Augustin besucht von Augustiner Chorherren Brüskierte
Wer besitzt das rote Floridsdorf? Ein Drittel seiner Fläche gehört den Augustiner Chorherren des Stiftes Klosterneuburg. Sie sind die weitaus größten privaten Grundbesitzer im Arbeiterbezirk. Und weil der Grundbesitzer der natürliche Feind des Besitzlosen ist, bleiben soziale Konflikte nicht aus. Sowohl am Kinzerplatz als auch in Jedlesee geht es daneben auch um den Sinn von Kirche.
Kurzer Exkurs in die Kirchengeschichte. Im elften Jahrhundert beschloss eine Kirchenversammlung mit dem Segen des Papstes eine Reform der Klerikergemeinschaften: Diese sollten auf privates Eigentum verzichten und in Gemeinschaft leben. Das war die Geburtsstunde der Augustiner Chorherren, so genannt, weil der Orden in Hinkunft nach der Regel des Augustinus wirken wollte: So lest ihr ja in der Apostelgeschichte: Sie hatten alles gemeinsam. Und jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte. Eine Regel, mit der Augustinus, jener Kirchenlehrer und Philosoph, der in der Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter gewirkt hatte, das Heimweh nach der Urkirche wach halten wollte.
Sie, nämlich die Urkirche, bleibt das faszinierende Vorbild für unsere Ordensgemeinschaften. Die Kommunität versucht deshalb, alles gemeinsam zu haben, das Leben zu teilen. Das zeigt sich im gegenseitigen Verständnis, in der Begegnung der Mitbrüder, in Freundschaft und Kollegialität, in Solidarität, in einer wirklichen Herzensgemeinschaft. Freilich, dorthin sind wir immer auf dem Weg, so stellen sich heute die Augustiner Chorherren in einer Selbstbeschreibung in die Traditionslinie des Ordens.
Unter den Prekaristen der Kleingartenanlage zwischen Kinzerplatz und Floridusgasse in Wien-Floridsdorf gibt es wohl kaum einen, der mit diesem quasi urkommunistischen Konzept der Augustiner Chorherren vertraut ist. Dass aber das Christentum in toto ursprünglich andere Intentionen hatte als das, was ihnen heute als Kirche entgegentritt, ist ein Gemeinplatz unter den NutzerInnen der grünen Lunge auf einem Grundstück des Augustiner Chorherren-Stiftes Klosterneuburg. Prekaristen sind sie nicht etwa, weil sie alle dem Prekariat (moderner Begriff für soziale Unterschicht) angehören, sondern weil sie Prekariumsverträge mit der Immobilienverwaltung des Stiftes haben: Sie können die Kleingärten unentgeltlich nutzen aber gegen jederzeitigen Widerruf.
Die Widmungsänderung verschlafen
Nun ist ihre Situation als Schrebergärtner tatsächlich prekär geworden. Das Management des stiftlichen Wirtschaftsbetriebs, weniger Gremium von Mitbrüdern der Herzensgmeinschaft, vielmehr Instrument beinharter Geschäftsinteressen, will einen lang gehegten Plan realisieren: die Verwertung, sprich Bebauung der grünen Lunge. Den rund 50 Familien, die ihre Parzellen im Laufe der Zeit in bieder-idyllische Privatparadiese in unmittelbarer Nähe ihres Hauptwohnsitzes (viele der Kleingärntner sind Mieter der stiftseigenen Zinskasernen am Kinzerplatz) verwandelten, bleibt wenig Hoffnung. Die Gartenanlage wird geschliffen, das ist in Klosterneuburg beschlossen worden. Die kleinen Häuschen der Stift-Pressesprecher spricht von Schwarzbauten (siehe Kasten), als ob den GartenbenützerInnen die Errichtung dieser Bauten je verboten worden wäre werden vom Bagger dem Erdboden gleichgemacht werden.
