Die fitte Burgvorstadt

Mitten in Wien dancen und dehnen hunderte Menschen in imperialen Gemäuern. Wie geht es auf Österreichs größter Fitness-Convention zu? Text: Hannes Gaisberger, Fotos: Carolina Frank

Schon vor den Toren der Hofburg sind die wummernden Bässe zu hören. Klingt nicht nach Van der Bellen. Aber die Hofburg ist ja groß. Neben dem Amtssitz unseres Herrn Bundespräsidenten beherbergt der Gebäudekomplex noch die Nationalbibliothek, Ämter, Museen und Kapellen. Und eine Event-Location ist die Hofburg auch. Seit mehr als sechzig Jahren wird der Festsaaltrakt von einer eigenen GmbH als Kongress- und Veranstaltungszentrum vermarktet. Neben Messen und Konferenzen ist die Räumlichkeit berühmt-berüchtigt für den sogenannten Akademikerball und das Publikum, das er mit sich bringt. Doch heute tagen hier keine Convent_innen, dieses Wochenende steigt eine Convention. Imperial Fitness hat hunderte Aerobic-Fans nach Wien gelockt, für ein Wochenende voller Einheiten mit Stars der Szene in geschichtsträchtigen Räumlichkeiten. Da ich zuletzt als Schüler im letzten Jahrtausend eine Kraftkammer von innen gesehen habe, besteht leider kein Vorwissen von meiner Seite. Mit Conventions verbinde ich Treffen von Comic- oder Tattoo-Fans mit Verkaufsständen und Bühnen.

Viribus Unitis.

Um die Feinheiten einer Fitness-Convention kennen zu lernen, gibt es wohl keine bessere Adresse als Jacqueline Schoppelt. Scheinbar schwerelos steppt sie die pompöse Festsaalstiege in zeitgenössischer Fitnesskleidung herab. Als weibliche Hälfte von MASHevents veranstaltet sie das Wochenende, als Presenterin Jacqueline gibt sie eine handvoll Einheiten an diesen zwei Tagen. Dennoch nimmt sie sich die Zeit, mich durch die Räumlichkeiten zu führen. Die Veranstaltung findet heuer bereits zum zweiten Mal statt, nach dem großen Erfolg beim Debüt nun mit einem Saal mehr. Frau Schoppelt leitet mich über einen eher ruhigen Gang und durch eine Tür. Plötzlich stehe ich im Großen Festsaal, in dem über hundert Menschen in Sportkleidung die DANCE Challenge mit Carol und Alex machen. Ein zugegebenermaßen eindrucksvolles Bild, das schon einiges über Fitness-Conventions erklärt.
Es ist wie ein Festival, der Große Festsaal ist die Hauptbühne. Hier finden die lauten, schnellen Auftritte statt, für diejenigen, denen das Agieren in einer großen Masse Spaß macht. Diese Masse ist jedoch überraschend bunt gemischt. Sicher sind sportliche Frauen in der Mehrzahl, aber nicht alle hier haben sich jedes Gramm Fett runtertrainiert oder die modernsten Yogatights gekauft. Aber alle haben sichtlich Spaß, sich von dem Trainer_innenduo auf der Bühne zu immer neuen Schrittfolgen mitreißen zu lassen. Viribus Unitis, mit vereinten Kräften. So steht es an die Decke gemalt, und Habsburger and Friends, von Kaiser Maximilian bis Prinz Eugen, blicken feierlich von der Decke. Doch das gar zu altehrwürdige Dekor täuscht darüber hinweg, dass der ganze Trakt keine hundert Jahre alt ist. Die Denkmalschützer_innen können also cool bleiben. Hier werden keine unermesslichen Schätze durch Schweißspritzer oder Bassvibrationen geschädigt.

Zwei Tage durchziehen.

