Dieter Schrage zur umstrittenen Sommer-Ausstellung in der Neuen Galerie GrazArtistin

Die Rote Armee Fraktion als Kunst-Werk

Bis 28. August ist in der Neuen Galerie in Graz die aus Berlin kommende Kunstschau „“Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF-Ausstellung““ zu sehen. Dieter Schrage, der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre im Zusammenhang mit der Ermordung des deutschen ArbeitgeberInnenpräsidenten H. M. Schleyer in eine österreichische RAF-Sympathisanten-Diskussion verwickelt war, hat die Berliner Ausstellung besucht. Für den Augustin berichtet er über die teilweise hysterischen Reaktionen; die Grazer Ausstellung wird nicht ganz so starke Emotionen hervorrufen, prophezeit Schrage.Schon die Zwischenbilanz im März dieses Jahres, als ich diese Schau im „Kunst-Werke Institute for Contemporary Art“ in Berlin besucht hatte, war beeindruckend. Über 400 Druckmedien, darunter auch die namhaftesten aus ganz Europa, haben ausführlich über diese „Kunst-Ausstellung“ – dass es sich um eine solche handelte, wird bei der ganzen RAF-Aufregung immer übersehen – berichtet. Hinzu kommen bis zu diesem Zeitpunkt etwa 20 TV-Beiträge (u. a. BBC und CNN) sowie rund 50 Rundfunksendungen.

Auch sieben Jahre nach der Bekanntgabe ihrer Selbstauflösung ist die „Rote Armee Fraktion“ – medial allgemein bekannt als „Baader-Meinhof-Bande“ – in Deutschland noch ein Reizthema. Bereits im Sommer 2003 war es zu heftigen Protesten (angeheizt durch „Bild“) gekommen, als ein Konzept der geplanten Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Mythos RAF“ in die Öffentlichkeit gelangte. KritikerInnen warfen den InitiatorInnen vor, TerroristInnen zu Pop-IkonInnen zu machen, und Verwandte der RAF-Opfer wandten sich an Bundeskanzler Schröder. Nach einer heftigen Debatte in den Medien überarbeiteten der Chefkurator und Kunst-Werke-Gründer Klaus Biesenbach und die beiden KokuratorInnen Ellen Blumenstein und Felix Ensslin (!) das Konzept, und die RAF-Schau wurde um ein Jahr verschoben. Auch die zugesagten 100.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds wurden in Frage gestellt. Schließlich verzichteten die AusstellungsmacherInnen auf noch nicht ausgezahlte 45.000 Euro und suchten eine private Finanzierung ihres Vorhabens.

Ein Kluft zwischen den Kindern der RAF-GründerInnen

Und tatsächlich wurde die Ausstellung am 29. Jänner dieses Jahres in den fünf Stockwerken des Kunsthauses und in der St.-Johannes-Evangelist-Kirche eröffnet. Die außerordentlich breite Ausstellungsrezeption blieb weiterhin widersprüchlich. Dieser Widerspruch zeigt sich z. B. in der gegensätzlichen Position der Kinder von zwei RAF-Gründerinnen. Einerseits ist Felix Ensslin, Sohn von Gudrun Ensslin (geb. 1940, gest. 1977 im Hochsicherheitstrakt Stammheim durch Selbstmord??) ein Kokurator der Ausstellung, andererseits wirft die Tochter von Ulrike Meinhof (geb. 1934, gest. 1976 in Stammheim) und heutige Journalistin Bettina Röhl (nach ihrem Vater Klaus Rainer Röhl) der Ausstellung vor, dass hier den „Ikonen“ der Terrorgruppe ein Denkmal gesetzt werde. Bettina Röhl: „Da sieht man nur Fratzen. Die wahren Geschichten werden nicht erzählt.“

Dem entgegnet Kurator Biesenbach immer wieder: „Es ist eine Kunstausstellung und keine über die RAF“. Und er betont, den von den Medien produzierten Bildern über die RAF werde Kunst entgegengesetzt, um so eine andere Form der Zeitzeugenschaft sichtbar zu machen. Ziel sei es, einerseits die Reflexion zur RAF in den Medien und andererseits die künstlerischen Positionen, die sich mit der Geschichte der RAF auseinander setzen, erstmalig gemeinsam zu präsentieren. Und diese Absicht ist gelungen!

