Die SchwesternDichter Innenteil

Illustration: Carla Müller

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (März 2022)

Hüseyin hat trotz der Pandemie, obwohl er oft zu Hause arbeitet, intensive Arbeitsprozesse.

Mit seinen Schwestern hat er gestern via Videotelefonie gesprochen. Die älteste Schwester hat selbst kein Handy. Über das Handy ihrer Tochter verwendet sie das erste Mal diese Form von Kommunikation. Mit der jüngsten Schwester telefoniert Hüseyin über WhatsApp sehr oft. Aber die älteste Schwester hat er seit zwei Jahren nicht gesehen und nicht gehört. Sie alle reden über ihre Krankheiten. Sie sind alt geworden, die Schwestern. Die älteste Schwester hat viele Enkelkinder. Im Winter ist sie in Elâzığ und im April fahren sie und ihre Familie ins Dorf. In der Stadt sind sie meist krank und in den Wohnungen. Das soziale Leben, das sie haben, besteht darin, die anderen Verwandten, die auch in der Stadt in dem gleichen Bezirk leben, zu besuchen. Die Mutter und der Vater Hüseyins werden auch besucht. Ins Kino oder Theater zu gehen, ist in dieser Stadt nicht vorstellbar. Theater gibt es in dieser Vierhunderttausend-Einwohner_innen-Stadt sowieso keine. Kino hat man zu Hause. Jeder Haushalt empfängt viele Sender. In der Türkei gibt es 350 TV-Kanäle. Wenn man einen Film anschaut, der eineinhalb Stunde dauert, sind zwei Stunden zusätzlich Werbung. Bis man sich einen Film fertig angeschaut hat, muss man zwei Stunden Werbung über sich ergehen lassen! Dann gibt es Serien, die in der Türkei sehr populär sind. Manche dieser Serien dauern Jahre. Und man stelle sich vor, wie viel Werbung man sich während einer Serie anschauen muss. Die älteste Schwester fragt den Hüseyin, wann er denn wieder im Dorf sie besuchen kommt. Sie haben nämlich Sehnsucht nach dem Hüseyin. Während des Gesprächs reden sie über Ereignisse in der Kindheit. Die älteste Schwester war immer die Schützende.

Hüseyin macht sich an einem schönen sonnigen Tag auf den Weg nach Hause. Als er in der Gasse ankommt, wo er wohnt, sieht er, wie eine Asiatin, die im untersten Stockwerk wohnt, und deren Wohnung keine Sonne sieht, ihre Blume herausgebracht hat und mit ihr die Sonnenstrahlen des beginnenden Frühlings genießt. Der Nachbar im gleichen Haus lehnt sich aus dem Fenster im ersten Stockwerk hinaus, wie jeden Tag, und telefoniert.

Hüseyin wünscht euch sonnige Tage.