«Die Natur schlägt zurück»Artistin

Dramatiker Thomas Köck im Interview

Klima, Jungen, Zukunft – drängenden Fragen unserer Zeit stellt sich der junge

Dramatiker Thomas Köck in seinen Texten. Jetzt führt er erstmals auch Co-Regie.

Veronika Krenn hat mit ihm über zwei ­seiner aktuellen Stücke gesprochen.

Foto: Schauspielhaus/Matthias Heschl (die zukunft reicht uns nicht / klagt, kinder, klagt!)

paradies fluten. verirrte sinfonie – teil 1 der klimatrilogie des gebürtigen Oberösterreichers Thomas Köck ist ein Werk, das aus der Maßlosigkeit schöpft. Der Bogen reicht über die Geschichte kolonialer Ausbeutung und macht vor der Gegenwart neoliberaler Selbstausbeutung nicht Halt. Das monumentale Stück ist der erste Teil seiner 2017 bei Suhrkamp veröffentlichten Klimatrilogie und wird derzeit in einer barocken Inszenierung im Akademietheater in hochpoetische, flirrende Bilder gegossen. Seine erste Co-Regie bei seinem Stück die zukunft reicht uns nicht (klagt, kinder, klagt!), eine kluge «Kantate» für einen Chor von Jugendlichen, wird im Juni am Schauspielhaus Wien wiederaufgenommen. Das Stück blickt – mit unbestechlichem Auge – aus einer fernen Zukunft zurück auf unsere Zeit, «in der es nicht ohne hässliche Bilder» gegangen sein wird.


Apropos Klima, wie stellt sich für Sie derzeit das Klima in der Welt und in Österreich dar?

Der Planet scheint insgesamt zu überhitzen, genauso wie die Ökonomie leer durchdreht und auf jeden Fall weiter Wachstum produzieren möchte, auch wenn schon alles überlastet ist. Da reißen dann wieder die alten Gräben auf, weil die Rechtskonservativen sich einen starken, durchtrainierten, vollverschlankten Staat wünschen, in dem das Geld frei flottieren kann, zumindest an der Spitze. Und dafür nimmt man dann halt diese Risse und Spaltungen in Kauf.

Welche Stadien und Formen eines Klimawandels werden in der Klimatrilogie erzählt?

Von der Überflutung, der Vereisung bis zur Überhitzung hab ich versucht, allem gerecht zu werden. Auch die Wüste kommt vor. Und natürlich geht es immer um den natürlichen wie um den kulturellen Klimawandel. Da parallelisiert sich gerade etwas, die Natur schlägt zurück. Auf allen Ebenen. Die Rechtskonservativen reden ja auch von Natur, wenn sie das Rauchverbot aufheben und mit 140 über die Autobahn brettern wollen. Das ist für die der natürliche Weg. Das sind dann diese vielen Risse, durch diese klimatische Überbelastung, durch die nur wieder die ewig gestrigen Untoten zurückkommen.

Hat das Regieführen bei klagt, kinder, klagt! ihr Schreiben verändert?

Ich habe jetzt eine wahnsinnige Lust auf eine ganz konkrete, messerscharfe Sprache für Chöre. Ich würde am liebsten nur noch für Chöre schreiben, aber es gibt ja heute so wenig festangestellte Chöre an Theatern. Es wollen ja alle lieber als tragische Hauptfiguren verrecken. Ich suche jetzt eher nach Möglichkeiten, mehr mit freilaufenden Chören um die Häuser zu ziehen. Die haben oft mehr zu sagen als so einzelgängerische, tragische Helden.

Was bringen die Jugendlichen bei klagt, kinder, klagt! ein?

Sie lassen sich sofort auf die Idee eines Chors ein und arbeiten aktiv an der Form mit. Versuchen Sie mal, 14 Profi-Schauspieler_innen dazu zu bringen, für den Chor hinter den anderen Spielenden zu verschwinden. Es gibt die Tendenz hin an die Rampe, hin zum Individuellen und Tragischen. Das sind die Spuren einer Ausbildung zu Rollen und zu Typen, nicht zur Sprache, zum Text und zum Körper.

Was kann der Chor auf der Bühne und welche Funktionen haben die Figuren?

Chöre können alles und sind in ihrer gemeinschaftsbildenden Funktion für mich das Herz im Theater. Sie sind ja auch unsterblich, sie unterliegen nicht den tragischen Schicksalen von Figuren, sie können sich deshalb auch erlauben, als viele zu sprechen und sich zu verlaufen in der Sprache und wo anzukommen, wo Figuren vielleicht nie hinkämen. Sie können Texten auch eine ganz andere Dimension verleihen. Aber Chöre brauchen Reibung. Figuren verleihen dem Chor ja erst die schmerzhafte Dimension, die wir alle gut kennen, einmal Teil einer Bewegung gewesen zu sein, oder es gern wieder sein zu möchten. Und gleichzeitig sind wir solchen Bewegungen gegenüber sehr skeptisch. Wir wissen ja, wo Massenbewegungen hingeführt haben. Diese Reibung finde ich interessant.

In Ihren Stücken findet sich oft eine große historische Spannweite. Was sehen Sie, wenn Sie sich im Wandel der Zeit den Begriffen Prekariat und Ausbeutung zuwenden?

Ich glaube, man kann damit aufhören, von Postdemokratie zu sprechen, wir stecken mitten im Präfeudalismus, was Prekarität, Eigenverantwortung und Rückzug des Sozialstaats betrifft. Die USA werden bereits als eine Oligarchie beschrieben und die Wünsche und dahinterstehenden Gesellschaftsmodelle der türkis-blauen Regierung in Österreich sprechen für sich.

Wenn Sie zurückschauen auf Ihre Texte: Was hat sich verändert an der Art, wie Sie schreiben?

Ich habe mittlerweile ein bisschen eine Ahnung von dem, was ich schreibe.

paradies fluten. verirrte sinfonie – teil 1 der klimatrilogie

18. Feburar, 19 Uhr, weitere Termine folgen

Akademietheater Wien

3., Lisztstraße 1

www.burgtheater.at

die zukunft reicht uns nicht (klagt, kinder, klagt!)

Wiederaufnahme: 13. Juni

Schauspielhaus Wien

9., Porzellangasse 19

www.schauspielhaus.at