Neues aus der jungen Wiener Kunstszene
Was gibt’s Neues in der Kunststadt Wien? Antworten sucht die aktuelle Ausstellung im Belvedere 21. Darin finden sich faszinierende Positionen und auch erstaunliche Lücken. Text & Fotos: Lisa Bolyos
Bild: Der Kunstraum Bar du Bois bespielt seine «Ausstellung in der Ausstellung»
mit räudigen Sitzgelegenheiten und Zigarettenautomat
Manche Kunstwerke heben einfach die Stimmung, egal ob sich ihre Erzählung beim Betrachten erschließt oder nicht: Da ist zum Beispiel eine Collage von Nana Mandl, auf der eine überdimensionierte Ausgabe jenes Chesney-Hawkes-Aufklebers aus der BRAVO-Edition prangt, den ich als Teenie so gern aus der Pickerlsammlung meiner Schwester entwendet hätte. Oder eine Malerei auf Papier von Matthias Noggler, auf der weiße Männer im abendlichen Park Drohnen fliegen lassen, ihre Haut leuchtet gelb im Licht der Laternen, der eine trägt Fred Perry, ein anderer rosa Socken.
Minimundus der Off-Kunst.
Im Erdgeschoß des Belvedere 21 am Rande des Schweizergartens bekommt die junge Wiener Kunstszene ihre Ausstellung. «Über das Neue», kuratiert von Luisa Ziaja und Severin Dünser, zeigt achtzehn Positionen von bildenden Künstler_innen, Geburtsjahr 1983 bis 1991. Cäcilia Brown mit ihren Betonarbeiten ist da, Lucia Elena Průša legt in ihren Cycle Collections alles im Kreis auf, und Anna-Sophie Berger hat mit The Nest Is Served ein Riesengitterbett erbaut. Dass man sich darin – und zwar mit Blick auf den Obstkarton einer gewerkschaftlich organisierten Erdbeerfarm in den USA! – tatsächlich ausruhen darf, erfährt, wer das Kleingedruckte liest.
Inmitten der Werke einzelner Künstler_innen laden kleine Räume zum Eintreten ein. Hier werden im Laufe der Ausstellungszeit Miniausstellungen kuratiert, von Off Spaces wie Bar du Bois, Ve.sch oder der Gärtnergasse. Das wirkt wie ein cleanes, aufgeräumtes Minimundus der Wiener Kunsträume. Wieso wird der eine Kunstraum (alternativ) in den anderen (Mainstream) transferiert? Um ihn sichtbar zu machen? Ihm die Ehre zu erweisen?
Pretty privileged?
Es stimmt, «Über das Neue» lässt sich nicht reden, ohne Off Spaces miteinzubeziehen. Sie sind integraler und notwendiger Bestandteil der Wiener Kunstszene. In ihnen passiert, wozu kommerzielle und traditionelle Galerien und Museen zu träge sind. Aber die selbstgemanagten Kunsträumen sind – wie die Künstler_innen auch – noch etwas: notorisch unterfinanziert. Umso erstaunlicher mutet es an, wie wenig Ökonomie in «Über das Neue» Thema ist. Gar so «pretty privileged», wie Nana Mandl es in glitzernden Stoff- und Wollfaden-Lettern auf eine ihrer Collagen geschrieben hat, sind die «Neuen» nicht. Die Studie «Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen in Österreich», 2018 beauftragt von der Kunst- und Kultursektion im Bundeskanzleramt, ergibt, dass 79 Prozent der bildenden Künstler_innen in Österreich nur unregelmäßige und schwer planbare Einkommen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit lukrieren. Aufschlussreich wäre, neben den ausgestellten Werken der «Neuen» nicht nur Werktitel, Medium und Produktionsjahr zu erfahren, sondern darüber hinaus, was die Künstler_innen für Nebenjobs angenommen haben, um sich ihre Kunst überhaupt leisten zu können.
Über das Neue
bis 2. Juni
Programm & Führungen:
www.belvedere21.at/ueber_das_neue
Eintritt mit Kulturpass frei