"Ein Gieriger bleibt ein Gieriger, auch wenn er tausendmal Ute Bock sagt"
Vor drei Jahren zählte Immobilien-Zampano Martin Lenikus noch zu den «Feindbildern» der Wiener Grünen. Im Gemeinderat wetterte damals die grüne Opposition gegen die wie der Vorwurf lautete mutwillige Zerstörung eines denkmalgeschützten Biedermeierhauses im Spittelbergviertel, das seinerseits zur Gänze unter Ensembleschutz steht. Nachdem er die Mieter mit Geld aus dem Haus gelockt hätte (bis auf einen Widerspenstigen, der nicht zu korrumpieren war), habe Lenikus alle in der Branche angesammelte Kompetenz in der Disziplin «Gute alte Bausubstanz in möglichst kurzer Zeit abbruchreif machen» ausgespielt.
Drei Jahre nach diesem harschen Angriff gilt Lenikus zumindest unter den grünen Selbständigen als einer der Vorzeigeunternehmer der Wiener Grünen. Er ist Mitglied der Grünen Wirtschaftstreibenden. Er ist Rhetoriker der «Nachhaltigkeit, eine Philosophie, die er sowohl bei seinen Immobilienprojekten als auch in der Weinkultivierung ja, der Besitzer einer Grinzinger Villa ist neuerdings durch Investitionen am Nussberg, in Döbling und am Bisamberg aufgefallen real umsetzen werde. Er erscheint in den Medien als hochgradig innovativ, etwa durch seine neuen Konzepte, Wien mit Boarding Houses, Design Hotels oder Small Luxury Hotels zu überziehen. Er erscheint in den Medien als Retter der Kunst: Mit ein paar Gratisateliers für KünstlerInnen, eine zu vernachlässigende Größe im Immobilien-Imperium der Firma Lenikus, zementiert er dieses Image. Schließlich ist er ein Freund der Caritas, ein Freund Ute Bocks, ein Freund aller Engagierten, die Unterkünfte für Obdachlose oder Flüchtlinge suchen. Als die Caritas Decken erbetteln wollte, habe er geantwortet: Decken habe ich keine, sondern ein Haus.
Plötzlich wollen alle als Tellerwäscher angefangen haben
Der Kurier erlaubt ihm, sich als Opfer in der behördlichen Zwickmühle darzustellen. Die Bauoberbehörde habe ihm einen Abtragungsauftrag für die Spittelberger Liegenschaft Sigmundsgasse 5 erteilt. Das Bundesdenkmalamt dagegen fordere die Erhaltung des Gebäudes. «So oder so müssten wir Strafe zahlen und schuld sind wir sowieso», jammert Herr Lenikus. Die Presse ist entzückt, weil sie einen Kunstmäzen der alten Schule zu erkennen meint: «Es kommt in Wien selten genug vor private Unterstützung für junge Künstler: Der Immobilien-Entwickler Martin Lenikus stellt am Wiener Bauernmarkt leer stehende Wohnungen als Ateliers zur Verfügung. Kostenlos.» Und die Grüne Wirtschaft ermöglichte ihm, eine biografische Legende zu konstruieren: «Karriere vom Hilfsarbeiter Surflehrer Zinshauserben Schatzsucher Immobilienprojektentwickler zum Weinbauer, Investor und hoffentlich bald Hotelier» so informiert ihre offizielle Website. Martin Lenikus war nie in seinem Leben Hilfsarbeiter, und er wird es auch in seinen weiteren nicht sein.
