Die Leistungslügetun & lassen

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In Österreich verdienen zwei Millionen Menschen so wenig, dass sie nicht einmal Steuern zahlen. Wer Steuern zahlt, so der Finanzminister wortwörtlich, ist ein Geber, ein Leistungsträger. Die anderen sind die Nehmer. Die Tausenden in prekären Jobs und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sind also offensichtlich keine Leistungsträger. Wenn als Leistungsträger stets die Bezieher hoher und höchster Einkommen angesprochen werden, kommt eine Ideologie ins Spiel, die suggeriert, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Einkommen und Leistung gebe. Dies jedoch ist ein ökonomisches Märchen.US-Manager verdienen heute das 500fache ihrer MitarbeiterInnen. In den achtziger Jahren war es noch das Vierzigfache. Sind Manager jetzt 500-mal fleißiger als damals? Und sind die MitarbeiterInnen um so viel weniger leistungsfähig und fauler als in den achtziger Jahren? HilfsarbeiterInnen in der Bekleidungsindustrie verdienen weniger als jene in der Erdölindustrie. Leisten sie auch weniger? Wer reiche Eltern hat, erbt viel. Welche Leistung ist erben?

So können Löhne ganzer Gruppen von Erwerbstätigen fallen, ohne dass sich etwas an deren Leistung geändert hätte. In den letzten Jahren sind die Unterschiede zwischen Reichen und Nicht-Reichen in Qualifikation und Arbeitszeit zurückgegangen, die Einkommensdifferenzen jedoch haben zugenommen.

Einkommen richten sich eben nicht nur nach der Leistung, sondern in einer Marktwirtschaft auch nach dem Bedarf, könnte hier eingewendet werden. Aber auch das ist wenig stichhaltig. Finden sich doch viele der massiv unterbezahlt erbrachten Leistungen in Bereichen, in denen es um existenzielle Bedürfnisse geht. Wer sich um kleine und größere Kinder, kranke Angehörige, die Wäsche und das Kochen kümmert, verdient nichts, was in der genannten Leistungsträger-Logik nur bedeuten kann, dass sie oder er eben nichts leistet. Dass der Lohn für diese Arbeiten gleich null ist, liegt wohl weder an mangelnder Leistung der Betroffenen noch an mangelndem Bedarf an diesen Tätigkeiten.

Die Entlohnung einer Tätigkeit hat also vor allem mit dem damit verbundenen Status und mehr noch mit Verhandlungsmacht zu tun, mit Nachfrage am Arbeitsmarkt, sozialen Normen, gesetzlichen Regelungen und dem Zufall der Geburt.

Nimmt man den Glauben ernst, dass es die hohen Einkommen sind, die Manager und andere Spitzenverdiener zu Höchstleistungen motivieren, dann müssten die Löhne und Einkommen der Ärmsten eigentlich massiv erhöht werden, um auf diese Weise auch sie zu motivieren, aus ihrer Situation herauszukommen. Bei den Managern und Spitzendverdienern sei es ja das höhere Einkommen, das zu höheren Leistungen motiviere. Stattdessen wird bei den Ärmsten aber immer gekürzt, gestrichen und drangsaliert, um zu motivieren. Das ist eine praktische Ideologie: Bei den einen müssen die Einkommen massiv erhöht werden, um sie weiter zu motivieren, bei den anderen müssen sie gesenkt werden, um sie zu motivieren. Erstere sind Manager und Reichere, Letztere sind Arbeitssuchende und Ärmere.