Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses
Auf 2857 Kilometern verbindet die Donau Mittel- mit Südosteuropa. Zehn Länder dürfen sich an ihrem Nass erfreuen. Rumänien hat die meisten Berührungspunkte und den wahrscheinlich attraktivsten Streckenverlauf. Zu Rad ist Mario Lang die Donau flussabwärts geradelt und hat ein paar Eindrücke mitgebracht.
Foto: Mario Lang
«Auf leichten Rädern den Fluss entlang, nicht immer treten – einfach laufen lassen», lautet eine der vielleicht berührendsten Textzeilen des Augustin-Chors Stimmgewitter. Am Ende des Eisernen Tors, ab der Stadt Drobeta-Turnu Severin beruhigt sich die Straßenlage, die Lastwägen biegen ab, der PKW-Verkehr dünnt sich aus, die Pferdefuhrwerke häufen sich. Seit einigen Jahren wird auch die Fahrraddichte größer. Einsam windet sich ein Betonband durch Felder, Ortschaften, vereinzelt kleinere Städte, links und rechts der Straße reißt das Band bei Abzweigungen meist ab und wird durch Schotterpfade ersetzt. Der Fluss immer wieder in Blickweite. Am gegenüberliegenden Ufer ziehen Länder vorbei: zuerst Serbien, später Bulgarien, bis die Donau bei Călărași nach Norden abzweigt und erst ab der Hafenstadt Galați wieder zum Grenzfluss wird. Diesmal heißen die Nachbarn Moldawien und Ukraine. Die Stadt Tulcea gilt als Tor zum Delta, und die Donau verästelt sich in unzähligen Kanälen bis ins Schwarze Meer.
Nicht nur landschaftlich hat der rumänische Teil massig zu bieten, auch menschlich. Jede_r (Rad-)Reisende wird es bestätigen: Mit jedem Kilometer weg vom Ursprung in Richtung Südosten öffnen sich die Herzen der Menschen ein Stückchen weiter. Gastfreundschaft ist ein «Muss» und keine Floskel. Im Falle einer Panne gibt es rundherum geschickte und hilfsbereite Hände, findet ein Gast kein Nachtquartier, werden auch die eigenen Häuser geöffnet. Unterwegs auf 1075 Kilometern rumänischer Strecke münden die mitleidigen Blicke für Radfahrer_innen oft in Geschenken, ein Stück Melone hier, ein Bier dort, und alle wollen ein bisschen plaudern. Nur eines kränkt die Menschen sehr: ihr schlechter Ruf in Ländern wie Österreich oder Deutschland.
Die Donau, ein Fluss für alle Sinne: Sich treiben lassen im Wasser oder zu Land. Romantische Badestrände, immer wieder ein Stück Einsamkeit, um die Seele baumeln zu lassen, und teils noch immer unberührte Natur. Die Königin der Flüsse im Herzen Europas.
Info:
Radtourenbuch
«bikeline – Von Belgrad zum Schwarzen Meer»
(= Donau-Radweg 5)
Verlag Esterbauer, 200 S. € 13,90