«Die gerade Linie ist gottlos»vorstadt

Die Einsamkeit des Künstlers am Kamp

Warum die Hahnsäge auch heute noch ihren Zauber ausübt: Helga Rauchberger (Fotos) und Werner Rauchberger (Text) begeben sich auf die Spuren des Künstlers Friedensreich Hundertwasser und dessen Leben in isolierter Einsamkeit am Flusslauf des Kamp.

Das Leben des Architekten und Malers Friedensreich Hundertwasser ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Er hinterließ nicht nur ein reichhaltiges Erbe an Bauwerken und Bildern, sondern kämpfte auch leidenschaftlich für ein Leben in Harmonie und Einklang mit der Natur. Auf jedem seiner Wohnsitze, sei es ein Bauernhaus in der Normandie, eine Villa in Venedig oder ein ausgebauter Schweinestall in Neuseeland, lebte er nach diesen Prinzipien. Dieser praktizierte Lebensstil Hundertwassers wird ganz besonders in seinem Domizil nahe der kleinen Ortschaft Roiten am Oberlauf des Kamp veranschaulicht.

Der Kamp ist selbst in der reichhaltigen Flusslandschaft Österreichs ein ganz besonderer Wasserlauf. Auf einer Länge von 153 Kilometern mäandriert er durch das Waldviertel, von seiner Quelle, die noch im Mühlviertel in Oberösterreich liegt, bis zu seiner Mündung bei Altenwörth in die Donau. Nicht umsonst stammt der Flussname Kamp aus dem Keltischen, was so viel wie «Der Krumme» heißt. Und es ist gerade der Abschnitt zwischen Roiten und Zwettl, der zu den interessantesten und schönsten Flusszonen des Waldviertels gehört. Der Kamp durchzieht hier eine Landschaft, die von Granitblocklabyrinthen geprägt ist und einen günstigen Lebensraum für bedrohte Tier-und Pflanzenarten darstellt. Nicht zuletzt deswegen steht das Gebiet hier unter Naturschutz.

Spartanisches Leben


Friedensreich Hundertwasser hat mit dem Erwerb der Hahnsäge im Jahre 1966 einen besonders schönen Platz gewählt, der seinen Intentionen eines einsamen Lebens in der Natur voll entsprochen hat. Der Name Hahnsäge bezieht sich auf den Vorbesitzer Heinrich Hahn, der 1924 die Liegenschaft kaufte und einen Sägebetrieb führte. Hundertwasser hat sich hier für 34 Jahre ein Refugium geschaffen, das er bis zu seinem Ableben im Jahre 2000 immer wieder aufsuchen sollte. Er führte hier ein spartanisches Leben. Als Sanitäranlage diente der am Haus vorbeifließende Kamp. Elektrizität war ebenfalls nicht vorhanden – für die Beleuchtung verwendete er zum einen Petroleumlampen, zum andern entwickelte er selbst eine Photovoltaikanlage, die eine kleine Lampe betrieb, bei deren Schein er an seinen Bildern malte. Haus und Umgebung waren für den Künstler inspirierend. Er schuf hier mehr als 40 seiner Bilder und daneben konnte er auch zu jeder Jahreszeit seiner Leidenschaft nachgehen, im Kamp ein erfrischendes Bad zu nehmen.

Der Weg zu der Hahnsäge vom Dorfmuseum Roiten ist, immer entlang des malerischen Kampverlaufes, sehr bequem in knapp einer Stunde zu bewältigen. Das von Hundertwasser bewohnte Häuschen fügt sich sehr harmonisch in die Landschaft. Das begrünte Dach stammt vom Künstler selbst. Die Fassade wurde von seinem Freund, dem indischen Künstler Pravin Cherkoori gestaltet. Darauf findet man auch eine von Hundertwassers Dogmen: «Die gerade Linie ist gottlos.» Dieser Spruch ist auf sein Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur zurückzuführen, und in allen seinen Werken wird diese Vermeidung der geraden Linien sichtbar. Nicht zuletzt deswegen muss sich Hundertwasser an einem derart mäandrierenden Gewässer, wie es der Kamp darstellt, wohlgefühlt haben.

