Die Macht des WortesArtistin

Feministisches Publizieren

Bezeichnet man sich selbst als feministisch, kann man Verbündete finden, aber oftmals schlagen einem diffuse Ängste und Abneigung entgegen. Julia Grillmayr (Text) und Lisbeth Kovačič (Foto) haben drei Frauen besucht, die im Feld des feministischen Publizierens arbeiten – und die genau wissen, warum es sich lohnt, es sich nicht leicht zu machen.

«Ich musste die Komparatistik damals verlassen, weil ich eine feministische Diplomarbeit schreiben ­wollte», erinnert sich Anna Babka. Sie ist Professorin für Germanistik an der Universität Wien, wo sie auch studierte. In den fast 30 Jahren, in denen sie die Uni Wien von innen kennt, hat sich im Bereich feministischer Forschung doch einiges getan. Es gibt inzwischen ein Erweiterungscurriculum und ein Masterstudium in Gender Studies. «Das sind aber keine Leuchtturmprojekte», betont Babka, «es ist skandalös, dass es an der Uni Wien keine fixe Professur für Gender Studies gibt.»

Gemeinsam mit Gerald Posselt hat sie das Buch «Gender und Dekonstruktion» publiziert. Sie forscht im Bereich Postkolonialismus und Queer Studies, ihr Schwerpunkt ist Poststrukturalismus. Eine wichtige Grundannahme dieser Theorie-Traditionen ist, dass unsere Wirklichkeit in hohem Maße kulturell und sprachlich konstruiert wird. «Ich predige!», sagt sie in Bezug auf ihre universitäre Lehre schmunzelnd, aber durchaus ernst. «Das ist eine politische Arbeit.» Anders als gerne dargestellt wird, sei die Germanistik weder frei von Ethik noch von Politik. «Literarische Texte machen etwas, sie handeln, sie konstruieren unsere gesellschaftliche Wirklichkeit.» Und so werde implizit oder explizit in jedem Text auch das Verständnis von ­Geschlecht verhandelt.

Selbstverständlich?

Während es Uni–politische Strategien zur Gleichstellung der Geschlechter gäbe, die auch eingehalten würden, seien die handelnden Personen oftmals gar nicht feministisch. «Alle tun, als wäre das selbstverständlich, aber es ist ein täglicher Aushandlungsprozess», sagt ­Babka. Während die Studierenden ihr die Tür einrennen, würde ihr Fokus innerhalb des Faches wenig wertgeschätzt. Dabei verlangt die «Germanistik als eine emanzipatorische Wissenschaft nach gender-queer-feministischen Ansätzen», ist Babka überzeugt: «Mein Ziel wäre, dass man das nirgendwo mehr draufschreiben muss, sondern dass es zum Grundverständnis unserer Disziplin wird.»

Ein für das feministische Publizieren aktuell sowie historisch wichtiger Ort findet sich in der versteckten Kleeblattgasse im ersten Wiener Bezirk. 2012 hat hier die Buchhandlung ChickLit eröffnet – die Adresse für ein feministisches Sortiment an Prosa, Lyrik und Kinderbüchern, Wissenschaftliches und Philosophisches bis hin zu Comics, Musik und Postkarten. Wo heute die Bücherregale stehen, waren einst die Redaktionsräume der Zeitschrift AUF, die vom Verein zur Förderung feministischer Projekte herausgegeben wurde. Als die AUF eingestellt wurde, wollte man sichergehen, dass die Räume weiterhin der feministischen Sache dienen – ­ChickLit wurde ins Leben gerufen, gegründet von Paula Bolyos und ­Jenny Unger, die die Buchhandlung nach wie vor gemeinsam führen.

«Wir waren beide Quereinsteigerinnen im Buchhandel, und es war gar nicht leicht, ein Programm zusammenzustellen», erzählt Bolyos. Mit der Zeit haben sie herausgefunden, welche Verlage und Vertreter_innen für sie besonders interessant sind, aber sie betreiben sehr viel Recherche, um ihrem Schwerpunkt Profil zu geben. Wonach wird aktuell am meisten gefragt? «Lange war materialistischer Feminismus im Fokus. Jetzt gerade geht es viel um den Körper und um Lookismus [Diskriminierung aufgrund von Äußerlichkeiten, Anm. d. Redaktion]. Es erscheint viel zu Menstruation, und außerdem ist ‹Black Life Matters› ein großes Thema», erzählt Bolyos.

Kritik und Pastell.

