Dort, wo man singt, dort lass’ dich niederDichter Innenteil

Chilip in Druk Yul (5)

Ein weiterer Freitag kündigt von einem ruhigen Wochenende mit langen Spaziergängen und Büchern. So attraktiv die Aussicht ist, so eintönig wird sie. Als ich von der Nachbarswohnung Gesang höre, fasse ich Mut.

Foto: Namgay Tshering

Ich schnappe mir die große Schnapsflasche von der Lavanttaler Tante. So gewappnet klopfe ich an. Ein junger Mann öffnet die Tür, seine Freunde blicken mich an: Sind wir zu laut? Möglichst unbekümmert stelle ich mich und meine Flasche vor und bitte um Aufnahme in die gesellige Runde. Erleichterung und Gelächter – was willst du singen? Bald die etwas vorsichtigere Frage, ob ich rauche. Der Umgang mit Nikotin ist sehr restiktiv in Bhutan, Rauchen ist verbannt aus dem öffentlichen Raum, von Kultivierung der Pflanzen über Werbung bis hin zur Distribution sind jegliche (kommerzielle) Handelsschritte verboten. So wie hier hatte ich noch keine_n einzige_n Raucher_in gesehen. Hier, unter mir, finden sich also Freunde zusammen, vor allem jene ohne eigene Wohnung, und frönen dem Genuss, wie etwa ihrer Sucht. Die Zigaretten aus Indien, der Verkauf unter der Hand. Jemand versteckt sich in der Küche. «Rauchst du?», wiederholt sich. Verschmitztes Lächeln. Es wird nicht mehr nach Tabak gefragt. Ohne traditionelle oder zeremonielle Verwendung, wie in Tibet oder Indien, beschränkt sich die Verwendung von Hanf en gros auf Schweinefutter; die gesellschaftliche Toleranz als Rausch- und Genussmittel ist niedrig. Ungeachtet dessen gedeiht die Pflanze hier überall. Was als externer Einfluss problematisiert wird, dokumentierte (relativierte?) eine Studie mit insgesamt 1.570 Cannabis-Konsument_innen in Bhutan*. – Ich wische Sorgen weg, der Freund wagt sich zurück ins Zimmer, die Atmosphäre entspannt sich. Wir singen, stolpern über dieselben Stellen im Text, ich lerne traditionelle Handbewegungen zu Hindi-Liedern. Wir palavern über Musik, Kooperativen in Bhutan – einer unerwarteten Diskussion über die Situation der LGBTQ-Community in Bhutan bin ich mit meinen wenigen Wochen im Land hoffnungslos ausgeliefert – über Studieren und Arbeiten im Ausland, meine Erwartungen an Bhutan, die junge Demokratie in Wandlung.

Dass wir dann auch noch gemeinsam in die Stadt auf ein Konzert gehen und zu den letzten Platten im Klub tanzen, rundet den Abend ab. Erschöpft und glücklich falle ich ins Bett. Mit solch netten Nachbarn kann das Wochenende gerne kommen – und möglichst lange bleiben.

Marisa Kröpfl schreibt aus Druk Yul (Königreich Bhutan) von ihren Eindrücken als «Chilip», wie Ausländer_innen im Land des Donnerdrachen genannt werden.

*D.h. rund 0,2% der Bevölkerung im Vergleich zu rund 2,5% in Österreich. Zahlenangaben für Bhutan aus UNODC, BNCA (2009): National Baseline Assessment of Drugs and Controlled Substance Use in Bhutan, für Österreich aus Weigl, Marion et al (2016): Bericht zur Drogensituation 2016.

Translate »