Durchs Spielen zur SelbstsicherheitArtistin

Iris Zeitlinger in der Titelrolle in Kassandras Geheimnis (Foto: © Carolina Frank)

Iris Zeitlinger spielt seit 2011 am Theater Delphin. Im März steht sie als Kassandra auf der Bühne. Und sie studiert im neuen Schauspiellehrgang – denn da lernt sie nicht nur fürs Theater, sondern fürs ganze Leben.

 

Wie bist du zum Schauspiel und dann zum Theater Delphin gekommen?

Iris Zeitlinger: Primär über Schultheater, ich war während der Schule in einer Gruppe. Interesse am Theater hatte ich schon lange. Danach habe ich aber nicht gespielt, weil ich nicht gut imstande war etwas zu suchen, selbstständig zu recherchieren. Ich bin im Autismus-Spektrum, habe das Asperger-Syndrom. Dann habe ich Bianca Bruckner kennengelernt: Wir waren zusammen in einer Ausbildung und als sie mir vom Theater Delphin erzählt hat, wo sie schon spielte, wolle ich mich sofort anschließen. Sie sagte, dass ich sogar bei der damaligen Produktion mitmachen könnte, und hat mich einfach mitgenommen. So bin ich 2011 gleich beim Stück Mondfisch eingestiegen.

Hättest du dich anderswo auch für eine Ausbildung oder fürs Spielen beworben?

Möglich wäre es schon gewesen, aber die Chancen wären wohl schlecht gewesen. Ich war zwischendurch mal bei einem Casting für einen Film, wurde aber nicht genommen. Ich habe von vielen gehört, wie schwer es ist, wo reinzukommen, und war froh, dass ich das Theater Delphin gefunden habe. Ich weiß nicht, ob ich woanders mit dem gleichen Respekt aufgenommen worden wäre.

Hast du das Gefühl, dass die Barrieren für dich höher sind?

Ich tu mir immer noch schwer mit Gestik und Mimik. Ich weiß gar nicht, ob ich auf die Idee gekommen wäre, nach dem Schultheater wieder mit dem Spielen anzufangen. Obwohl der Schauspiellehrer in der Schule zu mir gesagt hatte, dass ich es nicht aufgeben soll.

Was machst du jetzt beim Theater Delphin?

Ich komme jeden Montag aus der Umgebung von Wiener Neustadt in den Theaterkurs, spiele in Stücken wie demnächst die Kassandra und mache auch beim neuen Schauspiellehrgang mit. Ich wollte so eine Ausbildung auf jeden Fall probieren und freue mich über die Möglichkeit. Sobald Gabriele [Weber, Anm.] angesprochen hatte, dass der Lehrgang starten wird, habe ich sie sekkiert, ob ich mitmachen kann und hab mich dann ohne Hürden anmelden können, weil sie mich schon kennt.

Was bedeutet das Spielen hier für dich?

Es ist ja fast eine zweite Familie! Wir mögen einander alle, ich finde das toll. Ich bin dankbar, dass es das gibt, weil es wichtig für Leute wie uns ist. Die anderen hier standen immer hinter mir, auch wenn ich mal schwierig war und zeitweise gefehlt habe. Wenn es darauf ankommt, bin ich bei den wichtigsten Proben immer da. Ich stehe einfach gern auf der Bühne und probiere neue Rollen aus.

Mein Eindruck ist, hier werden Talente ernst genommen und es geht nicht nur um Andersartigkeit.

Auf jeden Fall. Ich habe schon in der Schulzeit mitbekommen, dass ich es in solchen inklusiven Einrichtungen leichter habe, Anschluss zu finden, als in «normalen». Ehrlich gesagt glaube ich auch, dass die meisten Menschen mit einem Handicap nicht so viele Vorurteile haben. Hier ist es total egal, das ist schön. Es gibt Leute, die reduzieren einen gleich auf etwas. Zumindest war es bei mir früher so.

Bräuchte es mehr Möglichkeiten, mehr Inklusion im Theater?

Eindeutig. Es gibt so viele Leute, die brauchen so etwas wie hier, also bräuchte es vielleicht mehr ähnliche Einrichtungen und Förderungen. Schauspielkurse sind ja nicht nur dafür da, dass man irgendwann Schauspieler:in werden kann. Das Spielen hilft auch, Selbstsicherheit zu lernen, im Leben oder bei einem Bewerbungsgespräch. Ich habe das mal im kaufmännischen Bereich mitbekommen. Und in Schauspielworkshops berichteten viele, wie wichtig es ihnen ist, sie es zum Beispiel als gute Übung für Vorträge gesehen haben. Schauspiel kann auch helfen, sich zu fokussieren oder sich in andere hineinzuversetzen.

Was wünschst du dir vom Lehrgang?

Ich bin wirklich gerne mit Bianca oder Judith [Czerny] hier, vor ihnen kannte ich keine Schauspieler:innen mit Handicap. Nach dem Lehrgang probiere ich es definitiv nebenbei auch woanders, wenn es mich nicht überfordert. Ich würde mich freuen, wenn ich danach zu Filmcastings eingeladen und bei kleinen Rollen in Filmen genommen werden würde. Aber Theater Delphin will ich niemals verlassen.

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