Die Reise der VerlorenenDichter Innenteil

Aus der KulturPASSage

«Wenn ich dieses Schiff hereinlasse, was ist dann mit dem nächsten Schiff? Welches ist das Schiff, bei dem ich sagen muss, es ist das letzte? Da ich früher oder später zu irgendeinem Schiff nein sagen muss, warum nicht gleich zu diesem?»

Foto: © Jan Frankl

Das klingt doch sehr nach einer aktuellen Schlagzeile aus Österreich oder der Europäischen Union? Doch, obwohl uns dieses Verhalten so vertraut vorkommt, wurde diese Aussage bereits 1939 getätigt. Genauer gesagt waren es die Worte des kubanischen Staatspräsidenten Laredo Brú (hervorragend gespielt von Michael Dangl), als die St. Louis mit 937 jüdischen Flüchtlingen an Bord anlegen wollte, um diesen Menschen die Freiheit zu ermöglichen. Von Hamburg aus waren sie gestartet, um ihr Leben vor dem Holocaust zu retten.

Daniel Kehlmann hat aufgrund der Aufzeichnungen dieser wahren Geschehnisse (Voyage of the Damned) ein Buch geschrieben, in dem er diese aufwühlende Flucht, auch anhand einiger Einzelschicksale erzählt. In der Welturaufführung im Theater in der Josefstadt, unter der Regie von Janusz Kica, kann man hautnah mit dabei sein, kann die Enge im Bauch des Schiffes spüren, dargestellt von 50 Akteur_innen auf der Bühne, und man erlebt die Hoffnung in den Gesichtern jeder einzelnen Person. Auch viele einzelne Menschen lernt man kennen, dadurch entsteht nicht der Eindruck einer anonymen Masse. Unter diesen Charakteren ist da z. B. die etwas verrückte Tante, sehr überzeugend von Therese Lohner gespielt, auch Roman Schmelzer als Lehrer für Hebräisch will ich herausheben, er hat mir sehr gut in dieser Rolle gefallen. Die anderen Personen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten sind auch gut besetzt, unter anderen mit Marie Köstlinger und Sandra Cervik.

Neben den Ängsten und Hoffnungen an Bord ist zu sehen, wie viele Menschen mit diesen Ängsten Geschäfte machen, wie viel Berechnung und Manipulation hinter den angeblichen Hilfsaktionen steckt. Beängstigend gut spielt in diesem Zusammenhang Raphael von Bargen den Nazioffizier Otto Schiendick. Auch überzeugend ist der Hausherr, Herbert Föttinger, als Kapitän Schröder. Sicher auch eine dankbare Rolle neben all den fiesen Typen, für die ein Menschenleben nichts zählt. Dieser Kapitän Gustav Schröder war es, der die 937 Juden, die 937 Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen hat. Das stellte sich als schwierig genug dar, da die Flüchtlinge in keinem Hafen Aufnahme finden konnten. Meist scheiterte es an der Bürokratie, was gleichbedeutend mit dem Wort Ausrede ist. Wenigstens ein Individuum, ein Mensch, der für andere Menschen Verantwortung übernommen hat und eine schier endlose Irrfahrt auf See unternommen hat, bis jede einzelne Person an Land und in Sicherheit war.

Immer wieder wird versucht, Verständnis für das unwürdige Handeln gegenüber anderen Menschen aufbringen zu müssen, weil diese ja gar keine andere Chance hatten, als mitzumachen. Wissen Sie, wie Sie gehandelt hätten? Natürlich kann man diese Frage nur schwer beantworten, trotzdem kann und muss man eine Gesinnung haben, zu der man steht.

Damit will ich mich nicht erdreisten, ich wäre in den Kriegsjahren ein Gustav Schröder oder gar ein Oskar Schindler gewesen, aber ich hätte wahrscheinlich auch damals meine Wahlstimme nicht jenen gegeben, die mit ihrem Gedankengut diese Ausgrenzungen erst möglich gemacht haben.

INFO

Theater in der Josefstadt

8., Josefstädter Straße 26

www.josefstadt.org