Weltweit gibt es etwa 40: Braucht endlich auch Wien ein Frauenmuseum?
Hittisau hat eines, Meran hat eines, Bonn hat eines, Aarhus hat eines, Wien hat keines. Die Rede ist von einem Frauenmuseum. Ob Wien wirklich eines braucht, ist eine Diskussion, die geführt werden könnte. Dass Wien auf alle Fälle neue Sammlungsstrategien braucht, eine andere Ausstellungspolitik entwickeln muss, in denen Geschlechtergerechtigkeit nicht die rühmliche Ausnahmeerscheinung ist, das hingegen sollte im Jahr 2010 keiner Diskussion mehr bedürfen, bedarf jedoch dringend einer.Das Erbe der Forderungen der aktivistischen Zweiten Frauenbewegung haben wir schon längst angetreten, ob wir es nun wissen wollen oder nicht. Auf den kurzen Wegen in der Stadt sind sie selbstverständlicher, gebrauchserprobter Alltag geworden, in den entstrauchten Parks wird fröhliche, zuweilen auch laute oder nicht ganz konfliktfreie Kommunikation gepflegt. Diese Veränderungen in der Planung der Stadt kamen vielen zugute. Da wird nach ihren Ursprüngen nicht mehr so genau gefragt. Dass sie aus dem Umfeld des Feminismus kamen, ist im Kanon der Architekturgeschichte wohl kaum nachzulesen.
Ganz anders jedoch schaut es mit der Einlösung von vielen der weiteren Forderungen der Zweiten Frauenbewegung aus. Sie warten noch immer auf Realisierung. Doch der politische Druck ist mehr als gering. Demzufolge scheinen nun auch die Forderungen weitgehend verschwunden zu sein und ihr wiederholendes In-Erinnerung-Rufen maximal noch einen unangenehmen Beigeschmack hervorzurufen. Die Ungerechtigkeiten jedoch sind unübersehbar geblieben. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das ist in weite Ferne gerückt. Seit 29. September arbeiten Frauen, statistisch betrachtet, in Österreich gratis, also ohne Geld, im statistischen Vergleich zu ihren männlichen Kollegen, wenn man von den Berechnungen des Equal Pay Day ausgeht. Also keinesfalls gleiche Arbeit für gleichen Lohn. Frauen müssen fürs gleiche Geld mehr arbeiten. Aber was gratis ist, muss ja nicht umsonst sein. Dann kann frau sich allenthalben damit trösten, dass ihre unbezahlte Arbeit wohl doch nicht vergeblich gewesen sein wird. Gleich viel Raum, gleich viel Aufmerksamkeit im kollektiv tradierten Gedächtnis der Stadt, gleich viel Bedeutung in der Darstellung historischer Zusammenhänge, vom Schulbuch bis zur Ausstellungsvitrine, auch hier wiederum weit gefehlt. Auch im symbolischen Feld erscheint die Geschlechtergerechtigkeit als Vision in der Ferne. Ganz zu schweigen von den erinnerungspolitischen Forderungen oder den Repräsentationsansprüchen, wenn es um Frauen im Migrationszusammenhang geht.
Die Geschichte ist ein hartes Pflaster. Die Kunst auch. Beide landen im besten Fall im Museum. Und die Museen erzählen dann unseren Gesellschaften, wofür wir uns interessieren, wofür wir uns zu interessieren haben. Ein Blick in die jeweiligen Stadtmagazine lässt hier immer tief blicken.
Auch die Gründung der ersten Frauenmuseen war eine direkte Folge dieses enthusiastischen und tatkräftigen Aktivismus der 1970er-Jahre und der freigesetzten, realorientierten Selbstorganisationskräfte der Zweiten Frauenbewegung in Deutschland. Das älteste von allen ist das Bonner Frauenmuseum, welches im Jahr 1981 gegründet wurde. Heute gibt es insgesamt über 40 Frauenmuseen respektive Initiativen für die Gründung von solchen auf der ganzen Welt, von Albanien bis Vietnam, von der Ukraine bis Argentinien, von Australien bis Frankreich, von Korea bis Senegal, von den USA bis Iran.
Die Frauen schreiben die Geschichte der Welt
Die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi bringt es folgendermaßen auf den Punkt: Die Frauen sind es, die die Geschichte der Welt schreiben. Deshalb muss es ein Frauenmuseum in jedem Land der Welt geben. Gemeinsam mit Mansoureh Shojaee gründete Shirin Ebadi das Iranian Womens Museum. Die Aktivistin, Feministin und Museumsgründerin Shojaee sprach beim Symposion «Frauen:Museum. Zwischen Sammlungsstrategie und Sozialer Plattform», das diesen Oktober in der Wienbibliothek im Rathaus stattgefunden hat, über ihr unermüdliches Engagement für die Bildung von Frauen. Vor dem Jahr 2000 war Shojaee in der Nationalbibliothek in Teheran als Bibliothekarin tätig, nach dem Jahr 2000 startete sie dann eine Kampagne, um eine mobile Bibliothek für Frauen in ländlichen Regionen aufzubauen. Der Zugang zu Büchern basierte auf einer richtiggehenden Grassrootsbewegung. Auf Grund ihres unermüdlichen Einsatzes für die Iranische Frauenbibliothek in Teheran, die sie leitet, sowie für die Gründung eines iranischen Frauenmuseums wurde Mansoureh Shojaee ein Monat lang in ihrer Heimat inhaftiert und befindet sich derzeit immer noch in Europa. Sie bezeichnet sich selbst als Ökofeministin und macht durch ihre Texte und ihre internationale Vernetzung mit Menschenrechtsaktivisten, mit Frauenrechtsaktivistinnen auf die Frauenrechtsverletzungen im Iran aufmerksam.
