Die Milchbauern als Opfertun & lassen

Agrarförderung vertieft die Spaltung des Landes

Die Landwirtschaftskammern (LK) bilden sowohl aufgrund ihrer Rechtsstellung als auch wegen ihrer Einbindung in die Sozialpartnerschaft ein kleines, feines Machtzentrum, dessen Gewicht durch die Kooperation mit dem Raiffeisenverband auf wirtschaftlichem und dem ÖVP-Bauernbund auf politischem Gebiet gesteigert wird. Kritiker werfen den LK vor, die Klein- und Mittelbauern zur Durchsetzung der Interessen von Großagrariern und Gutsbesitzern zu instrumentalisieren.Im empfehlenswerten Buch «Im Kampf um ihr Rechte – Geschichte der Bauern und Bäuerinnen in Österreich» (2012 im Promedia Verlag erschienen), das er gemeinsam mit Josef Krammer verfasst hat, arbeitet Franz Rohrmoser, Mitbegründer der «Österreichischen Bergbauern- und Bergbäuerinnen-Vereinigung», den Mechanismus heraus, der zu diesem Missbrauch in der Agrarförderung führt.

Rohrmoser schildert den «Vorspannmechanismus», den er dafür verantwortlich macht, folgendermaßen: «1. In einem täuschenden Trick wird das Fördergeld anders begründet als verwendet. Das erfolgt durch Spaltung des Abwicklungsverfahrens. 2. Als Folge der Spaltung des Verfahrens werden die Bauern und Bäuerinnen selbst gespalten und zwar in eine untere Klasse zwei und in einer obere Klasse eins. Die Bauern der unteren Klasse – hier befinden sich die kleinen und mittleren Bauern – werden finanziell benachteiligt. Gerade diese Benachteiligung führt wieder dazu, dass sie zur Finanzierungsbegründung vorgeschoben werden. Ganz im Gegenteil zu den Bauern und Bäuerinnen in der oberen Klasse: Sie werden finanziell begünstigt, obwohl sie infolge ihrer ökonomischen Bedingungen bereits längst begünstigt sind.» (S. 160)

Zur Präzisierung heißt es weiter: «Zunächst geht es um die Aufbringung der Fördermittel und die Begründung gegenüber den Steuerzahlern. Die erfolgt in vielen Diskussionen, unter anderem in der Agrardebatte im Parlament. Hier wird von den Bauern und Bäuerinnen als Einheit geredet, von den Bauern als einer einheitlichen Berufsgruppe in der Gesellschaft. Ihr Einkommen wird im Vergleich zu vorangegangenen Jahren dargestellt. Die spezifische Situation in der Landwirtschaft wird besprochen, und die wirtschaftlichen Engpässe werden im Vergleich zu ihren öffentlichen Leistungen aufgezeigt. Diese ganze Diskussion wird auf der Basis der Einheit der Bauern geführt. Und basierend darauf werden die nächsten Fördermittel bzw. das Agrarbudget gefordert und mit der allgemein angespannten Lage der Bauern und Bäuerinnen begründet. Die offene Diskussion über Ungleichheiten der Einkommen, vor allem der Ungleichheit der Förderungen wird verhindert, schon gar nicht wird über die hier ersichtliche der Bauern in zwei Klassen gesprochen. Darüber herrscht in der laufenden Debatte strenge Schweigepflicht. Diese Schweigepflicht schafft die Basis dafür, dass der gängige Missbrauch sich wiederholen kann: Die Agrardebatte wird einseitig auf die Mittelbegründung beschränkt.» (S. 160 f.)

Den zweiten Schritt in der Nutzung des «Vorspannmechanismus» beschreibt Rohrmoser so: «Kommen wir nun zum abgespaltenen zweiten Teil des Vorgangs, nämlich der Definition der Förderkriterien und darauf basierend die Mittelverteilung. Bei diesem zweiten Vorgang ändern sich verdeckt sowohl die Prioritäten als auch die Zielgruppen. Hier tritt die Klasse eins der Bauern auf den Plan, die genannte Elite und Agrarlobby hat mit Hilfe der von ihr korrumpierten Agrarpolitiker und Berufsvertreter die Definitionsmacht der Förderkriterien in ihren Händen und verschafft sich somit den Zugriff auf den Fördertopf bzw. bereichert sich selbst.» (S. 161)

Klassenspaltung von außen nicht ersichtlich

Über die Folgen dieser Spaltung heißt es: «In diesem Vorgang der Spaltung zwischen Mittelaufbringung und Mittelvergabe liegt der Betrug, denn die Fördermittel werden anders vergeben als begründet. Öffentlich wird die Spaltung der Bauern in eine benachteiligte und eine begünstigte Klasse verschwiegen. Im Vorschieben und Benutzen der unteren Klasse der Bauern sowie deren Armut liegt der Missbrauch der armen Bauern sowie die Täuschung der Steuerzahler.» (S. 161)

Rohrmoser erläutert dieses «Spiel» unter anderem am bisher vergeblichen Versuch der kleinen und mittleren Milchbauern und -bäuerinnen, von der ständigen Erweiterung der Kontingente in der Milchlieferung wegzukommen. Da Großagrarier und Molkereioligopol mit dem bestehenden System profitabel unterwegs sind, haben sie an Änderungen kein Interesse. Mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Milchbauern und -bäuerinnen zwischen 1995 (dem Jahr des EU-Beitritt Österreichs) und 2009 von mehr als 83.000 auf rund 30.000 zurückgegangen ist.

Rohrmoser entlarvt den Mechanismus, wie die Bauern schon immer vor die Interessen der Großagrarier gespannt wurden und werden. Was vielleicht fehlt, sind konkrete Details und die offene Benennung der Täter in Österreich.

Josef Krammer/Franz Rohsmoser, «Im Kampf um ihre Rechte – Bauern und Bäuerinnen in Österreich», Promedia Verlag, Wien 2012, 198 Seiten, Preis: € 17,90.

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