Drasenhofen ist zu – und jetzt?tun & lassen

Flucht & Unterstützung nach der großen Solidaritätswelle

Drasenhofen, da denkt man an Waldhäusl und die skandalöse Unterbringung von Geflüchteten. Doro Blancke vom Verein Fairness Asyl hat dazu beigetragen, dass das Quartier zugesperrt wird. Mit Andreas Lechner (Text) und Mario Lang (Foto) spricht sie über Securityfirmen, Solidarität und die innere Schönheit der Menschen.

Es ist ein kalter Herbsttag im Jahr 2018 in Drasenhofen, einer 1.000-Seelen-Gemeinde nahe der tschechischen Grenze. Gemeinsam mit einem Kollegen steht Doro Blancke vom Verein Fairness Asyl vor einem plattenbauähnlichen Gebäude, umgeben von provisorisch aufgestellten Metallzäunen: das berüchtigte Asylquartier. Grund der Anreise ist die «Inhaftierung» eines ihr bekannten jugendlichen Asylwerbers ohne richterlichen Beschluss. Man erhofft sich eine Klärung vor Ort, zuvor getätigte Kontaktierungsversuche sind im Sand verlaufen.
Da nichts darauf hinweist, dass das Betreten des Geländes verboten ist, öffnet man die Tür eines Metallzauns und findet sich auf einem kargen Vorplatz wieder. Was folgt, hat mit Weinviertler Gastlichkeit wenig gemein: Vier übellaunige Herren in Bomberjacken stürzen den beiden entgegen und signalisieren unverkennbar, dass ihr Besuch – vor allem mit mitgebrachten Fotoapparaten – hier auf wenig Gegenliebe stößt.
Man wolle die hier untergebrachten Jungen vor Journalisten beschützen, heißt es. Einer der vermeintlichen «Beschützer», ein rund 50-jähriger Herr, behauptet, er sei ehemaliger Polizist. Eine junge Frau, ebenfalls Teil des dubiosen Sicherheitspersonals, stößt zur Runde. Sie trägt ein Namensschild der ASOB Asyl Sonderbetreuungs GmbH, der Betreiberfirma der Unterkunft. Hervorgegangen ist dieses Unternehmen aus der ehemaligen SLC Tischlermeister GmbH, der ein Naheverhältnis zum Landesrat für Integration und Veranstaltungswesen, Gottfried Waldhäusl, nachgesagt wird. Welche Kompetenzen das Unternehmen in puncto Security hat, liegt im Dunkeln.
Nach langem Hin und Her kann Blancke erwirken, sich zumindest eine Viertelstunde mit ihren Schützlingen zu unterhalten. «Was wir vorgefunden haben, ist rechtsfreier Raum», schildert sie betroffen. «Zum Abschied hab ich zu den Jungs gesagt: Hört’s zu, ich kann euch nix versprechen. Aber ich werde mich bis auf’s Äußerste dafür einsetzen, dass dieses Haus geschlossen wird.»

Ein Erfolg mit Beigeschmack. Ende vorigen Jahres war dann auch Schicht im Schacht für das Skandalquartier. Nachdem Ö1-Journalist Bernt Koschuh gemeinsam mit der Diakonie und der Asylkoordination ein minutiöses Protokoll der Vorkommnisse in Drasenhofen publizierte, wurde der öffentlichen Hand die Sache blitzartig zu heiß, nur wenige Tage später machte Landeshauptfrau Mikl-Leitner das Quartier dicht. Die Caritas nahm die jungen Asylwerber_innen vorübergehend wieder im Haus St. Gabriel in Maria Enzersdorf auf.
Dieser Erfolg gibt Hoffnung – und doch bleibt ein schaler Beigeschmack zurück. Immer wieder passiere es, dass junge Asylwerber «durchs System rutschen» und plötzlich ohne Unterkunft, Obsorge und Rechtsvertretung dastehen. In solchen Situationen springt der Verein Fairness Asyl in die Bresche. Die Gemeinschaft kümmert sich unermüdlich um die Bedürfnisse und Anliegen von Menschen auf der Flucht: faire Verfahren, adäquate Unterkünfte, Hilfe bei Arbeitssuche, Schulauswahl und Rechtsberatung. Im Falle der delogierten Asylwerber_innen aus Drasenhofen wurde eine Freiwilligengruppe eingerichtet, die ihnen helfend zur Seite steht.

Ein Plauscherl und ein gutes Gefühl. Der Verein Fairness Asyl lässt sich laufend kreative Lösungen einfallen: Um Deutschkenntnisse zu verbessern, ging man in Volksschulen und fragte nach, ob sich die «Refugees» mit in den Unterricht setzen dürfen. Gesagt, getan: «Die Ergebnisse waren erstaunlich: Nach drei Monaten konnten sie sich schon super auf Deutsch verständigen.» Eine weitere Initiative startete man mit dem «Gewandprojekt»: In einer Kleiderboutique können Asylwerber_innen nach Herzenlust «shoppen» gehen – ohne Bezahlung. Eine Spieleecke für Kinder und eine Kaffeemaschine, wo mittlerweile ausgiebige Plauscherl stattfinden, tragen zum Grätzl-Feeling bei. Viele Menschen engagieren sich dort und haben plötzlich wieder das, was sich eigentlich alle wünschen: eine Aufgabe und das schöne Gefühl, gebraucht zu werden.
Viele Geflüchtete sind ohne Familie gekommen und fühlen sich einsam: «Es ist wirklich ein Geschenk für sie, wenn man einfach zwanglos mit ihnen redet und ihnen Wertschätzung entgegenbringt.» Ein großer Teil von ihnen komme hochmotiviert an, aber nach negativen Asylbescheiden und behördlichen Schikanen sind letzten Endes viele am Boden: wieder warten, wieder Ungewissheit. «Liebe zu schenken ist ein wesentlicher Baustein zur Entwicklung von Menschen», betont Blancke und hält kurz inne. «Die Schönheit der Menschen kommt erst heraus, wenn man ihnen ein herzliches Umfeld schafft.»

www.fairness-asyl.at