Die bestehende Flächenwidmung ist für die Prekaristen keine Hilfe. Sie erlaubt Wohnhäuser der Bauklasse 1. Gemunkelt wird, dass die Firma Sozialbau, größter privater Wohnbauträger Österreichs, zum SP-nahen Firmenspektrum zählend, hier zum Zuge kommen wird. Mag. Spitzer, Vize-Bezirksvorsteher von Floridsdorf, kann das im Augustin-Gespräch nicht bestätigen. Wenn die Kirche mit dem roten Riesen packelt, haben wir keine Chance, glauben jedoch Gartenbenützer zu wissen, die wir in ihren von Gartenzwergen umstellten und mit Hirschgeweihen veralpten Hütten antreffen.
Was wie die illusionslose Einsicht nüchterner RealistInnen klingt, soll deren defizitäre Handlungsfähigkeit kaschieren: Sie haben vor ein paar Jahren verabsäumt, die Umwidmung von Gartenfläche zu Bauland zu beeinspruchen, sie sind nach wie vor nicht als Interessensgemeinschaft von Kleingärtnern organisiert, sie haben nicht nach BündnispartnerInnen im Kampf für die grüne Lunge Ausschau gehalten, etwa den BewohnerInnen der Miet- und Eigentumswohnungen der angrenzenden Objekte, die nun die Sicht auf eine Oase der Ruhe verlieren werden. Eine Unterschriftensammlung für den Erhalt der Kleingartenanlage war in dieser fortgeschrittenen Situation wohl nur noch eine Ersatzhandlung.
34.000.000 für ein Prestigeprojekt, 24.000 für eine Augenklinik
Wir wären ja bereit, wie normale Pächter für unsere Parzellen zu zahlen, sagen die Betroffenen bei unserem Lokalaugenschein. Auch dieses Zugeständnis ist keine Strategie gegen die Verwertungslogik, der das Management des Stiftes huldigt. Eben hat es mehr als 34 Millionen Euro in ein Jahrhundertprojekt investiert in die Verwandlung der 1740 von einem Tag auf den anderen stillgelegten barocken Baustelle der Sala terrena in den neuen Besuchereingang des Stiftes und in die Neugestaltung der Mittelalterausstellung, die einzigartige Schätze im Kreuzgang zusammenführt und auch multimedial vorstellt.
In Projekte, die sehr viel mehr mit dem ursprünglichen Konzept von Christentum zu tun haben, etwa in die Bekämpfung der Armut, fließen vergleichsweise geringe Gewinnanteile. Für die Errichtung einer Augenklinik in Äthiopien spendete das Stift vor kurzem 25.000 Euro. Mit 250.000 Euro jährlich unterstützt Klosterneuburg die Straßenkinder-Aktion des österreichischen Jesuitenpfarrers Georg Sporschill in Rumänien, Moldawien und der Ukraine. Im Rahmen dieses Projekts werden derzeit tausend ehemalige Straßenkinder betreut. Die Augustiner Chorherren aus Klosterneuburg tragen die laufenden Lebenshaltungskosten für ein Zehntel der Kinder und Jugendlichen. Der Bitte des Augustin um eine detaillierte Aufschlüsselung der Ausgaben des Stiftes ist deren Wirtschaftsdirektion bisher nicht nachgekommen.
Jedenfalls dürften die Einnahmen aus 4500 Pachtverträgen und 700 Objekten (meist Wohnhäuser), über die Stift Klosterneuburg verfügt, nicht ausreichen, um die Ausgaben der von der kommunistischen Herzensgemeinschaft zu kapitalistischen Playern mutierten Chorherren zu decken. Jetzt müssen die bebaubaren Flächen her, jetzt muss verwertet werden, was zu verwerten ist, und Glaubenichtse und Gläubige müssen daran glauben. In Floridsdorf hat der Verwertungs-Sachzwang der Chorherren-Wirtschaft zu einem weiteren Konflikt mit der Bewohnerschaft geführt. Das Stift versucht seit Jahren, aus seiner brach liegenden Tennisanlage an der Schwarzlackenau auf den Maria-Theresien-Schlössl-Gründen in Jedlesee Kapital zu schlagen. Für eine Gewinn bringende Verbauung braucht es aber eine Umwidmung des Erholungsgebietes in Bauland in möglichst hoher Bauklasse, was wiederum den Interessen der benachbarten FloridsdorferInnen zuwiderläuft. Eine delikate Geschichte also, die nicht gerne an die große Glocke gehängt wird, erzählt Karl Baumgarten, Bezirksrat der Grünen und Mitglied im Bauausschuss des 21. Bezirks.
