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Eine Linie. Am einen Ende stehen die Ärmsten, am anderen die Reichsten. Wenn man nun fragt, auf welcher Position dieser Linie sich die Reicheren einschätzen würden, dann zeigen sie auf die Mitte. Fragt man die Ärmeren, wo sie sich selbst sehen, ordnen sie sich ebenfalls ein: in der Mitte. Das ist der Grund, warum sich die Figur der Mitte so gut eignet, die wahren Verhältnisse zu vernebeln.Denn die Mittelschicht ist offensichtlich eine Sache des Standortes. Sie ist meist dort, wo die Meinungseliten sie haben wollen. Am liebsten bei 4000 Euro. Das ist das in Parlamentsreden und Chefredakteurskommentaren am häufigsten genannte Einkommen. Die Mitte wird tendenziell zu hoch geschätzt. In Wirklichkeit beträgt der Median – die Mitte der Einkommen Angestellter 1995 Euro, von ArbeiterInnen 1605 Euro brutto. Nimmt man das Haushaltseinkommen, also das gesamte verfügbare Einkommen eines Monats, mit dem eine Person lebt, dann befindet sich die Mitte der Median bei 1478 Euro netto. Wenn Kommentatoren von der Mittelschicht mit 3500 Euro Einkommen schreiben, dann sprechen sie von 9,8 Prozent aller Einkommensbezieher. Das soll die Mittelschicht sein? Da gehen versteckte Interessen einer kleinen Minderheit ab durch die Mitte und Omas und Häuslbauer werden verwendet, um die eigentlichen Interessen zu verschleiern. Nimmt man die Vermögen her, dann löst sich die Mittelschicht überhaupt in Luft auf. Die Konzentration ganz oben ist so hoch, dass die Mitte davon fast nichts mehr hat. 45 % haben hohe Immobilienvermögen, 48 % ganz wenig, und nur 7% stellen die mittlere Gruppe. Auch beim Geldvermögen ist die Mittelschicht am kleinsten, nur 15 %. Fast alles liegt in den Händen der obersten und reichsten 10 Prozent konzentriert.
Die Finanzkrise hat die Staatsverschuldung stark erhöht – und diese Kosten wird erneut allein die Mittelschicht tragen, wenn sie sich nicht aus ihrem verqueren Bündnis mit den Vermögenden löst.
Mittlere und untere Einkommen wurden immer stärker durch Massensteuern und den Faktor Arbeit belastet, während die obersten 10 Prozent entlastet wurden. Die Sparpakete streichen jetzt Familien- und Pflegeleistungen, die gerade auch die Mitte unterstützen. Von der ökonomischen Entwicklung haben im letzten Jahrzehnt besonders die obersten 10 Prozent profitiert, die untersten Einkommen haben verloren, und die Mitte wurde unter Abstiegsdruck gesetzt. Früher hatten die Eltern zu ihren Kindern gesagt, du sollst es einmal besser haben. Jetzt sagen sie, hoffentlich hast du es nicht schlechter.
So stimmt die Mittelschicht für Steuergesetze, die die Oberschicht einseitig privilegieren. Die Mittelschicht benimmt sich völlig irrational. Weil sie zu viel Energie in die Verachtung der Unterschicht steckt und dem fatalen Glauben anhängt , sie sei privilegiert. Diese Mittelschichtslüge liegt im Interesse von Leuten wie dem ehemaligen Banker Thilo Sarrazin. Sarrazin glauben heißt am eigenen Abstieg bauen. Die Folge: Die Reichsten rechnen sich arm, während die Armen reich gerechnet werden. Und die Mitte zahlt dafür.