Kleider machen ... Vorurteile. Als Langzeitarbeitsloser scheinbar tipp-topp mit Marken-Klamotten gekleidet zu sein schafft Probleme
Ich habe viele Probleme (wer nicht?). Zu meinen eher kleinen Problemen zählt, dass ich mir seit nun schon fast zwanzig Jahren aufgrund meines sehr geringen Einkommens keine Kleidung mehr kaufen kann. Nur wenn die Unterwäsche zu verschlissen, die Schuhe aus dem Leim gehen, klemm ich mir anderswo ein paar Euro ab, um mir in einem Billigladen etwas zu kaufen (weh in Erinnerung der wahre Spruch meiner ersten, längst geschiedenen Frau: «Man ist selten reich genug, um sich billige Sachen leisten zu können …»).Ich habe einen sehr gut verdienenden Bekannten gehabt, der zugleich kaufsüchtig war. Wir hatten ungefähr die gleiche Statur, nur überragte er mich um Haupteslänge. Er trug seine Kleideranschaffungen nie lange, dann schenkte er mir wieder einen Sack voll mit Hosen, Hemden, Shirts, Jacken usw. Die Sachen passten – fast. Aber eine pensionierte Schneiderin im Waldviertel kürzte um geringes Geld Hosen und Jacken; die Hemden passen nicht exakt in den Schultern (macht nichts), die Ärmel stülpe ich einfach um.
Bis vor etwa zehn Jahren. Da bewegte sich das Einkommen meines Bekannten ebenfalls der Armutsgrenze zu, und notgedrungen gewöhnte er sich allmählich seine Kaufsucht ab – zu meinem Schaden. Doch immer noch ist mein Schrank mit genügend Kleidern gefüllt.
Oft muss ich mich noch immer blöd anreden lassen, wie es möglich sein kann, als Langzeitarbeitsloser tip-top mit Marken-Klamotten gekleidet zu sein?
Sie sehen nicht, dass das Hemd, das ich trage, zwar von hervorragender Gewebequalität ist, aber an der Brust ein Brandloch hat und die Hemdsärmel an den Rändern abgewetzt sind. Doch ein Pulli der Marke «Ver Sacre», der schon längst nicht mehr in seinen Ursprungsfarben leuchtet, bedeckt diese Mängel …
Peinlich ist es mir jedes Mal, wenn ich – wohl aufgrund meiner passablen Kleidung – auf der Straße von Bettlern angeschnorrt werde. Wenn ich denen sage, dass ich mit den letzten Cents unterwegs bin, um mir Brot und Milch zu kaufen, um die letzte Woche des Monats überstehen zu können, glauben sie mir nicht und sehen mich stattdessen oft hasserfüllt an, so, als ob ich ein «Gstopfter» wär, zu neidisch, ein paar «Netsch» einem Bedürftigen zu spenden.
Noch ärger war es auf Ämtern, auf denen ich – obwohl ich diesbezügliche Bittgänge meide, wissend, dass ich die hohe Kunst des Bettelns leider nicht beherrsche – meistens nicht einmal angehört wurde, wenn ich mich um irgendeine Unterstützung für Notleidende anstellte.
Aber ich klage nicht. Es gibt kaum einen verlogeneren Satz als Rilkes «Armut ist ein großer Glanz aus Innen … », dennoch bemühe ich mich – so gut es möglich ist -, die «fröhliche Armut» zu leben.