Literatur
Karl-Markus Gauß ist weithin bekannt als Schriftsteller, der sich auf Reisen in entlegene Gegenden begibt, um dort versprengte, marginalisierte, an den Rand gedrängte Volksgruppen und ihre Sprach- und andere Gebräuche aufzuspüren – zumeist mit sachdienlichen Verweisen auf regional substanzielle, hierzulande häufig unbekannte Autor_innen. Immerhin ist Gauß ja seit vielen Jahren, neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit, Herausgeber der Fachpublikation Literatur & Kritik. Für das vorliegende Buch übte er sich in der Reduktion, hat sich, auf Salzburg umgemünzt, den Titel von Oskar Aichingers erstem Wienbuch Ich bleib in der Stadt und verreise als Motto angeeignet bzw. noch weiter eingeengt – auf die eigene Wohnung. Es verwundert nicht, fasziniert aber sehr wohl, wie er anhand von Alltagsgegenständen die Welt assoziiert. So führt ihn der Brieföffner zu einem Industriellen, der einst von Mähren nach Oberösterreich übersiedelte, um dort in Vöcklabruck ein Eternitwerk zu etablieren. Ohne zu verschweigen, dass
Hunderte Arbeiter_innen an Asbestvergiftung erkrankt und daran verstorben sind. Ein Koffer lässt Gauß an einen Hotelier in Meran denken, das Bett an den Autor Xavier de Maistre. Der Schreibtisch mit einer Mappe aller noch ungeschriebenen Bücher und die Bibliothek inklusive deren Ordnungssystem sind weitere von vielen konkreten Anlässen, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Und so präzise wie unspektakulär schreiben kann er ohnedies wie kaum ein anderer.
Karl-Markus Gauß:
Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer
Unionsverlag (TB) 2020
224 Seiten, 13,40 Euro