Raiffeisenserie
Ungleiche Gegensätze, oder: Vom Raiffeisen-Feldtag zum Nyeleni-Forum für Ernährungssouveränität. Zwei Events zum Thema Landwirtschaft verweisen auf die großen Widersprüche auf dem Feld der Lebensmittelproduktion und ihrer politischen Rahmenbedingungen.Am 14. Juni fand in St. Florian in Oberösterreich in einer staatlichen Schule, der Höheren Landwirtschaftlichen Bundeslehranstalt, der sogenannte «Feldtag» statt. Diese Veranstaltung ist die Leistungsschau der Raiffeisen-Lagerhäuser. Und der Begriff «Leistungsschau» ist wahrlich nicht zu kurz gegriffen. In Zeiten von Klimawandel, Peak Oil und einem neuen Nachdenken über ökologische Effekte und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft wird am Feldtag die «gute alte Zeit» der industriellen Landwirtschaft abgefeiert, als ob ohnehin alles in Ordnung wäre. Nicht weniger als 14.000 Besucher_innen nahmen heuer daran teil. Dies zeigt, welche Organisationsmacht und Mobilisierungskraft zumindest im ländlichen Raum hinter Raiffeisen steht. Dementsprechend ist auch das Motto gewählt: Die ganze Welt der Landwirtschaft! Dem allerdings ist zu widersprechen …
Die neuen Johnnys warten auf Sie!
Mit Technikfetischismus ist ein zentraler Aspekt des Events ziemlich gut beschrieben: Traktoren und andere Landmaschinen, die alleine schon ob ihrer Größe wohl 99 Prozent der österreichischen Bauern und Bäuerinnen aus finanziellen sowie Gründen der Betriebsgröße niemals zum Einsatz bringen könnten, waren ein zentraler Teil der Leistungsschau. Da wurde gepflügt und gesät, was das Zeug und der ob der extrem schweren Maschinen stark verdichtete Boden hergab. Die Stars am Feldtag waren eindeutig die Johnnys, die allgegenwärtigen Traktoren von John Deere, die sogar mit einer «Austria Edition» aufwarten konnten. Mit «Finanzierung ab 0,00 %» wird da geworben. Welche Bank sich da wohl als Dienstleisterin anbieten könnte?
Ein anderes am Feldtag angebotenes Prospekt verspricht «Pflanzenschutz mit dem Lagerhaus – Vorteile auf ganzer Linie». Das klingt gut, sind doch Pflanzen ein wesentlicher Teil der bäuerlichen Produktion und ist ihr Schutz daher wohl auch im allgemeinen Interesse. In Wahrheit bedeutet Pflanzenschutz schlicht und einfach das Ausbringen von chemischen Spritzmitteln. Auch wenn in der kritisch gestimmten Öffentlichkeit breit über das Verbot der sogenannten Neonicotinide, vulgo «Bienenkiller», diskutiert wird, das Lagerhaus sorgt sich vor allem um «[i]nnovative Produktneuheiten mit den neuesten Wirkstoffen, Wirkstoffwechsel beugen Resistenzen vor!» Wenig verwunderlich ist es dann auch, wenn in der Raiffeisen-Broschüre die «präzise Ausbringung» des Pflanzenschutzes mittels «John Deere TwinFluid-System» nahegelegt wird. Aber auch die biologische Landwirtschaft ist vertreten: in einem kleinen Nebensatz, analog der Prioritätenverteilung am Feldtag. Alternative Formen agrarischer Produktion standen allerdings bei einem anderen Landwirtschaftsevent im Mittelpunkt.
Nyeleni: Eine andere Welt der Landwirtschaft ist möglich!
Wenngleich auch die Größe und Besucher_innenzahl eine klare Sprache sprechen in Sachen Hegemonie in der Lebensmittelproduktion in Österreich, ein anderes Zusammentreffen landwirtschaftlich Aktiver und Interessierter fand im April diese Jahres in Goldegg (Salzburg) statt. Mit dem «Feldtag» diametral entgegengesetzter Intention wurden bei «Nyeleni Austria 2014»1 Strategien für eine Demokratisierung landwirtschaftlicher Produktionsbedingungen oder auch die Rechte von migrantischen Erntehelfer_innen in Angriff genommen, konkrete Vernetzungsprojekte in den Bundesländern vorangetrieben und über die Verbesserung der Beziehungen zwischen Produzent_innen und Konsument_innen diskutiert (siehe auch Bericht in Augustin Nr. 366). Dabei blieb das «Österreichische Forum für Ernährungssouveränität» aber nicht auf die nationale Ebene beschränkt, es versteht sich vielmehr als integraler Teil der globalen Bewegung für Ernährungssouveränität. Beim Nyeleni-Forum standen also all jene Formen landwirtschaftlichen Aktivismus im Zentrum, auf die Besucher_innen des Raiffeisen-Feldtages wohl oder übel verzichten mussten.
Abschließend sei noch auf das fotografische Highlight des Feldtages hingewiesen: Waren es in dem wunderbaren Gedicht Bertolt Brechts noch 700 Intellektuelle, die einen Öltank anbeteten, so zeigen die «Oberösterreichischen Nachrichten» immerhin 8 gesetzte Herren, die vor einem Traktor knien, rein zufällig ein Johnny, kein Surabaya allerdings. Da wäre wohl selbst Rio Reiser sprachlos, nicht aber der gute alte Bob Marley: «If you are the big tree, we are the small axe.»
Nähere Informationen zum Nyeleni-Prozess gibt’s unter: http://www.ernährungssouveränität.at/nyeleni/
1«Nyeleni» war der Name einer legendären kämpferischen Kleinbäuerin aus Mali.