Heimliche Beobachtungen


Er wollte in seiner Kunst immer die Sinne und Gefühle ansprechen und gegen eine Welt des Rationalismus auftreten. Die Einsamkeit kannte für den Künstler natürlich auch Grenzen. Fallweise gab es Damenbesuch, was im nahegelegenen Dorf immer wieder zu Getuschel geführt hat und die Dorfjugend zu heimlichen Beobachtungen des Badebetriebes bei Hundertwasser inspiriert hat …

Obwohl Hundertwasser nur selten in der Ortschaft Roiten anzutreffen war, liebte er diesen kleinen Waldviertler Ort. Als die Gründungsversammlung des Vereins «Dorfmuseum Roiten» im Jahre 1987 stattfand, unterstützte er die Idee und hielt eine flammende Rede. Heute zeigt man stolz das von ihm zu diesem Anlass entworfene Wappen, eine Auszeichnung, die der Meister außer an Roiten nur noch an Palästina und Neuseeland verliehen hat. Hundertwasser hat dann selbst angeboten, das Museum zu gestalten und seine Vorstellungen mit den für ihn typischen Farb-und Figurenkompositionen umgesetzt. Eine Dokumentation über Hundertwasser ist im Erdgeschoß des im Jahre 2008 neben dem Dorfmuseum adaptierten «Hoidahaisls» eingerichtet. Im Erdgeschoß des Dorfmuseums finden Ausstellungen verschiedener Künstler_innen statt. Erwähnenswert ist da vor allem die Dauerausstellung «Das Gedächtnis des Wassers im Foto» mit Exponaten von Günter Schön. Das Dachgeschoß im Dorfmuseum ist der heimatkundlichen Sammlung vorbehalten. Besonders interessant ist hier ein Steinschalenkataster, auf dem säuberlich das dichte Netz von Steinschalen eingezeichnet ist. Diese Orte sind ja bis heute Kultplätze und ziehen gerade in unserer Zeit des Esoterik-Booms die Menschen magisch an. Der Bogen spannt sich dabei von trendigen Hexentreffen in der Walpurgisnacht bis zur keltischen Hochzeit.

Magisch ist hier auf alle Fälle das Angebot für Wanderer_innen. Man kann den Ausflug von Roiten zur Hahnsäge ausdehnen, indem man bis zur Utissenbachmühle weiterwandert, die urkundlich bereits 1280 erwähnt wurde und bis ins Jahr 1959 als Säge- und Getreidemühle in Funktion war. Von dort beginnt auch ein Zustieg zum Hohen Stein, der über einen kurzen und gefahrlosen Klettersteig zu erreichen ist. Den Gipfelaufbau bildet ein etwa 20 Meter hoher Felsblock, von dessen kreuzgeschmückter Spitze eine instruktive Rundschau über die bewaldeten Hügel der näheren Umgebung möglich ist. Konditionsstarke können auch von der Utissenbachmühle am rechten Kampufer entlang noch bis Zwettl marschieren. Für diesen landschaftlich ebenfalls sehr reizvollen Abschnitt sind dann aber schon bis zu zweieinhalb Stunden einzukalkulieren, und zurück möchte man ja schließlich auch noch.

Übernachtung einplanen


Die Anbindung des oberen Kamptales an das öffentliche Verkehrsnetz ist leider wenig brauchbar, und für die Anreise nach Roiten ist auf alle Fälle ein PKW empfehlenswert. Möchte man sich trotzdem für die Öffis entscheiden, kann man mit der Franz-Josefs-Bahn beziehungsweise mit dem Autobus in zirka zweieinhalbstündiger Fahrt von Wien nach Zwettl anreisen und von dort die lange Wanderung antreten. Dabei sollte man auf alle Fälle eine Übernachtung einplanen, damit man die wirklich zahlreichen landschaftlichen und kulturellen Schönheiten genießen kann.

Info

Dorfmuseum Roiten

Öffnungszeiten Mai–September

Fr–So und Feiertage von 14–16.30 Uhr

www.dorfmuseum-roiten.at

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