«Mutwillige Devastierung eines altehrwürdigen Hauses durch den Eigentümer». War die Feststellung der Grünen des Jahres 2006 im Gemeinderat gelogen? Der Augustin ist im Besitz eines 30 Jahre alten Fotos. Es zeigt die beiden Häuser Sigmundsgasse 3 und 5. Ersteres erscheint in einem um Vieles erbärmlicheren Zustand als das Nebenhaus. Die Nummer 5 hatte nur das Pech, dass es bald in die Hände der Firma Lenikus fallen sollte. Heute ist es genau umgekehrt: Die gesunde Bausubstanz der Nummer 3 lässt die MieterInnen staunen über den Verfall der Nummer 5. Die Häuserzeilen in der Sigmundsgasse, der letzten erhalten gebliebenen Biedermeiergasse Wiens, wurden in den Jahren 1840 bis 1844 in einem Zug errichtet durch den gleichen Baumeister. Dass ausgerechnet auf Nummer 5 die Mieterschaft zum kollektiven Vandalismus neigte und so das Gebäude sukzessive entwertete, kann niemand ernsthaft behaupten. Ein Lokalaugenschein im Biedermeiergebäude, in das man vom Innenhof leicht eindringen kann (was der Augustin offiziell nicht empfehlen will), beseitigt die letzten Rätsel: Lenikus ließ das Innere des denkmalgeschützten Gebäudes derartig devastieren, dass selbst hartgesottensten SquatterInnen die Lust am Hausbesetzen vergehen würde. Laut Bürgerinitiative IG Sigmundsgasse war die Firma Tomic (Räumung und Handel mit historischen Baustoffen) vom Hauseigentümer beauftragt worden, Tür- und Fensterrahmen und den Parkettboden herauszureißen. Die Fußböden sind in einen Zustand zurückversetzt worden, dass man auf ihnen großflächig Erdäpfel anbauen kann.
Grüne Neubau gegen Grüne Wirtschaft
Der Augustin wollte wissen, wie die Grünen des 7. Bezirks (sie stellen dort den Bezirksvorsteher) zu den Machenschaften des Immobilienmaklers stehen. Hans Christian Briebauer, grüner Mandatar und Vorsitzender des Bauausschusses seines Bezirks: «2004 hab ich zum ersten Mal mit dem Haus zu tun gehabt. Es war damals abgewohnt, hat aber sonst durchaus nicht so schlecht ausgesehen. Lenikus hatte einen Dachgeschoßaufbau beantragt. Der Bezirk stimmte dem Projekt zu. Ein Jahr später war das Haus leer. Es gab ein Gutachten zur technischen Abbruchreife und die Einreichung eines Neubauprojektes. Zu diesem Zeitpunkt war der Zustand des Hauses so, dass Dachfenster permanent offen standen, hofseitig manche Fenster überhaupt fehlten. An Stelle des üppigen Gartens aus dem Jahr zuvor gab es nur Schutthalden. Die Neubauer Grünen haben die BewohnerInnen der Sigmundsgasse bei ihren Bestrebungen, die gesamte Straße unter Denkmalschutz zu stellen, unterstützt. Die eingereichten Neubauprojekte von Lenikus wurden vom Bauausschuss abgelehnt, unter anderem wegen des Tiefgaragenplans. Lenikus hat gegen alle Entscheidungen berufen und in nächster Instanz recht bekommen. Da sich der Bezirk gegen den Abbruch ausgesprochen hat, wurde ein weiteres Gutachten erstellt. Diverse Bauaufträge zur Sicherung des Bestands wurden von Lenikus ignoriert oder per Berufung bekämpft. Er hat derzeit von der Bauoberbehörde einen Abbruchbescheid. Dem widerspricht allerdings der Denkmalschutz», betont Briebauer.
Und zum Problem der grünen Glaubwürdigkeit: «Da die Neubauer Grünen der Ansicht sind, dass es keine Qualifiakation für einen Kandidaten der Grünen Wirtschaft sein kann, ein denkmalgeschütztes Haus bewusst verfallen zu lassen, haben wir vor der letzten Wirtschaftskammerwahl heftig unsere Bedenken geäußert, als wir erfahren haben, dass er kandidieren soll. Ich habe meinen Unwillen kundgetan, dass Lenikus dieser Tage in der Einladung zu einer Veranstaltung der Grünen Wirtschaft als Kandidat bezeichnet wurde. Wenn es anscheinend keinerlei Kriterien für eine Kandidatur gibt, dann frage ich mich, wozu wir eine Grüne Wirtschaft brauchen.»
Ein Anrainer, der beim Augustin-Lokalaugenschein diese klare Stellungnahme noch nicht kennen konnte, fordert von einer grün-dominierten Bezirksvertretung größeren Einsatz gegen Bauspekulation. Auch seine Einschätzung verdient eine Erwähnung: «Ein Gieriger bleibt ein Gieriger, auch wenn er tausendmal Ute Bock sagt».