«Donauinsel für den Westen Wiens»tun & lassen

Illustration: © Much

Immo aktuell (April 2024)

Mit einem Millionenprogramm soll das Westbahnhofareal umgestaltet werden – in einen grünen und bunten Park für den 15. Bezirk, verspricht die Stadt Wien. Eine lokale Bürger:innen-Initiative spricht jedoch von «Augenauswischerei».

Rudolfsheim-Fünfhaus hat sich wirklich einen grünen, öffentlichen Park verdient. Das weiß jede Person, die hier wohnt oder die den 15. Wiener Bezirk regelmäßig durchquert. Über 21.000 Menschen leben hier auf dicht bebautem Raum. Grün gibt es hier vor allem auf der Schmelz zu erleben. Und um dieses Grün schwelt seit vielen Jahren ein Nutzungskonflikt, da große Teile der dortigen Grünflächen nicht öffentlich nutzbar sind.

Kaum Verkehr, freie Frischluftbahn

Hier kommt ein rund 1,2 Kilometer langer Streifen unterhalb der Felberstraße in der Nähe des Westbahnhofs ins Spiel. Das Areal schlängelt sich direkt an den Bahngleisen entlang. Wenn Stadtforscherin Mira Samonig von der Initiative Westbahnpark.Jetzt über diesen Streifen spricht, gerät sie ins Schwärmen: «Es ist ein Ort mit ungeheurer Kraft», findet sie. «Du bist mehrere Meter unterhalb der Felberstraße. Du hörst überhaupt keinen Autoverkehr mehr. Und du kannst ur weit in die Ferne schauen.»
Apropos Verkehr: Es ist ein Merkmal des 15. Bezirks, dass er sowohl vom Verkehr durchtrennt wird, gleichzeitig aber eine ­Reihe wichtiger Verkehrsachsen beheimatet. Da ist zum einen die Westbahnstrecke, die am Westbahnhof ihren Abschluss findet. Die Westbahnstrecke wird von der Schweglerstraße mittels der Schmelzbrücke überquert, nur eine von mehreren vielbefahrenen Autostraßen im Bezirk. In Richtung Stadtzentrum grüßt die Abgashölle des Gürtels; Hütteldorfer Straße und äußere Mariahilfer Straße sind weitere Schwerpunkte für den Autoverkehr.
Hinzu kommt die Hitze. Weil der 15. Bezirk einer von Wiens am ­dichtesten verbauten Bezirke ist, heizt er sich im ­Sommer entsprechend auf. Viele der hier wohnenden ­Menschen haben kaum Ausweichmöglichkeiten. Sie verdienen ­weniger Geld als in den restlichen Teilen Wiens, und sie sterben im Durchschnitt jünger als andernorts.
«Und deshalb ist das ­Westbahngelände so ein besonderer Ort», sagt Mira ­Samonig. «Es handelt sich hier um die letzte nicht ­bebaute innerstädtische Fläche in Wien. Da spielt auch die Frischluftschneise eine ­Rolle, vor allem was die Kühlung betrifft.» Der ­Begriff Frischluftschneise – oder auch Frischluftbahn – bezieht sich auf die Windströmungen, die vom westlichen Wienerwald aus in die Innenstadt ­einströmen. In ­Hernals wurde vor einigen ­Jahren unter ­anderem die inzwischen verhinderte Verbauung des Postsportareals am Rande des Hernalser ­Friedhofs deshalb kritisiert, weil die neuen Häuser die ­Luftströmung behindern, und somit zur noch stärkeren Erhitzung auch weiter entfernter ­Bezirke ­hätten beitragen können.

Unversiegelte grüne Flächen für alle

Die Ini­tiative Westbahnpark.Jetzt wünscht sich ­einen «Volkspark» am Westbahnareal, der ­Boden entsiegeln und eine öffentlich nutzbare Grünfläche für alle schaffen könnte. Die Aktivist:innen sprechen von der Möglichkeit eines «Jahrhundertprojekts», einer potenziellen «Donauinsel für den Westen Wiens». ­Über 11.000 Unterschriften hat die ­Initiative dafür gesammelt. Am 26. Jänner stellte die Stadt Wien Pläne vor, in denen der Begriff «Grünfläche» tatsächlich eine große Rolle spielt. Unter dem Schlagwort Mitte 15 werden seither Werbematerialien unter die Menschen gebracht, in denen es vor hübsch gemalten Bäumen und Rasenflächen nur so wimmelt.
Wie so oft, wenn die Stadt Wien von Begrünung spricht, ist jedoch auch hier Skepsis angebracht. Über das Vorhaben im Westbahn­areal, das den Österreichischen Bundesbahnen gehört, liest sich in der von der Stadt Wien jüngst herausgegebenen Stadtteilzeitung Mitte 15 so: «Eine stellenweise Terrassenunterbauung, die unter dem Niveau der Felberstraße liegt, soll Flächen z. B. für produktives ­Gewerbe, Logistik, Sport und Parken beinhalten. Die intensiv begrünten Dächer werden Teil der zusammenhängenden Grünfläche.» Die Initiative Westbahnpark.Jetzt ist jedoch nicht begeistert. «Hier wird Asphalt durch Beton ersetzt», kritisiert Mira Samonig, die auch die in der Nähe geplanten 30 bis 60 Meter großen Hochhäuser skeptisch betrachtet. Diese könnten die Frischluftschneise abdrehen, anstatt sie zu erhalten. Das bedeutet womöglich Versiegelung anstatt Entsiegelung. «Das Gebiet würde unweigerlich zu einem Hitze-Hotspot werden», heißt es in einem im Februar veröffentlichten offenen Brief an Stadtplanungs-Stadträtin Ulli Sima, der bis heute nicht beantwortet wurde.
Tatsächlich sieht das von der Stadt Wien vorgestellte Konzept den Bau neuer Wohnhäuser auf dem Areal vor. Auch dies ist ein immer wiederkehrendes Thema. Leistbares Wohnen werde so geschaffen, argumentiert die Stadt. Allerdings nicht vor dem Jahr 2030. Denn erst dann wird frühestens mit Baumaßnahmen begonnen. Für die Aktivist:innen von Westbahnpark.Jetzt ist dieser Zeithorizont auch eine Chance, den bislang von ihr vermissten «Dialog auf Augenhöhe» doch noch zu gewinnen.

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