Obwohl es schon Sonntagnachmittag ist, wehen keine Schweißfahnen durch die Säle. «Wenn da 3.000 Ballgäste drinnen waren, riecht das nachher viel, viel schlimmer», versichert Jacqueline Schoppelt. Hier hinkt mein Vergleich mit dem Festival. Da sind Gelände und Publikum am zweiten Tag meist schon stark derangiert. Die Fitness-Fans hören auf ihren Körper und schalten auch mal einen Gang runter. «Das ist eben der Vorteil, den man hier hat. Man kann aus über 70 Stunden auswählen. Wir haben Teilnehmer, die an beiden Tagen die acht Stunden durchziehen.» Nach Step-Aerobic und einer Kräftigungsstunde könne man etwa bei Yoga entspannen, so Schoppelt. Um ein letztes Mal den Festival-Vergleich zu bemühen: Es gibt auch kleinere, intimere Bühnen, auf denen das Programm ruhiger oder spezieller ist. Die fünf Säle sind jeweils einem Thema gewidmet.
Im Hintergrund dringt vielstimmiges Johlen aus dem Festsaal. Was sind das für Leute, die hier teilnehmen? «Mario (die zweite Hälfte von MASHevents) und ich unterrichten in vielen Studios in Wien, daher sind hier viele, die uns aus den Studios kennen. Dann gibt es die, die viel auf Conventions fahren. Die kennen sich natürlich untereinander. Und viele Trainer kommen auch, um sich hier neuen Input zu holen.» Frau Schoppelt kennt die Szene. «Wir reisen selbst sehr viel auf Conventions. In Italien gibt es fast jedes Wochenende etwas. Die einen sind Fans von einzelnen Trainern, andere lieben die Form der Veranstaltung.»
Beim alleinigen Umherstreifen entdecke ich ein Vorzimmer, in dem nicht mehr antichambriert wird, sondern eine Stange zum Dehnen einlädt. Der meiste Verkehr ist zwischen den Sälen und den Waschräumen und Toiletten. Sitzecken werden zum Entspannen, Plaudern und Handychecken genutzt. Man trinkt aus der Wasserflasche. Die Convention ist alles andere als durchkommerzialisiert. Neben dem Café der Hofburg habe ich keine Gastro entdeckt, die Handvoll Verkaufsstände werden großteils von kleinen, lokalen Anbieter_innen bespielt. Etwa der resoluten Dame von Cali-Cube, einem Rohrverbinder-Baukastensystem, mit dem man sich individuelle Sportgeräte bauen kann. Oder dem Start-up-Piyoma der jungen Presenterin Margit. Sie will mittels Franchise-System Fitness in die Firmen bringen. Wo, wenn nicht hier könnte man potenzielle Franchise-Nehmer_innen finden?

Bis ans Ende der Stadt.

Den Trend hat wieder einmal Ex-Kaiserin Sissi gesetzt. Lange bevor der Festsaaltrakt gebaut wurde, ließ sie in ihren Gemächern allerlei Turngeräte anbringen. Neben all den neuen Methoden und Trainingsgeräten wie Fluiballs und Chains, die heute um die Gunst des Publikums buhlen, hätte eine Gymnastik à la Sissi wohl kaum einen Stich. Der imperiale Touch beschränkt sich zum Glück auf die schicken Räume.
Drei Teilnehmerinnen kauern auf dem Boden, holen noch einmal Energie vor dem Finale des Wochenendes. Die Damen unterschiedlichen Alters kommen aus Wien oder Umgebung. Sie genießen das internationale Flair mindestens so wie das imperiale. «Wir kommen wegen der Jacqueline, unserer Trainerin.» Und wenn die Veranstaltung in einer geschichtslosen Halle im Industriegebiet von Liesing wäre? «Würden wir genauso hingehen. Wir sind auch schon ins Ausland zu Conventions gefahren.» Sie gehören zu jenen, die das ganze Wochenende durchtrainieren. Das royale Ambiente gefällt ihnen zwar schon, ist aber nicht mehr als willkommene Zierde.
Imperial Fitness ist kein elitäres Premium-Event für Besserverdienende, sondern ein Get-Together von Fitness-Begeisterten aus ganz Europa. Die Hofburg bietet dafür einen edlen Rahmen. Und wieso auch nicht? Sie hat definitiv schon größeren Blödsinn in ihren Gemäuern aushalten müssen.

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