Verdacht auf organisiertes, profitorientiertes und aggressives Schreiben
Kaum öffnen im Spätsommer die Adventmärkte, fallen die österreichischen Medien über Bettelnde her. Das geschieht in einer Eintracht, die ganz und gar nicht zufällig ist.Die erste Attacke kommt heute übers Radio. In einer sogenannten Morgenshow warnt der Moderator vor den «Bettelbanden», die nun gerade in der Vorweihnachtszeit zu einem großen Problem würden. «Diese Krüppel sitzen vor den Geschäften herum und verderben so der Kundschaft, sich selbst eine Freude zu machen», sagt er, wobei nicht ganz klar ist, womit sich diese Kundschaft vor den Geschäften normalerweise «selbst eine Freude» macht.
«Das wirklich Schlimme ist ja», hetzt der Sprecher weiter, «dass diese organisierten Bettler denen das Geld wegnehmen, die es wirklich brauchen.» Will er uns damit sagen, der Handel würde das Geld viel dringender brauchen als die Bettelnden? Wohl kaum. Wahrscheinlich hat er sich nur ungeschickt ausgedrückt, denn die von den Kapos der Journalist_innen-Mafia vorgegebene Lüge (wie wir sie alle über die Jahre ins Hirn getrichtert bekommen haben bis sie zum Common Sense wurde) lautet: Gebt Bettelnden kein Geld, denn das kommt nur den Hintermännern zugute, den Kapos der Bettelmafia, und nicht den armen von ihnen ausgebeuteten Menschen, die es wirklich brauchen.
Den zweiten Überfall erleide ich dann in der Straßenbahn durch eine dieser Zeitungen, die man mit den Füßen umblättert. «Bettler-Mafia: Weihnachtsoffensive» steht da in fingerdicken Buchstaben, und allein diese Überschrift zeigt mir erneut, dass wir es hier – auch wenn das manche hartnäckig leugnen – mit einer streng organisierten Journalist_innen-Mafia zu tun haben. Denn es kann wohl kein Zufall sein, dass von ganz verschiedenen Journalisten und Journalistinnen in unterschiedlichen Medien und Bundesländern die exakt selbe Methode angewendet wird, mitunter sogar dieselben Gewalt-Metaphern gebraucht werden, um Bettelnde als eine Bedrohung kriegerischen Ausmaßes darzustellen: Neben «Offensive» und «Großoffensive» kommen Ausdrücke wie «Belagerung», «im Visier haben», «in Horden einfallen», «Bettler-Armee», «Invasion» und «generalstabsmäßig» in nahezu allen Medien des Landes beinahe gleichzeitig, quasi im Gleichschritt vor, was nur durch die planmäßige Organisation einer die gesamte österreichische Medienlandschaft steuernden Kommando-Zentrale erreicht werden kann.
Naturkatastrophen in den Redaktionsräumen
Doch zurück zu dem Artikel «Bettler-Mafia: Weihnachtsoffensive». Letztere würde durch einen sowohl in Graz wie auch in Salzburg, Innsbruck und Wien beobachteten neuen «Trend» geprägt – Zitat: «Die Bettler springen aus Hauseingängen und kriechen auf ihre «Opfer» zu.» Ob diese Opfer jetzt wieder die ums Weihnachtsgeschäft bangenden Händler oder die Konsument_innen sind, die auf keinen Fall abgeschreckt werden dürfen, steht dahin. Wobei die vermeintliche Taktik der Bettelnden nicht wirklich schlüssig erklärt wird: Denn warum springen sie ihre «Opfer» nicht gleich direkt an, sondern verlangsamen nach dem Sprung den Angriff und legen den Endspurt kriechend zurück? Aber vielleicht soll uns das nur verdeutlichen, wie sicher sich diese Menschen ihrer Beute sind.
Menschen? Langjährige Beobachter_innen der Journalist_innen-Mafia haben sofort erkannt, dass diese geifernden Schreibtisch-Hunde wieder einmal ganz gezielt mit einer Sprache aus dem Tierreich arbeiten. Der Tradition des Antiziganismus und des Antisemitismus folgend, werden die Opfer der Journalist_innen-Mafia auf einer angenommenen Entwicklungspyramide verbal ein paar Stufen hinuntergestoßen und in diesem sprachlichen Abgrund mit unglaublichem Killerinstinkt unter den Stiefeln der Leser_innen platziert. So ist in Zusammenhang mit Bettelnden gern von «Schwärmen» die Rede, ein Artikel beginnt z. B. wie folgt: «Kaum zeigt das Thermometer ein paar Grade über dem Gefrierpunkt an, schwärmen die Bettler aus». Und was tun sie dann? «Sie grasen nun Parkplätze von Supermärkten nach «Opfern» ab».
Der Schritt vom Tierreich zur Naturkatastrophe ist nur noch ein kleiner. Hier wurde über die Jahre neben der «Heimsuchung» und der «Plage» vor allem das Bild der «Bettler-Flut» in die Hirne geschrieben und auf diese Weise ein Szenario geschaffen, hinter dem kein Tun von Menschen mehr zu stehen scheint und über das somit nicht mehr verhandelt werden kann: Denn es «wächst an» und «bricht herein» und kann nur noch «bekämpft» und «eingedämmt» werden.
So überwältigend diese Gefahren laut Journalist_innen-Mafia auch über uns hereinbrechen, so bemüht sie sich doch hartnäckig, uns in der Wahrnehmung derselben zu schulen. Und da sich wirkliche Beweise der von ihnen heraufbeschworenen Bettel-Mafia naturgemäß nicht erbringen lassen, so müssen eben manche Strategien der Armen zu «Bettel-Mafia-Tricks» hochstilisiert werden. Also legen sich Presse-Fotograf_innen stundenlang auf die Lauer, um zu beweisen, dass es Bettelnde gibt, die sich bei der Arbeit auf eine Krücke stützen, und privat ohne sie zurechtkommen. Oder es werden Fotos von einer Bettlerin gezeigt, die bei der Arbeit am Boden kauert und danach einfach aufrecht steht. Und sogar telefoniert!
Auch wenn der Sensationswert solcher Reportagen nüchtern betrachtet vergleichbar ist mit einem Bericht darüber, dass Hansi Hinterseer nie wirklich blond war, bringt die in der Adventzeit ständig am Köcheln gehaltene Hetzkampagne der Journalist_innen-Mafia das Blut der glühweindampfenden Mediengläubigen weit mehr zum Wallen als all die Bank-und-Reichen-Rettungen, die ihnen tatsächlich das Geld aus der Tasche ziehen.
Peter A. Krobath ist freier Autor und Aktivist (Bettellobby Wien, Stadtfrucht Wien, Kuserutzky Klan)