Die Mizzi-TanteDichter Innenteil

Mein verstorbener Mann war Uhrmachermeister von Beruf. Damit setzte er eine lange Tradition fort, denn schon seine Großeltern mütterlicherseits hatten dieses Handwerk betrieben.

Diese Großeltern hatten vier Töchter, deren jüngste später meine Schwiegermutter werden sollte. Nach dem Willen ihrer Eltern sollten die vier Mädchen in allem gleichgestelt sein. Alle vier erlernten das Uhrmacherhandwerk, und keine von ihnen sollte jemals heiraten und eine eigene Familie gründen. Denn sie alle waren für die spätere Pflege und Versorgung ihrer Eltern vorgesehen. Nun lernte aber meine spätere Schwiegermutter einen jungen Mann kennen. Der war Chemiker von Beruf und hatte saubere Fingernägel, was ihre Eltern zu der Bemerkung veranlasste:«Wahrscheinlich greift er keine Arbeit an.» Gingen die jungen Leute einmal aus, etwa ins Kino, so musste stets eine der Schwestern mitgehen und sich zwischen die beiden setzen, damit nichts «Unanständiges» stattfinden konnte. Die Familie war total aus dem Häuschen und beratschlagte, was gegen diese Verbindung zu unternehmen war.

 

Schließlich kam man zu dem Schluss:«Wenn sie schon unbedingt heiraten will, dann soll es wenigstens ein Uhrmacher sein!» Tatsächlich trieb man einen solchen auf, einen gewissen Roscher. Was sich dann abspielte, möchte ich gerne die Mizzi-Tante erzählen lassen, denn sie hatte eine sehr altmodische Art zu reden, die ich der Leserschaft nicht vorenthalten will. «Ja,» begann sie an meinen Mann gewandt, dem sie irgendwie die Schuld gab, dass aus ihrer Schwester und dem Roscher nichts geworden war, «da simma in die Wachau g’fahrn, und da hamma uns auf einer Wiese gelagert, und deine Mutter ist dem Roscher im Arm gelegen – aber Näheres ist nicht passiert, denn bei uns wurde sehr auf Sitte geachtet. Und ich hab mir schon gedacht: Na fein, jetzt kann ich dem Vater berichten, dass die Sache geklappt hat! Und am nächsten Tag sitz‘ ma bei Tisch und da krieg’n ma die Botschaft: Der Roscher hat sich aufgehängt.» An dieser Stelle ihrer Erzählung war es mit meiner Beherrschung vorbei:«Wieso denn,» prustete ich los, «wäu er de heiraten hätt‘ soll’n?!»

 

«Sie, das ist nicht lustig, das ist traurig!» fuhr mich die Mizzi-Tante an. Jedenfalls hat meine Schwiegermutter dann doch ihren Chemiker geheiratet und bald darauf wurde mein Mann geboren. Weil alle vier Schwestern immer das Gleiche haben sollten, trachtete die Familie nun, auch die anderen drei unter die Haube zu bringen, und für die Schwester Rosl hatte man den so genannten kleinen Pepi ins Auge gefasst. Dieser hatte seinerzeit als Uhrmacherlehrling seine Ausbildung im Geschäft der Familie absolviert und war nun ein fertiger Geselle. Der Pepi war aber nicht blöd. Ja, sagte er, er würde die Rosl nehmen, aber nur, wenn er das Geschäft dazu bekäme. Daraufhin wurde er von der Familie als Mitgiftjäger mit Schimpf und Schande davongejagt.. Der Pepi ist dann nach Amerika gegangen und hat dort eine Amerikanerin geheiratet, und als beide schon über achtzig waren, ist sie ihm mit einem anderen stiften gegangen. Was die Mizzi-Tante zu der Bemerkung veranlasste:«Jaja, es ist ihm heimgekommen, was er meiner Schwester angetan hat…» Meine Schwiegermutter, der kleine Pepi, die Mizzi-Tante – sie alle haben längst das Zeitliche gesegnet. Macht nichts, Tante Mizzi, Hauptsache du bleibst in unserer Erinnerung und in deinem Grab…

 

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