Einen Fokus auf Feminismus legen, das heißt für die ChickLit-Macherinnen, neben Sexismen auch Diskriminierung aufgrund anderer Kategorien, etwa Klasse, Rasse oder Ethnie, einzublenden – eine Grundhaltung bzw. ein theoretischer Ansatz, der «Intersektionalität» heißt. Auch ist Bolyos wichtig zu betonen, dass in der Buchhandlung verschiedene Formen von feministischem Ausdruck koexistieren – denn natürlich gibt es auch innerhalb des Feldes unterschiedliche Auffassungen davon, was Feminismus ist und sein soll. Außerdem findet man dort neben klar gekennzeichneter feministischer Theorie auch Romane, die die Lebenswelt von Frauen abbilden, die aber nicht unbedingt feministisch gelabelt sind. «Entscheidend ist, dass die Bücher emanzipatorisch sind», sagt Bolyos. Und genau darum führe ChickLit auch keine chick lit.

Denn das Label chick lit wird auf Unterhaltungsliteratur geklebt, die nach einer bestimmten Schablone funktioniert: Es geht um unabhängige Frauen, die Karriere und Romantik unter einen Hut bringen müssen. «Es sind berufstätige Frauen, aber keine Überflieger», sagt Literaturwissenschaftlerin Sandra Folie. Die Karriere ist wichtig, aber noch wichtiger ist die Suche nach «dem Richtigen». Die Protagonistinnen sind allesamt weiße, heterosexuelle Frauen aus der oberen Mittelschicht. «Als Ausstattung gibt es manchmal einen homosexuellen Freund, der aber keine Bedeutung für die Handlung hat.» Folie schreibt an der Universität Wien ihre Dissertation über geschlechtsspezifische Genre-Bezeichnungen für Literatur und fokussiert im großen Feld der «Frauenliteratur» auf eben diese chick lit.

Das Label ist eine Vermarktungsstrategie, erklärt die Wissenschaftlerin – oftmals auch für Bücher, die dieser Formel gar nicht folgen. Der Buchmarkt setzt dabei auf eine bestimmte wiedererkennbare Ästhetik: «Auf den Buchdeckeln sieht man Silhouetten von Frauen in Stöckelschuhen, die Cocktail-Gläser halten, und alles ist pastellfarben.»

chick lit wird gemeinhin als Trivialliteratur gesehen. Das Genre mit einer Handbewegung wegzuwischen hält Folie aber für falsch. Diese Bücher würden von sehr vielen Menschen gelesen. «Außerdem finden sich auch in herkömmlicher chick lit oft kritische Elemente», sagt Folie. In Helen Fieldings Bridget Jones (1996) etwa, oft als einer der ersten Chick-lit-Texte verstanden, werde Sexismus am Arbeitsplatz thematisiert, feministische Literatur rezipiert, und es gebe Selbstreflexionen wie: Eigentlich sollte ich als emanzipierte Frau nicht vom «Ritter ohne Furcht und Tadel» träumen.

Frauenliteratur?

In Buchhandlungen zieren die Bezeichnungen Frauenliteratur und chick lit nach wie vor die Regale, in denen vorwiegend rosa-pastellfarbenen Bücher stehen. Aber auch Freche Frauen ist manchmal zu lesen, und vor nicht allzu langer Zeit war es üblich, von jungen Autorinnen als «literarische Fräuleinwunder» zu sprechen. «Diese Label gibt es überall», sagt Sandra Folie, «und sie funktionieren überall gleich: Sie infantilisieren die Literatur von Frauen.» Spätestens seit dem 18. Jahrhundert sei von Frauenliteratur die Rede, «und dieser Diskurs hat schon ambivalent begonnen». Einerseits bot das Label Frauen die Möglichkeit, überhaupt zu publizieren, andererseits waren ihre Texte damit gebrandmarkt: als pädagogische Literatur für Frauen, harmlos und als Kunst nicht ernst zu nehmen. Dies habe zu der paradoxen Situation geführt, dass Frauen unter männlichen Pseudonymen schrieben, um dem Stempel Frauenliteratur zu entgehen.

Genauso wie Anna Babka und Paula Bolyos, hat Sandra Folie die Erfahrung gemacht, dass man es sich mit einer ausgesprochenen feministischen Herangehensweise nicht einfach macht. Zumindest im deutschsprachigen Raum traue man sich kaum zu sagen, man mache feministische Literaturwissenschaft. Es herrsche nach wie vor die Meinung, dass dies mit wissenschaftlicher Objektivität inkompatibel sei. Es sei aber wichtig, sind sich alle drei einig, am Feminismus festzuhalten – an der Einstellung sowieso, aber auch am Begriff. «Wir wollen ja etwas weiterbringen», sagt Paula Bolyos. Und Anna Babka meint entschieden: Wer gegen den Feminismus arbeite, habe an der Universität nichts verloren.

Anna Babka organisiert Events beim Arbeitskreis ­Kulturanalyse, den sie mitbegründet hat. Infos und Termine: aka.univie.ac.at

ChickLit bietet Lesungen und Veranstaltungen in der ­Buchhandlung und hat einen neuen Online-Shop. Siehe: chicklit.at

Thesen zur chick lit und Einblick in ihren akademischen Alltag macht Sandra Folie auf ihrem Blog zugänglich: ­

chicklit.hypotheses.org

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