Augustinverkäufer Johann
Den Gottfried kennt jeder. Den Augustin-Tagebuch-Schreiber. Der hat mir was angetan. Er hat mich um ein paar Monate zu spät auf den Augustin aufmerksam gemacht. Als er mich zum Augustin mitschleppte, war ich schon zu tief drin im Alkohol. Ein paar Monate früher, und ich wäre schon damals zu retten gewesen. Der Augustin hätte das richtige Personal dafür gehabt. Aber das konnte der Gottfried ja nicht wissen.
Foto: Mario Lang
Als ich also zum Augustin kam, war ich ein aggressiver, streitsüchtiger Verkäufer. Ein vom Alkohol in die Psychiatrie geratener Weststeirerbua. Manche Leute fürchteten sich vor mir. Die Sucht durchkreuzte alle meine Vorhaben. An eine Weiterführung des Studiums der Veterinärmedizin, das mich aus der Weststeiermark nach Wien gelockt hatte, war nicht zu denken, und beim Augustin geht auch nichts, wenn du dauernd besoffen bist. Das galt auch für meine erste Phase beim Stimmgewitter.
Was immer der Augustin über die psychiatrische Anstalt schreibt – den Leuten vom Otto-Wagner-Spital verdanke ich, dass ich heute keinen Alkohol mehr trinke. Meine Betreuer verzichteten darauf, mir den Alkoholismus mit Pharmazeugs auszutreiben. Auch so was gibt´s. Andernfalls hätten sie die Biersucht in eine Tablettensucht umgewandelt. Die Betreuer ermutigten mich auch, die Verbindung mit dem Augustin zu bewahren. Ganz anders als vorher eine Caritas-Betreuerin, die mich vor dem Augustin zu warnen müssen glaubte.
Als ich meine sieben Zwetschken so halbwegs wieder zusammen hatte, handelte ich diesen Warnungen zuwider und kehrte zum Augustin zurück. An dieser Stelle muss ich eine zweite Augustin-Figur nennen, die für mich weichenstellend war. Heidi redete mir ein, mich noch einmal beim Stimmgewitter zu melden. Weil ich schon jahrelange Straßenmusikerfahrungen mitbrachte, nannte mich Stimmgewitter-Koordinator Mario einmal auf einer Bühne «den einzigen Musiker» des Chors. Ich protestierte dagegen. Dank Mario war das Stimmgewitter inzwischen weit professioneller als ich. Ich war abhängig von einem Notenständer, für mich war wichtig, zu sehen: Jetzt hast du zehn Takte Pause, dann bist du wieder dran. Seit meinem Wiedereinstieg beim Stimmgewitter kämpfe ich mit Lampenfieber. Erst in letzter Zeit geht´s mir langsam besser.
Musik mach ich seit meinem sechsten Lebensjahr. Es begann mit Flötenunterricht. Mit elf war Flöte nicht mehr drin, sie musste durch eine E-Gitarre ersetzt werden, denn die Vorbilder waren die Stones, Uriah Heep und Pink Floyd. Meine Köflacher Band nannte sich Black Sherry. Der Kaplan ging mit der Zeit und holte uns rein in seine Kirche, wo er die sogenannte rhythmische Messe einführte, ein Programm gegen die Abwanderung der Jugend aus dem Christentum. Irgendwie wurde dann der Irish Folk zum Hype, und ich vertauschte die E-Gitarre mit der akustischen. Meine Zeit als Straßenmusikant begann, ich lernte Europa kennen, und dank meiner Gitarre brauchte ich kein Geld dafür.
Heute bin ich nur noch im Ausland, wenn das Stimmgewitter wieder auf Tournee ist. Ich sage euch: Es ist nicht leicht für einen Ex-Säufer, neben trinkenden Kollegen clean zu bleiben. Ich bin aber auch Straßenmusiker geblieben. Ich bin zwar Steirer, aber «I wü ham noch Füastnföd» dürft ihr von mir nicht erwarten. Besucht mich Samstagvormittag im Durchgang des Friedrich-Engels-Platzes. Wahnsinns-Akustik! Und man muss sich dort gar nicht anmelden. Es steht auch keine Kirche dort, die so manchen Straßenmusiker zum Verzweifeln bringt. Denn die Straßenmusikverordnung zwingt dich, einen mindestens 50 Meter langen Abstand zur Kirche einzuhalten – auch wenn dort schon lange keine rhythmische Messe mehr abgeht. Schwer zu verstehen …