Die Welt reparierentun & lassen

Die einfache Reparatur von Haushaltsgeräten ist heute kaum mehr möglich. Lokale Repair-Initiativen versuchen das Leben der Geräte zu verlängern – und kommen dem Geheimnis der geplanten Obsoleszenz auf die Spur.

Text: Barbara Eder
Fotos: Carolina Frank

In der Feuerwache der kalifornischen Kleinstadt Livermore scheint bis heute die älteste Glühbirne der Welt. Mit Ausnahme einer kurzen umzugsbedingten Unterbrechung von wenigen Tagen leuchtet das bernsteingelbe Licht der mundgeblasenen Kohlenfadenlampe seit nunmehr 113 Jahren. Die Langlebigkeit der «Centennial Light», deren Arbeitsleistung über mehr als ein Jahrhundert durch natürlichen Verschleiß auf 4 Watt herabgesunken ist, sollte an sich nicht erstaunen: Bis zur Mitte der 1920er-Jahre war es unter Industriellen, Arbeiter_innen und Ingenieur_innen Konsens, Produkte mit dem Ziel einer optimierten Lebensdauer anzufertigen. Die heute üblichen Mechanismen in der Herstellung waren noch nicht Teil ihrer Strategie – im Gegenteil: Was erzeugt wurde, war auf Dauer ausgelegt.

Kurz lebe das Gerät!

Mit Beginn der modernen Massenproduktion ist eine Wirtschaftsordnung auf den Plan getreten, die die Langlebigkeit industriell verfertigter Produkte nicht länger als profitabel erachtet. Der Ideologie des Keynesianismus zufolge muss eine möglichst große Nachfrage erzeugt werden, um Investitionen zu stimulieren – und die potenziellen Konsument_innen sollten immer mehr in immer kürzerer Zeit kaufen. Das Bedürfnis nach Autos ist indes ebenso wenig angeboren wie das nach iPhones – es braucht breit angelegte Werbekampagnen, um aus einem Angebot erst ein Bedürfnis zu machen. Erkannt hat dies zuallererst Alfred P. Sloan, Präsident des amerikanischen Automobilherstellers General Motors. Seit den 1940er-Jahren brachte er jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt und wies den preisgünstigeren Konkurrenten Ford damit in seine Schranken. Mit der marketingtechnischen Verschiebung auf den «Fetisch Form» veränderten sich auch die Kriterien in der Produktion: Design tritt an die Stelle von Funktion, Langlebigkeit und Effizienz sind für den Kauf eines Produkts nicht länger ausschlaggebend. Wäre die älteste Glühbirne der Welt in den 1940ern hergestellt worden, hätte ihre Lebensdauer tausend Stunden nicht überschritten.

Geplantes Ende.

Bis heute beschränken Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte durch ein künstliches Ablaufdatum – eine Taktik, die auch als geplante Obsoleszenz bezeichnet wird. Die Folgen davon sind allzu bekannt: Ein Drucker, der den Patronenschlitten blockiert, weil ein Microchip die Überschreitung der vorgesehenen Seitenanzahl registriert, zählt ebenso dazu wie eine Waschmaschine, die wenige Monate nach Ablauf der Garantie ihren Geist aufgibt. Auf diese und ähnliche Weise wird das frühzeitige Ende eines Produktes eingeleitet, das an sich noch funktionsfähig wäre. Hersteller sichern sich damit ihren Absatz auf wachsenden Märkten: Wer nicht reparieren kann, muss neu kaufen – und hält damit eine profitorientierte Ökonomie am Leben, die weder bedarfsorientiert ist noch nachhaltig. Erzeugt wird dabei für die Müllhalde – und auch entsorgt wird auf dieser nur selten adäquat. Lediglich ein Drittel aller Haushaltsgeräte, die kaputtgehen, landen auf Mistplätzen und Problemstoffsammelstellen, das Gros endet auf den Deponien der Länder des globalen Südens – als Altlasten der Industrienationen, die andernorts das Grundwasser verunreinigen.
Rückschritt scheint dieser Tage zum heimlichen Motor des technischen Fortschritts geworden zu sein. Obgleich sich die Leistung in einem Schaltkreis alle achtzehn Monate verdoppelt und das Wissen um seine ideale Konstruktion gigantisch geworden ist, geben elektronische Geräte heute schneller auf als zuvor. Allein die Haltbarkeit von Hauhaltsgeräten hat sich in den letzten fünfzehn Jahren um rund ein Jahr reduziert, bei den massentauglich gewordenen Apparaten einer aufkommenden Digitalindustrie lässt sich die Ursache für den Defekt oft nicht einmal mehr ausmachen. Den Anhängern der geplanten Obsoleszenz bieten Handys und andere WLAN-fähige Geräte ganz neue Möglichkeiten – denn «smart» heißt in diesem Fall nicht schlau, sondern fremdbestimmt. Mittels App erhalten die Hersteller Zugriff auf die Apparate und entscheiden über deren Nutzungsdauer.

