Die Sprache des Chefanalystentun & lassen

Wenn Raiffeisen von «Reformen» redet, droht Klassenkampf von oben

Die Raiffeisen Bank International (RI) ist jenes Institut der vermeintlichen Bauernselbsthilfe-Organisation, das in Zentral- und Südosteuropa in Sachen Profitjagd unterwegs ist und vorerst ordentlich Kohle in die Zentrale am Wiener Stadtpark bringt Jahresüberschuss 2011 vor Steuern: rund 1,4 Milliarden Euro.Was einst als Darlehenskassa für Saatgut und Maschinen begann ist heute eine Bankorganisation, die nach eigenen Angaben auf 17 Märkten tätig ist, 59.000 Mitarbeiter_innen beschäftigt, 13,8 Millionen Kund_innen begrüßen darf und über 2900 Geschäftsstellen verfügt. Eigentümerin des Bankhauses ist zu 78 % (indirekt) die Raiffeisenzentralbank, der Rest wird als Streubesitz an der Börse gehandelt. Noch laufen die Geschäfte gut, die RI zahlte als einzige Großbank Österreichs für 2011 eine Dividende, 1,05 Euro pro Aktie gingen an die Kuponschneider. Dass es in Europa gewaltig rumort, ist bekannt, was einerseits Staatsschulden genannt wird, sind andererseits zinsberechtigte Guthaben in Form von Staatsanleihen in den Büchern der RI. Das Interesse an stabilen und geordneten Haushalten in Europa ist so für die RI ein nachvollziehbares Interesse an der Möglichkeit, Dividenden zu verdienen.

Der Chefanalyst der RI, Peter Brezinschek, weiß, welche Instrumente dazu nötig sind. Im Jargon eines Regionaldirektors des IWF (Internationaler Währungsfonds) sagt Brezinschek beispielsweise zu den aktuellen Problemen Spaniens: «Wichtig ist hier eine Balance zu finden, dass man langfristig strukturelle Maßnahmen umsetzt; die Arbeitsmarktreform wäre so eine richtige Maßnahme, leider kommt hier sehr viel Widerstand von der Opposition und vor allem von den Arbeitnehmern.» 1) Wir übersetzen den harmlos scheinenden Politsprech gerne in konkrete Sprache: «langfristig strukturelle Maßnahmen» Staatsausgaben für Soziales, Bildung, Gesundheit etc. runter, Investitionsanreize (Geschenke) für Kapitaleigner erhöhen. «Arbeitsmarktreform» u. a. Kündigungsschutz aufweichen (das nennt man Flexibilität), weniger Kohle für die Arbeiter_innen, mehr Profit für die Unternehmen. «Widerstand von der Opposition» in Spanien regieren derzeit die Konservativen. «Widerstand von den Arbeitnehmern» ungeheuerlich, die Gewerkschaften erlauben sich zu protestieren.

Die «Strukturreformen» Unternehmenssteuern senken, Massensteuern erhöhen dürften Brezinschek ein Herzensanliegen sein: Dem «Wirtschaftsblatt» 2) sagt der Chefanalyst, Russland, Polen und Rumänien seien künftig interessant, «sofern die Strukturreformen weitergehen und die politische Situation dort nicht noch einmal eskaliert». Auch hier ist die Botschaft: Bitte den Arbeitsmarkt brauchbar für die investierenden Unternehmen herrichten, die politische Situation möge nicht «eskalieren», also Ruhe!, keine Demos, keine Gewerkschaftsagitation, dann kommen wir und investieren, auf dass die Dividenden fließen.

Das Geschäftsergebnis 2011 der RI birgt einen Wermutstropfen: 2011 fuhr die RI in Budapest einen Verlust von 328 Millionen Euro ein. Für die Zentrale in Wien bedeutete dies, der ungarischen Auslandstochter frisches Kapital von rund 300 Millionen zuführen zu müssen. Risikovorsorgen für wackelnde Kredite kosteten stolze 478 Millionen Euro. Die von der Orban-Regierung erzwungene Zwangskonvertierung von Fremdwährungskrediten schlug sich mit rund 76 Millionen Euro zu Buche. Diese 76 Millionen werden jetzt von der RI eingeklagt, denn die Giebelkreuzler sehen das «Investitionsschutzabkommen» zwischen Österreich und Ungarn verletzt.

In Polen hat die RI jüngst die Polbank übernommen, jetzt soll die Expansion Pause machen. Hintergrund ist die von der EBA (Europäische Bankenaufsicht) geforderte harte Kernkapitalquote von 9 %. Für Raiffeisen bedeutet dies derzeit eine Kapitallücke von 2,1 Milliarden Euro. Die Genossenschafter sind zuversichtlich, bis zur Jahresmitte weit mehr Geld organisieren zu können. Drei Milliarden Euro sollen in die Kassa wandern. Werkzeuge dafür sollen u. a. Gewinneinbehaltungen und die Umwandlung von privatem Partizipationskapital in Stammkapital sein.

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