KünstlerInnen aus ganz Europa zum RAF-Thema

Mehr als 100 Kunstwerke von 50 in- und ausländischen KünstlerInnen, die sich seit den siebziger Jahren mit dem terroristischen Revolutionskader „Rote Armee Fraktion“ beschäftigt haben, versammeln die KuratorInnen in ihrer Ausstellung. Und unter ihnen befindet sich Kunstwelt-Prominenz wie Jörg Immendorff, Sigmar Polke oder Gerhard Richter sowie die verstorbenen Joseph Beuys, Martin Kippenberger und Wolf Vostel. Aus Österreich sind Peter Friedl und Peter Weibel, der für die Grazer Präsentation als Kokurator fungiert und in dem sehr informativen Ausstellungskatalog auch einen Beitrag zur „Theorie der Gewalt“ veröffentlicht hat, vertreten.

Den Kunstwerken gegenüber gestellt ist eine „mediale Zeitleiste“. Diese dokumentiert, wie die Medien auf die RAF-Aktivitäten reagiert haben. Im Zentrum der Ausstellung steht die Rauminstallation „Die Toten, 1967-1993“ von Hans-Peter Feldmann. In einem großen Kubus präsentiert der Künstler 90 Fotos, die von dem 1967 bei einer Demonstration erschossenen Studenten Benno Ohnesorg über das RAF-Opfer aus dem Jahr 1977 H. M. Schleyer bis Wolfgang Grams, dem 1993 erschossenen RAF-Mann.

„RAF-TerroristInnen und RAF-Opfer bunt durcheinander. Im Tod sind ja alle gleich. Aber vielleicht macht es doch einen Unterschied, wie sie ums Leben gekommen sind. Die TerroristInnen sind bewusst ein Risiko eingegangen. Die Opfer hatten keine Wahl.“ (Henryk M. Broder in seiner Spiegel-online-Kritik „“Wer nix zu sagen hat, sagt es möglichst kompliziert““ vom 30. 1. 05). Andere KritikerInnen wie Nicola Kuhn im „Tagesspiegel“ vom 22. 2. 05 meinen zur Installation von Feldmann: „Sie bildet den Ausgangspunkt für alle folgenden 55 Arbeiten, die in den Geschoßen darüber zu sehen sind und doch nicht an das Werk des Düsseldorfer Konzeptkünstlers heranreichen. In der Kritik führte das dazu, dass manch einer meinte, man hätte es bei diesem Mausoleum aus Schwarz-Weiß-Fotografien belassen können.“

In Österreich weniger kontroversiell?

So kontroversiell und teilweise geradezu hysterisch wird die Rezeption dieser RAF-Ausstellung in Österreich nicht werden. Hier fehlt vor allem die Betroffenheit und hier ist kaum etwas in Sachen RAF unter den Teppich gekehrt worden. Doch Ende 1976 schwappte die RAF-Welle auch nach Österreich über. Zunächst verübte die deutsche RAF-Terroristin Waltraud Boock einen Überfall auf eine Wiener Bank und wurde verhaftet und verurteilt. Daraufhin wurden ohne Erfolg – mehre Attentate verübt, um ihre Freilassung zu erzwingen.

Im Zusammenhang mit der RAF bzw. mit der Schwesterorganisation „Bewegung 2. Juni“ kam es im November 1977 in Wien zur Entführung des Palmers-Seniorchefs. Nach der Zahlung von 31 Mio. Schilling kam der Textilindustrielle schnell wieder frei. Doch nach wenigen Tagen wurden die drei Entführer verhaftet und Thomas Gratt, Reinhard Pitsch und Othmar Keplinger wurden zu Haftstrafen zwischen 5 und 15 Jahren verurteilt.

Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum

Sackstraße 16

8010 Graz – Austria

Öffnungszeiten: Di.-So., 10-18 Uhr, Do., 10-20 Uhr.

Tel.: (0 316) 82 91 55

www.neuegalerie.at

Zur Ausstellung, die von einem umfassenden Rahmenprogramm begleitet wird, sind ein 2-bändiger Katalog, hg. von Klaus Biesenbach, Steidl/KW, Göttingen-Berlin 2005, ein Kurzführer sowie ein Begleitfolder erhältlich.

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