Dschihad heißt BemühungArtistin

Bibliotick

Ja, der Titel klingt ein wenig nach kitschigem Bahnhofs-Roman. Mein Dschihad der Liebe ist zwar auch leicht zu lesen, aber dennoch alles andere als ein kitschiger Roman.

Es ist die wahre, sehr traurige und doch hoffungsvolle Geschichte des jungen Mannes Mohamed El Bachiri, Belgier mit marokkanischen Wurzeln. Am 22. März 2016 kam seine Frau Loubna bei den Terroranschlägen in Brüssel ums Leben. Sie hinterließ drei Kinder und ihren Mann, der kurz darauf im belgischen Fernsehen eine Rede gegen den Hass hielt. «Du warst meine Seelenverwandte, meine Vertraute, meine beste Freundin. Liebe meines Lebens, Mutter meiner Kinder, die, mit der ich immer lachte», schreibt Bachiri auf der ersten Seite. Zusammen mit dem Journalisten David van Rey­brouck verfasste er einen berührenden Text, der Bericht, Poesie und Reflexion zugleich ist, grafisch gesetzt eher wie ein Gedichtband denn wie Prosa, und nun in der Übersetzung von Waltraud Hüsmert auf Deutsch vorliegt. «Der Kleine ist aufgewacht. Er weint. Er hat Hunger. Es ist drei.» Im Buch spricht Bachiri vom neuen Alltag mit den Kindern und dem, was er ihnen, die noch nicht wahrhaben können, was mit ihrer Mutter passiert ist, erzählt. Von der eigenen gefühlten Ohnmacht. Von seiner Ehe, die eine glückliche war. Vom Aufwachsen in Molenbeek, einem Viertel, in dem viele Migrant_innen aufwuchsen und in dem IS-Kämpfer und Attentäter lebten. Von erlittenen Demütigungen in der Schule, da er als Marokkaner galt, und vom Molenbeek des gemeinschaftlichen Zusammenhalts, von seinem starken Glauben, aber auch von den islamistischen Positionen, die er ablehnt. «Unrecht erwidert man nicht mit anderem Unrecht, das ist sinnlos», schreibt er. Und: «Vielfalt sollte zu etwas Normalem werden, schon von frühester Kindheit an.» Ein mutiges, radikal offenes Buch, mit einer Botschaft: «Ich bin ein Dschihadist der Liebe. Verlangt nicht von mir, zu hassen, eher würde ich sterben!»

 

Mohamed El Bachiri,

David Van Reybrouck:

Mein Dschihad der Liebe

Fischer Taschenbuch, 2017

96 Seiten, 8,30 Euro