Eine kleine Augustin-Museologie, Teil 8: Das Museum of Broken Relationships in Zagreb
Im Zentrum von Zagreb steht das Museum der zerbrochenen Beziehungen. Klingt kitschig? Ist es aber nicht. Lisa Bolyos (Text und Fotos) ist südwärts gefahren, um sich die Relikte vergangener Liebesgeschichten aus der Nähe anzuschauen und dem Museum bei der Gelegenheit ein Sammlungsstück zu überbringen.
Wenn man sich in Zagreb nicht gut auskennt, ist man der touristischen Innenstadt schnell ausgeliefert. Ein Lichtblick ist, sozusagen im ersten Stock der Stadt, der Dolac-Markt, an dem frühmorgens Gemüse, Käse und Blumen verkauft werden und an dessen Rand man sich, als würde man dazugehören, in ein unaufgetakeltes Kaffeehaus setzen und den Bauern und Händlerinnen zuschauen kann. Noch ein paar Höhenmeter weiter oben, in der Ćirilometodska ulica, beste Innenstadtlage, ist in einem barocken Gebäude das «Museum for Broken Relationships», kurz: «Brokenship», untergebracht. Davor hat das Haus eine Gaststätte beherbergt. Heute sind darin Objekte und ihre Geschichten ausgestellt, Reminiszenzen vergangener Liebesverhältnisse.
Was Frankie Lane mit einem Plüschhasen gemeinsam hat
Zweck der Reise ist nicht allein, das «Museum of Broken Relationships» zu porträtieren, sondern, zu gleichen Teilen, einen Kunsttransport zu bewältigen. Zwei Schallplatten aus der Sammlung der Mutter der Autorin und ihrer Reisebegleitung, signiert von einem Verliebten aus lang vergangenen Jahrzehnten, sollen den Weg nach Zagreb machen: Eine 7-Inch von Frankie Lane («Hell bent for Leather!») und eine wunderschön gefertigte, mit dickem Booklet versehene «Magical Mystery Tour» der Beatles.
Das Sammlungsprinzip des Museums der Beziehungen, die keine mehr sind, besteht darin, dass die Stifter_innen symbolbehaftete Gegenstände loswerden, um den mal mehr, mal weniger unliebsamen Abschied zu finalisieren. Ende des Gejammers! Was passé ist, ist passé. «Im Mittelpunkt steht der Akt der Selbsterleichterung, der Moment, in dem man sich schließlich entscheiden kann, loszulassen», sagt Ivana Družetić, die seit der Gründung des Museums im Haus arbeitet – zuerst an der Rezeption, heute in der Sammlung und der Außenkommunikation.
Auf einem bilateralen Konflikt des Loslassens beruht auch die Gründungsgeschichte des Hauses. Wer bekommt den Hasen?, könnte sie betitelt sein: Olinka Vištica und Dražen Grubišić, beide der Kunstszene verhaftet, besitzen aus einem Grund, der ihnen vorbehalten sei, einen aufziehbaren Plüschhasen. Sie beschließen, ihn auf all ihren Reisen mitzutragen und vor lokalspezifischer Kulisse zu fotografieren. Der Hase kommt bis Kabul, dann beenden sie ihre Liebesbeziehung. Als es ans Aufteilen der gemeinsamen Reliquien geht, wird der Hase zum großen Fragezeichen. Wem steht er zu? Wer kann für ihn sorgen? Also erspinnen die beiden Kunstnasen eine Idee: Der Hase wird als Symbol der beendeten Beziehung ausgestellt. Andere Künstler_innen, frisch getrennt, schließen sich an. Eine erste Ausstellung entsteht und ist so erfolgreich, dass die Initiator_innen beschließen, weiter zu sammeln. Heute beherbergt die 2006 begonnene «Brokenship»-Sammlung rund 2000 Gegenstände; vom Stöckelschuh bis zur Schnapskarte, vom Gartenzwerg bis zu den Mikrowellenpopcorn. Vor kurzem wurde dem Museum, eher unhandlich, auch ein Auto angeboten, erzählt Družetić, einmal stand eine Waschmaschine zur Diskussion, ein andermal ein Konzertpiano. Gesammelt wird auf zwei Arten: Über ein Onlineformular kann man Gegenstände und Geschichten anmelden und sie dem Museum überantworten. Auf diese Art werde die Sammlung im Schnitt um ein Objekt pro Tag erweitert, so Ivana Družetić. Wenn die Ausstellung auf Reisen geht, was sie mehrmals pro Jahr rund um die Welt tut (als nächstes stehen Köln und Helsinki auf dem Programm), wird im Vorfeld am Ausstellungsort aufgerufen, die Sammlung um lokale Geschichten und Objekte zu erweitern. «Wir stellen alles aus, was wir an den jeweiligen Orten bekommen. In Basel wurde uns sogar ein Bett geschenkt, das stand dann draußen vor dem Museum und hat zur Ausstellung eingeladen. Einzig als wir in Mexiko waren, mussten wir aus den Angeboten auswählen – eintausendfünfhundert Geschichten sind da eingetrudelt, das war eine Zahl, die uns schlicht überfordert hat.» In Österreich hat das «Brokenship» bisher noch nicht angelegt.