Kirchliches Recht zur Grundstückspekulation
Die gesamte Sportanlage ist seit Jahren ungenutzt und abgezäunt. Anstatt die Tennisplätze weiter vergammeln zu lassen oder gar zu verbauen, fordern wir das Stift Klosterneuburg auf, für das Areal endlich wieder eine widmungsgemäße Nutzung zu ermöglichen, Teile auch als Park widmen zu lassen, sie wie die benachbarte Lorettowiese zu begrünen und zu renaturalisieren und für alle FloridsdorferInnen weitgehend öffentlich zugänglich zu machen. Die westlich gelegenen vier Tennisplätze und der zugehörige Parkplatz aber sollten endlich wieder dem Schutzgebiet Schwarzlackenau einverleibt und als solches gewidmet werden, meint der grüne Bezirkspolitiker.
Dass Grundstücksspekulation zum normalen Tätigkeitsspektrum eines Ordens zählt, der zur Gründungszeit den Verzicht auf privates Eigentum predigte, ist eine längst banal gewordene Feststellung. Der Klosterneuburger Ableger der Augustiner Chorherren ist kein Solist im Orchester des Ordens. Auch die Stifte St. Florian (OÖ), Herzogenburg (NÖ, Goldenstein (S), Vorau (ST) und Reichersberg (OÖ) gehören zu seinem Imperium, und auch für sie ist es keine Sünde, den Profit als Kriterium des Erfolgs zu definieren. Die Benediktiner, die Zisterzienser und die anderen katholischen Orden sind bekanntlich ebenfalls nicht gerade in der Phase des Kommunismus geblieben. Nicht die Diözesen, sondern die Klöster und Stifte sind der Sektor der Kirche, bei dem sich der Grundbesitz angehäuft hat. Die Orden bekommen keinen Anteil am Kirchenbeitrag und müssen sich ihren Unterhalt anders verdienen. 25.000 Hektar Wald werden z. B. von Wirtschaftsdirektor Helmut Neuner im Dienste des Benediktiner-Stifts Admont verwaltet. Wir sind keine Wlascheks und keine Immofinanz. Aber unser Ziel ist der langfristige Ertrag, sagte Neuner kürzlich in einem FORMAT-Interview.
Frauenfüße vermeiden
Die relative Autonomie der Stifte und Klöster, materiell abgesichert durch umfangreiches Grundeigentum, mag vielen anachronistisch und absurd erscheinen; man könnte jedoch in dem Umstand, dass die Äbte im Lauf der Jahrhunderte eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Bischöfen bzw. den Diözesen bewahren konnten, einen Ansatz zur Demokratisierung der Gesamtkirche sehen. Die Leiter von Stiften und Klöstern, die die aktuelle konservative Wende ablehnen, die von Ratzinger und seinen rückwärtsgewandten Bischöfen ausgeht, könnten vieles bewirken.
Die Entwicklungen am Kinzerplatz, um zum Schauplatz der Anlassgeschichte zurückzukehren, verleiten in dieser Hinsicht freilich kaum zu einer Stimmung der Zuversicht. Das Stift Klosterneuburg scheint alles andere als ein Laboratorium kirchlicher Demokratie zu sein, bemerkt eine Schrebergärtnerin, die (noch?) in der lokalen Pfarrgemeinde aktiv ist. Klosterneuburg habe der Pfarre am Kinzerplatz zwei neue Pfarrer geschickt, die die Kirche zurück in irreversibel vergangen geglaubte Eiszeiten führen. Am letzten Gründonnerstag habe der frische Wind der neuen Pfarrergeneration mit der liberalen Version der Zeremonie der Fußwaschung aufgeräumt. Und zwar gründlich: Weil sie sich geweigert haben, auch uns Frauen der Gemeinde die Füße zu waschen, musste der Brauch überhaupt abgesagt werden. Es haben sich nicht genug Männer gemeldet.