Wie intelligent ist Ihre Waschmaschine?

Sepp Eisenriegler (s. Porträt auf Seite 19), Gründer des europaweit größten Service- und Reparaturzentrums R.U.S.Z in Wien-Penzing, sieht das nicht anders. Den Sinn von «smarten» Haushaltsgeräten stellt er grundsätzlich in Frage: «Warum bekommt jemand einen Zukunftsbonus, der sich eine WLAN-fähige Waschmaschine kauft? Und was bringt eine WLAN-fähige Waschmaschine überhaupt?» Die in Österreich anno 2009 als «Ökoprämie» lancierte Verschrottungsaktion von Alt-Autos ist ihm ebenso suspekt wie die aktuellen Standards zur EU-weiten Energieverbrauchskennzeichnung von Hauhaltsgeräten. Eisenriegler muss es wissen: Das Reparaturzentrum R.U.S.Z verfügt über Testmöglichkeiten, die am Markt erhältlichen Apparate können so sorgsam überprüft werden – auch die mit «Öko-Label». Im Test haben derart gekennzeichnete Waschmaschinen den gesetzlichen Vorgaben nur partiell entsprochen, das Einbauen eines «Eco-Waschgangs» macht diese noch nicht umweltfreundlich. Drückt man auf den dazugehörigen Knopf, muss man sich zudem mit einem 60-Grad-Waschgang begnügen – nicht erst seit Corona ist bekannt, dass diese Temperatur keine Wäsche steril macht.

Pflichtfach Reparatur.

Was drin ist, ist nicht immer das, was draufsteht – diese Erfahrung hat Eisenriegler oft gemacht. Schon als Geografiestudent waren ihm globale Handelsketten nicht egal, und er erkannte, wie viele Tonnen Elektroschrott sich jährlich durch sachgemäße Reparatur vermeiden ließen. 1998 gründete er das R.U.S.Z als sozioökonomischen Betrieb, die anfängliche Kooperation mit dem AMS währte nicht allzu lange, aber bis heute arbeiten im Hinterhof des Areals in der Lützowgasse Haftentlassene, Erwerbslose und Lehrlinge aus unterschiedlichen Herkunftsländern Tisch an Tisch, im Keller des Gebäudes befindet sich das Reparaturcafé Schraube 14. Unter Anleitung von Profis können die Besucher_innen dort jeden Donnerstag im Monat lernen, wie man Dinge selbst repariert, und sich damit ein Stück weit von ihrer Rolle als passive Konsument_innen befreien. Es geht dabei nicht nur um ein sorgsames Umgehen mit den Dingen; bei Schraube 14 ist Reparieren mit der aktiven Verbesserung einer kaputtgegangenen Welt und der Notwendigkeit ihrer ökonomischen Veränderung verbunden.
«Wenn Du es nicht reparieren kannst, dann gehört es Dir nicht» – den ersten Grundsatz des iFixit-Repair-Manifestos haben Eisenriegler und sein Team tief verinnerlicht. Sein Reparaturwissen vermittelt er nicht nur in Vorträgen, sondern fordert dahingehend auch ein Pflichtfach in Grundschulen. Als «Lobbyist mit dem Lötkolben» zieht er Vertreter_innen aus Politik und Wirtschaft immer wieder zur Verantwortung. Eisenriegler war unter anderem an der 2005 EU-weit beschlossenen und bis 2024 schrittweise auszuweitenden «Ökodesign­richtlinie» beteiligt, die die Reparabilität von auf dem Markt erhältlichen Elektrogeräten ebenso vorschreiben soll wie die Verfügbarkeit aller dafür nötigen Ersatzteile für mindestens sieben Jahre.