Lover kann man viele haben …
Ein typisches Stifter_innen-Profil gebe es nicht, sagt Družetić, im Verhältnis 2:1 seien jedoch weit mehr Frauen darunter. Die Mehrzahl der ausgestellten Liebesbeziehungen hat sich zwischen Männern und Frauen abgespielt, in jedem Ausstellungsraum erinnert aber zumindest ein Objekt an ein gleichgeschlechtliches Herzweh. Der einzige Nachbau im «Brokenship» ist eine Extasy-Tablette aus Amsterdam – das kroatische Gesetz verbietet die Ausstellung des Originals.
Wer sich (wie ich) das ganze Museum als eine weinerliche Kitschgalerie vorgestellt hat, hat weit gefehlt! Es kann höchst erhellend sein, zu erfahren, wie Menschen mit dem Ende von Beziehungen umgehen – ironisch, trauernd, lachend, gleichgültig, gekränkt, erleichtert. Manche nützen das Museum, um eine lustige Geschichte zu erzählen; andere, um sich erfolgreich zu verabschieden; manche vielleicht, um einen Gruß in die Welt zu schicken. Aber natürlich gibt es auch Erzählungen, die sich jedem Lachen entziehen. Vor allem in dem Raum, der den Trennungen zwischen Eltern und Kindern gewidmet ist, hat die alles über Bord werfende Trauer Platz. «Über die Jahre ist uns klar geworden, dass das eine der ernsthaftesten Formen der Trennung ist. Lover kann man im Leben ja viele haben, aber Eltern hat man meist nur einmal.» Eine Wäscheklammer aus Holz erinnert an eine Mutter, die die Angewohnheit hatte, die Klammern beim Wäscheaufhängen zwischen den Lippen zu halten: «It was a habit I thought / old fashioned, unnecessary; / a housekeeper’s way», schreibt in einem Abschiedsgedicht das erwachsene Kind nach dem plötzlichen Herzinfarkt der Mutter. Ein sehr junger Erwachsener setzt mit einem Brief, «den du ohnehin nicht lesen möchtest», einen endgültigen Punkt unter all die Versuche, den Vater, der ihn verlassen hat, an sich zu binden. Ein MP4-Player liegt da mit der minimalistischen Aufschrift: «7 Jahre alt, Bamako/Mali. Erinnert mich an meine Mutter.»
Es gibt Geschichten von Liebsten, die im Krieg gegen den Irak ermordet wurden; von solchen, die den Freitod gewählt haben oder dem Gebrauch harter Drogen erlegen sind. Aber auch ganz freundliche Geschichten wie die von der ersten Liebe einer zwanzigjährigen Londonerin nach ihrem Coming-out, der sie ein kleines Schmuckstück kaufte – zu spät: «Bevor ich es ihr geben konnte, hatte sie mich schon wieder verlassen.» Da hängt die Zehn-Punkte-Liste, mit der jemand seine Angehimmelte davon abhalten wollte, nach Australien zurückzuziehen: «Punkt vier: Ich habe gehört, dass Australien sowieso innerhalb der nächsten zwei Monaten davongeweht wird.» Das war scheinbar nicht sehr überzeugend, unter «Beziehungsdauer» ist knapp vermerkt: «3 Wochen». Eine Frau, die durch die überraschende Trennung zur alleinerziehenden Mutter wurde, ließ sich zur täglichen Erinnerung an ihr eigenes Empowerment ein Keramikschild herstellen: «Besser allein als in schlechter Gesellschaft», steht darauf auf Spanisch geschrieben. Auch eine Axt ist ausgestellt, mit der die Möblage einer Berliner Wohnung erledigt wurde – «aus therapeutischen Gründen», beschwichtigt die Erzählerin; man ist insgeheim trotzdem dankbar für jede einzelne all dieser stinknormalen Trennungen, die man hinter sich hat.
Hinter der «Wand der Bekenntnis» können die Besucher_innen sich schließlich selbst verewigen. Eigentlich ist der Platz dafür gedacht, Trennungsgeschichten zu erzählen, genutzt wird er eher als Gästebuch. Jene Inschrift, die den Zweck des Museums wohl am besten zu bestätigen weiß, kommt von einer jungen Schreiberin aus Kanada: «Ich bin zwanzig Jahre alt und hatte noch nie eine ernsthafte Beziehung. Ist es komisch, wenn ich will, dass meine erste richtige hier in diesem Museum endet?»
Museum of Broken Relationships
Ćirilometodska ulica 2
10000 Zagreb