Drei Fragen zum Maßnahmenvollzugtun & lassen

Was macht eigentlich … SiM?

Der Verein SiM, «Selbst- und Interessensvertretung zum Maßnahmenvollzug», wurde im April 2016 gegründet. In Österreich sind rund 405 zurechnungsunfähige (§ 21 Abs 1 StGB) und 396 zurechnungsfähige Männer und Frauen im Maßnahmenvollzug. Die längste Anhaltung beträgt aktuell 38 Jahre. Wir haben bei Markus Drechsler von SiM nachgefragt:

1. Der Maßnahmenvollzug wurde in Österreich mit Christian Brodas Strafrechtsreform 1975 eingeführt – und die galt eigentlich als fortschrittlich. Was ist also das Problem?

Die Hauptprobleme sind die steigenden Einweisungszahlen seit den 1990er-Jahren, die generell unbegrenzte Haftdauer und die Verwahrung von psychisch kranken Menschen in Haftanstalten. Der von Broda verfolgte Ansatz «Therapie statt Strafe» wird seit Jahrzehnten nicht mehr praktiziert. Stattdessen gibt es medikamentöse Zwangsbehandlungen, und es wird zu wenig Psychotherapie angeboten. Ein massives Problem sind auch die fehlenden Nachsorgeplätze für entlassene Patient_innen.

2. Eine Reform des Maßnahmenvollzugs wird seit Jahren angekündigt. Wann dürfen wir damit rechnen?

Eine Expert_innengruppe des Justizministeriums hat nach dem Skandal eines verwahrlosten Untergebrachten in Stein 100 Reformvorschläge erarbeitet und im Jänner 2015 präsentiert. Seitdem wurde bei vielen grundvernünftigen Vorschlägen zurückgerudert. Die Finanzierung der Behandlung und Betreuung von kranken Menschen sollte ins Gesundheitssystem, dagegen wehrten sich die Länder erfolgreich. Wann eine Regierungsvorlage ins Parlament kommt, ist nicht absehbar.

3. Wie sieht der SiM-Arbeitsalltag aus?

Ehrenamtliche SiM-Mitarbeiter_innen besuchen die Untergebrachten in den Justizanstalten. Wir nehmen als Vertrauenspersonen bei den jährlichen Anhörungen zur bedingten Entlassung teil und beraten Angehörige. Ebenso wichtig ist es für uns, regelmäßig durch unser Magazin «Blickpunkte» über die Defizite im Straf- und Maßnahmenvollzug zu informieren. Denn bei einer Anhaltung ohne Entlassungsdatum trägt fehlende Information zu noch mehr Unsicherheit bei.

 

SiM, 15.,

Markgraf-Rüdiger-Straße 12/3

www.massnahmenvollzug.org

Buchtipp:

Markus Drechsler, Blickpunkte (Hg.):

Maßnahmenvollzug. Menschenrechte – weggesperrt und zwangsbehandelt

Mandelbaum 2016, 368 Seiten, 24,90 Euro