Restlverwertung.

Mit dem, was ansonsten weggeworfen wird, hat auch die Ottakring beheimatete Initiative Recycling-Kosmos einen sinnvollen Umgang gefunden. Dort werden regelmäßig «Reuse»(Wiederverwendungs)-Workshops für Kinder und Jugendliche veranstaltet. Vom Lampenbau bis zum Nähen mit Stoffresten kann man vor Ort vieles lernen – auch bei dieser Arbeit an den kleinen Dingen geht es um viel, vielleicht sogar ums Ganze. Resteverwerten ist ein Paradebeispiel für Umweltschutz, Ressourcenschonung und Abfallvermeidung – und das Ergebnis günstiger und bequemer als Konfektionsware. Dem einen oder der anderen Teilnehmer_in ist hinter einer der Nähmaschinen der Klamottenkünstlerin Esther Weinberger schon ein Licht aufgegangen – nicht nur in Kinderköpfen wirkt die Glühbirne aus Livermore heimlich weiter.

 

Reparieren in Wien

rusz.at
Reparatur- und Servicezentrum. Hier reparieren und servicieren Profis – direkt im R.U.S.Z (14., Lützowgasse 12–14) und bei schwer beweglichen Großgeräten auch zu Hause.

rusz.at/reparaturcafe
Im R.U.S.Z-eigenen Reparaturcafé Schraube 14 kann, sobald der Lockdown vorbei ist, unter Anleitung selbst repariert werden.

recyclingkosmos.at
Der Recycling-Kosmos veranstaltet Selbermach- und Reparier-Workshops und betreibt dazu zwei Räume im 16. (Kirchstetterngasse 60) und
17. Bezirk (Ottakringer Straße 18)

reparaturnetzwerk.at
Koordiniert von der Umweltberatung finden sich hier gewerbliche Wiener Reparaturprofis für beinahe jedes Gerät.

Reparatur-Hotline (01) 803 32 32-22
Die Umweltberatung bietet mit der Reparatur-Hotline auch einen Telefondienst an, bei dem erfragt werden kann, wer der Espresso-, Schreib- oder Waschmaschine am ehesten wieder Lebensgeister einhauchen kann.

wien.gv.at/umweltschutz/wienerreparaturbon.html
Zugunsten des reparierenden Gewerbes und der Umwelt hat die Stadt Wien einen Reparaturbon eingeführt, mit dem maximal 50 % der Bruttorechnungssumme und maximal 100 Euro relativ unbürokratisch gefördert werden. Die erste Bon-Phase lief mit Dezember 2020 aus, Gerüchten zufolge wird die nächste Phase im März 2021 beginnen. Aktuelle Infos und teilnehmende Betriebe auf der Website.

vhs.at
Die Wiener Volkshochschulen bieten immer wieder Kurse und Workshops im Bereich Upcycling, Reparieren, Verwerten-statt-Wegwerfen an.

bikekitchen.net
Fahrräder mit Unterstützung selbst reparieren – das bietet seit 13 Jahren die Bikekitchen in der Goldschlagstraße 8, 1150 Wien. Wegen Lockdown momentan geschlossen.