Das Bild Kaiser Franz Josefs. Wer diese verfertigte, geht aus den feinsäuberlich mit schwarzgelber Fadenbindung zusammengehaltenen Typoskripten nicht hervor, sicher ist nur, dass sie ihren Weg über die Prager Polizeidirektion auch in das berüchtigte Wiener Kriegsüberwachungsamt fanden. Dort wurde die Geschichte des kakanischen Hauptmanns unter der Aktenzahl 88.736 abgelegt, und der Militäranwalt leitete wegen derlei Artikel Untersuchungen gegen den ohnehin schon amtsbekannten Anarchisten Hašek ein. Der Verdacht lautete unter anderem auf Majestätsbeleidigung sowie Verbrechens wider die Kriegsmacht des Staates. Die Ermittlungen wurden zwar ausgesetzt, Hašek brachte aber in der Folge noch das Kunststück zusammen, auch von der tschechoslowakischen Seite wegen Hochverrats steckbrieflich gesucht zu werden, da er sich im Frühjahr 1918 der Roten Armee angeschlossen hatte. Zum Glück für die Weltliteratur konnte er dann doch im Dezember 1920 in die junge Tschechoslowakei zurückkehren, wo er bis zu seinem Tod am unvollendet gebliebenen Švejk arbeitete. Der Hauptmann Alserbach wiederum fand seinen Weg in die tschechischen Werkausgaben und wurde des Weiteren auf Kroatisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Ungarisch und Polnisch publiziert; nun kann im Augustin seine Feldzugsbilanz auch auf Deutsch gelesen werden – Rechtschreibung und Interpunktion des Originals wurden nur in wenigen Fällen stillschweigend geändert.

 

Am 16. Juni in der Früh kroch Herr Hauptmann Alserbach mit schwerem Kopfe aus seiner Höhle in den Schützengraben. Als er diesen betrat, begann er in seiner gewohnten Weise: «Hunde, Schweine, Schweinehund etc.» Aber plötzlich hielt er inne, seine Stimme klang irgendwie traurig und eigentümlich in der ungewohnten Stille. Die Sonne stand schon ziemlich hoch, aber eine eigentümliche Stille herrschte in den Schützengräben. Hauptmann Alserbach fand die Schützengräben leer und verlassen. Rund herum lagen Gewehre, Bajonette in den Scheiden, Rucksäcke, Decken und überall, wo man hinsah, lagen unausgeschossene Patronen herum. Oben waren die Schützengräben zerstampft und Alles machte auf den Hauptmann den Eindruck, als ob hier nicht Alles in Ordnung wäre. Hinter einer Traverse lag die Leiche des Korporals Frank, der es gut verstand, den Soldaten Fusstritte auszuteilen.

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Den vollständigen Text können Sie im Augustin Nr. 568 lesen