Nicht genug Männer für den Backlash: Dieses ist die positivste Meldung in unserer Story über Brüder, die einst besitzlos bleiben wollten und heute, als Eigentümer großer Flächenanteile der Hauptstadt, uns Nichtbesitzende lehren, wie sekundär wir in dieser Stadt sind.
Eine Stellungnahme aus Klosterneuburg
Auf Anfrage des Augustin übermittelte uns Peter Schubert, Pressesprecher des Stiftes Klosterneuburg, eine Sachverhaltsdarstellung aus Sicht des Grundeigentümers:
Die Hausgärten in Donaufeld wurden entsprechend einer häufig geübten Praxis den Bewohnern der benachbarten Wohnhäusern bis zu einer Bebauung des Geländes gratis zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet, dass jedem Gartennutzer ein jederzeitiges Ende dieser Nutzung von Anfang an bewusst war. Entsprechend dieser Praxis erfolgte auch eine zeitlich begrenzte Umwidmung des Baulandes in Kleingartengelände.
Anlässlich des Ablaufes dieser zeitlich begrenzten Umwidmung hat die Behörde zahlreiche Schwarzbauten festgestellt, deren Errichter zum Großteil gar nicht mehr eruierbar sind, da keiner der derzeitigen Nutzer diese Schwarzbauten errichtet hat sodass eine Entsorgung dieser Bauten auf Kosten des Grundeigentümers Stift zu geschehen hat. Gleichzeitig kann das Stift nicht auf Dauer auf entsprechende Pachteinnahmen verzichten, sondern ist sich vielmehr seiner sozialen Verantwortung bewusst, sodass dieses Gelände in Zusammenarbeit mit Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften zur Errichtung von günstigen Startwohnungen für Jungfamilien verwendet werden wird. Diese Wohnungen werden auf Baurechtsbasis errichtet, wodurch der Ankauf des Grundes durch die Genossenschaft entfällt.
Unbeachtet der Tatsache, dass kein Gartennutzer einen Rechtsanspruch auf eine Gartennutzung hat, nahm das Stift Klosterneuburg, das große Flächen für Kleingartenanlagen zur Verfügung gestellt hat, mit dem Zentralverband der Kleingartenvereine Verhandlungen über Ersatzgründe für die bisherigen Gartennutzer auf.
Alle diese Fakten zeigen, dass das Stift Klosterneuburg heute, wie schon vor Jahrhunderten, seinen Grundbesitz immer wieder unter dem Gesichtspunkt des sozialen Engagements wirtschaftlich nützt. Schon als 1786 Propst Floridus Leeb den Hochwasseropfern Gründe für den Wiederaufbau ihres Ortes zur Verfügung stellte, benannten die Bewohner aus Dankbarkeit ihr Dorf nach ihrem Gönner Floridsdorf heute einer der größten Bezirke Wiens.
Soweit eine Presserklärung des Stiftes. Ergänzend wollte Pressesprecher Schubert noch festhalten, dass die grüne Lunge bedauerlicher Weise über keine entsprechende Abwasserentsorgung verfüge, sodass auch noch eine gewisse Gefahr für das Grundwasser gegeben sei. Was die Wohnhäuser betreffe, stehe eine seit längerem notwendige Generalsanierung bevor, zu deren Durchführung jede leer stehende Wohnung die Arbeiten erleichtere, so Schubert. Die Mieter eines Teils der stiftseigenen Häuser am Kinzerplatz haben wegen der Tatsache, dass frei werdende Wohnungen seit längerem nicht mehr an Wohnungssuchende vergeben werden, auch Schlimmeres befürchtet.