Debatten um das Verhältnis zwischen Frauen und Museen verlassen den Musentempel des 19. Jahrhunderts, den Tony Bennett als zivilisatorische Maschine der öffentlichen Bändigungen analysierte. Der Museumsbegriff, mit dem viele der Frauenmuseen operieren, ist ein erweiterter, auch wenn das Museum selbst über eine ganz konventionelle Sammlung verfügt oder auch im traditionellen Sinne Ausstellungen macht. So ist das Frauenmuseum Hittisau, das von Stefania Pitscheider Soraperra geleitet wird, ein Haus, an dem Frauen aus dem Dorf, Frauen aus dem Bregenzer Wald, aktiv mitarbeiten, die über das Museum hinaus sich in die Gemeinde involvieren. War bis vor kurzem nur eine Frau im Gemeinderat im Vorarlberger Hittisau tätig, so sind es jetzt fünf Frauen, vier davon sind auch im Museum.
Erinnerung an Susi Weigel
Das kann kein Zufall sein. Derzeit läuft im Frauenmuseum Hittisau eine Ausstellung über die Kinderbuchillustratorin Susi Weigel. Von 1952 bis 1990 lebte Weigel, mit deren «ich bin ich» Generationen von österreichischen Kindern groß geworden sind, in Bludenz, doch nach ihrem Tod geriet sie völlig in Vergessenheit. 2007 hätte eine neue Straße nach ihr benannt werden sollen, wie der Verkehrsplanungsausschuss es der Gemeinde Bludenz geraten hatte, doch die Stadträte entschieden sich dagegen. Die erste öffentliche Werkschau, die von der Museumsdirektorin Pitscheider Soraperra gleichfalls kuratiert wurde, hat dem drohenden Vergessen entgegengearbeitet, Weigels Bekanntheitsgrad drastisch erhöht. Nun wird eine Kinderbetreuungsstätte in Bludenz nach ihr benannt werden und auch gleich mit einer Ausstellung über sie eröffnet.
Die kulturelle Verantwortung von Frauenmuseen hört ihrem Selbstverständnis nach nicht an der Museumstür auf, ganz im Gegenteil, Frauenmuseen, wie das in Hittisau, mischen sich ein, machen Politik, nicht im Sinne des kleinkrämerischen parteipolitschen Hickhacks, sondern im ursprünglichen Sinn von Politik als den Tätigkeiten, Gegenständen und Fragestellungen, die das Gemeinweisen betreffen. Auch Astrid Schönweger, freie Kuratorin des Frauenmuseums in Meran, die das Netzwerk womeninmuseum ins Leben gerufen hat, betont den politischen Charakter vieler ihrer Initiativen und Veranstaltungen. Stella Rollig, die künstlerische Leiterin des Lentos Kunstmuseums Linz, spricht von den Herausforderungen der feministischen Museumsarbeit als tägliche Praxis an einem Ort der Hochkultur, Petra Unger von den feministischen Herausforderungen als Kunst- und Kulturvermittlerinnen.
Daniela Hammer-Tugendhat, eine der Mitbegründerinnen der feministischen Kunstwissenschaft im deutschsprachigen Raum, erinnert an das Hinausschreiben der Künstlerinnen aus dem Kanon der Kunstgeschichte durch die Verwisssenschaftlichung im 19. Jahrhundert. Von diesem Prozess haben wir uns bis heute noch nicht vollständig erholt. Die Künstlerinnen Petja Dimitrova und Carla Bobadilla zeigen Wege des politischen Antirassismus und des Postkolonialismus in der kulturellen Produktion auf. Was erinnert wird, wie etwas erinnert wird, ist in hohem Maß eine Frage der Umstände. Diese gilt es zu ändern. Gudrun Ankele referierte über historische feministische Manifeste, die radikal ein anderes Andenken des Umdenkens der Umstände nahelegen. Vida Bakondy sprach über Fragen der historischen Recherche und über Repräsentationskritik, Li Gerhalter stellte die Sammlung Frauennachlässe der Universität Wien vor. In dem hier Gesammelten wird beispielsweise auch klar, dass das Schreiben als tägliche soziale Praxis, wie in Tagebüchern, in bildungsfernen Schichten weit verbreiteter war als je angenommen.
Eva Geber warf einen Blick zurück in die Anfänge der «AUF», der ersten feministischen Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, und betont, dass die «AUF» als Plattform für feministischen Diskurs keinesfalls an Relevanz verloren habe. Die öffentliche Frage der Geschlechterverhältnisse ist auch im Jahr 2010 immer noch eine ungeklärte. Die ungelösten Problematiken liegen der Oberfläche des Gesellschaftlichen nervend blank. Was wir darüber später im Museum erfahren werden, das haben die Museen in der Hand. Frauenmuseen ebenso wie alle anderen.
Info:
Die Autorin konzipierte das Projekt «Frauenmuseen über Grenzen hinweg» der Gesellschaft für Kulturanalytik als Teil des EU-Projekts «Womens Museum a cultural gender concept for Europe».