Die Landnahme am Donaufeldtun & lassen

In Transdanubien wird der Wunsch nach mehr Platz für gute Essensproduktion Wirklichkeit

Die Gruppe SoliLa! besetzt Ackerland am viel verplanten Donaufeld. Sie fordert damit eine selbstbestimmte Stadtgestaltung und eine solidarische Nahrungsmittelproduktion auf kleinstrukturierten Nutzflächen im Stadtgebiet.Der Wegweiser beim Eingang trägt vier farbige Tafeln: «Folientunnel», «Infotisch», «Komposttoilette» und «Brachfläche». Die Spitze des letzten Schildes zeigt bodenwärts, auf jenen vernachlässigten Ackerboden mitten im Wiener Donaufeld, den rund 100 Landlose, Studierende und Aktivist_innen ab 4. Mai selbstermächtigend zu nutzen begannen. In wenigen Tagen legten sie zahlreiche Beete an, setzten Obstbäume, errichteten einen Folientunnel, hielten Workshops ab und bauten eine kleine Infrastruktur mit Zelten, Küche, Waschstation und Klo auf.

Willkommen bei der zweiten Landnahme in der jüngeren Geschichte Wiens, die zweite der Gruppe SoliLa!. SoliLa! steht für «Solidarisch Landwirtschaften», steht für eine bedürfnisorientierte, lokale Lebensmittelproduktion außerhalb der Marktlogik. Lokal bedeutet, dass wertvolle landwirtschaftliche Flächen in Wien erhalten und nicht versiegelt werden sollen. Das Donaufeld in Floridsdorf ist von der Gruppe ganz bewusst gewählt worden: «Hier soll fruchtbares Land, das über Jahrzehnte von kleinen Gärtnereien bewirtschaftet wurde, verbaut werden. Der Aufbau einer lokalen solidarischen Landwirtschaft ist unser Gegenentwurf zur derzeitigen Stadtplanung.» Während die Stadt nur großflächige Agrarindustrie am Stadtrand erhalten will, setzt sich die Gruppe angesichts von «Peak Oil» und «Peak Soil» für eine zukunftsfähige, kleinteilige Land- und Gartenwirtschaft auch innerhalb der Stadt ein.

Brache zu Bauland


Das Donaufeld in Floridsdorf war schon oft Projektionsfläche für die Wiener Stadtplanung. Eine Generalstadtkarte von 1911 sah vor, das Gelände für die um die Jahrhundertwende prognostizierte Viermillionenstadt Wien mit einem rasterförmigen Straßen- und Baublocknetz zu überziehen. Als Österreich nach dem Ersten Weltkrieg zum Kleinstaat schrumpfte, war von diesem Plan nichts mehr zu sehen. 1942 entwarfen die Nationalsozialist_innen fürs Donaufeld einen groß angelegten neuen Stadtteil ihrer Donaumetropole. Auch der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan von 1962 wurde nicht umgesetzt: Er knüpfte an die Pläne der Nazis an, allerdings wurden die vorgesehenen Bebauungen zwischen Donaufelderstraße und Alter Donau zugunsten der dort bestehenden Gärtnereien aufgegeben.

Erst nach dem zweiten Stadtentwicklungsplan von 1994 entstanden hier tatsächlich zahlreiche Wohnbauten, u. a. Themenprojekte wie autofreie Siedlung, Compact-City-Homeworker und Frauen-Werk-Stadt. Heute ist noch ein Gärtnereibetrieb tätig, die Felder ringsum werden zum Teil nur zum Kassieren der ÖPUL-Förderungen bewirtschaftet, Devise Gründüngung. Der aktuelle Plan sieht vor, auf diesen landwirtschaftlichen Flächen in den nächsten Jahren weitere 6000 Wohnungen für 12.000 Menschen zu errichten. Laut einem fachkundigen Anrainer stagniert das Vorhaben aber: «Das wird von einigen Bauern blockiert, denen es nicht um den Erhalt des Ackerbodens geht, sondern darum, beim letzten und ertragreichsten Fruchtfolgeglied, der Umwidmung in Bauland, möglichst viel Geld herauszuholen. Es wird wohl noch etliche Jahre dauern, bis hier wirklich gebaut wird.»

Das besetzte Feld von rund einem Hektar (die eine Hälfte vergrast, die andere ungenutztes Ackerland – die Besetzung scheuchte einen Bauern auf, der sich zunächst als Pächter ausgab, aber nur ein Prekariat hat, das er offensichtlich nicht nutzte) gehört dem Wohnfonds Wien. Der Wohnfonds ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das für die Stadt «bevorratend» Grundstücke kauft (derzeit hat er 2 Millionen Quadratmeter in petto) und an Wohn-Bauträger weiterverkauft.

Stellt man Fragen an den Wohnfonds, kommen die Antworten aus dem Büro des Wohnbaustadtrats Ludwig. Dieses Gemisch stellte den Besetzer_innen am 7. Mai folgendes «Verhandlungsangebot»: Wenn sie bis nächsten Mittag das Grundstück freiwillig räumen, ist die MA 69 bereit, ihnen ein Grundstück irgendwo in Wien zu marktkonformen Pachtpreisen zu suchen. Das konnten die (im Vorjahr bei Verhandlungen im Stich gelassenen) SoliLas so nicht annehmen – schon naturgemäß: «Es ist für uns leider nicht möglich, die Fläche zu verlassen, ohne direkt auf eine Ersatzfläche umzusiedeln, da wir die Pflanzen nicht zwischenlagern können.»

Stand zum Redaktionsschluss: Es droht die Räumung.

Der Tagtraum zum Happyend: Am Donaufeld entsteht das Themenprojekt «Solidarisch Leben» mit leistbaren Wohnungen und solidarischer Landwirtschaft.

Text und Fotos: Peter A. Krobath

SoliLa! http://17april.blogsport.eu/